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Mariapfarr: Eine Madonna kehrt heim - aber wohin?

Vor 100 Jahren wurde das Kunstwerk der Schönen Madonna an der Taurach entdeckt.

„Heimkehr“ der Schönen Madonna am 15. August nach Mariapfarr.
„Heimkehr“ der Schönen Madonna am 15. August nach Mariapfarr.
Schöne Madonna aus dem Lungau. Das Original in Cleveland wurde für Mariapfarr aufwendig und originalgetreu kopiert.
Schöne Madonna aus dem Lungau. Das Original in Cleveland wurde für Mariapfarr aufwendig und originalgetreu kopiert.
Kapelle in der Burg Mauterndorf.
Kapelle in der Burg Mauterndorf.
Kapelle in der Burg Mauterndorf.
Kapelle in der Burg Mauterndorf.


Schon mehrmals hatten die SN im alten Jahr Gelegenheit, über ein nicht alltägliches Ereignis zu berichten (Nr. 61 und Nr. 120/2019).
Die 1964 an das Kunstmuseum in Cleveland (Ohio) verkaufte Madonna konnte nun dank des Entgegenkommens der Direktion dieses Hauses kopiert und in Rossatz (NÖ) wiederhergestellt werden. Grund genug, uns noch einmal die wahrhaft einzigartige Geschichte ihrer Auffindung und Wiederherstellung vor Augen zu führen.

Der Ort der Auffindung

Man schrieb das Jahr 1920. Die Zeiten waren nach dem Ersten Weltkrieg notvoll und bitterarm. Der junge Volkskundler und Heimatforscher Kuno Brandauer (1895-1980) war eben zu seiner Hochzeitsreise aus Salzburg nach Mauterndorf aufgebrochen. Bei einem Spaziergang entlang der Taurach kommt er nun an dem Mühlhausergut (Steindorf Nr. 17) vorbei. Dort fällt ihm ein schon seit langer Zeit verwahrlostes Wetterkreuz auf. Als er genauer hinsieht, bemerkt er im Bodenbereich die Bruchstücke einer Steinfigur. Diese waren ganz brutal hineingestopft, um ein Loch im Zaun zu schließen. Auf sein dringendes Bitten hin überlässt ihm der Bauer die Bruchstücke und Kuno Brandauer verwahrt diese bei sich in seiner Wohnung in Salzburg-Morzg. Dort lagen sie mehr als 40 Jahre.

Notdürftig zusammengeflickt

Zum ersten Mal wird diese notdürftig zusammengeflickte Figur der Öffentlichkeit präsentiert, da zu Weihnachten 1938 die NS-Herren in Salzburg eine große Kunstausstellung inszenierten. "Salzburgs bildende Kunst" heißt diese in der großen Aula des Studiengebäudes mit primitivsten Mitteln veranstaltete Ausstellung. Die neuen NS-Herren wollen sich eben das Mäntelchen umhängen, dass sie Ahnenerbe pflegen. Diese Madonna hat dort die Nr. 92a. Aber es konnte offenbar niemand im damaligen defekten Zustand ihre wahre Schönheit erkennen. Dies gelang erst dem hellsichtigen Auge des Salzburger Kunsthändlers und Gründers des Barockmuseums Dr. Kurt Rossacher (1918-1988). Anlässlich eines Besuches bei Regierungsrat Kuno Brandauer erblickte er die Figur und erwarb sie sofort.
Da ihm dieser noch genau den Ort beschreiben konnte, wo er sie gefunden hatte, fuhr Rossacher sogleich dort hin und untersuchte das ganze Erdreich genau. Er konnte noch eine Schuhschachtel voll kleiner Bruchstücke im Boden finden, die eindeutig dieser Figur zuzuordnen waren.

Die Wiedergeburt einer Madonna

Nun konnte Kurt Rossacher ans Werk gehen. Er tat dies zusammen mit seinem genialen Restaurator Herrn Joachim Böhm in Aufhausen (Obb.). In dessen Werkstatt entstand nun nach Abnahme aller unsachgemäßen Restaurierungsversuche dieses Kunstwerk, das bis auf ganz wenige Details nur mit originalen Bruchstücken zusammengesetzt werden konnte. So nahm die Madonna, deren außergewöhnlichen Rang Rossacher als Erster erkannte, ihren Weg in die USA.
Sogleich nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten verfasste Kurt Rossacher eine wissenschaftliche Arbeit über die kunsthistorische Bedeutung dieser wahrhaft königlichen Figur. Er publizierte diese in seiner Hauspostille (Alte und moderne Kunst, Heft 72, Jg. 1964, S. 2 bis 11). Es ist dies bis heute die einzige wissenschaftliche Bearbeitung dieses Kunstwerkes.

1854 brannte die Kirche

Dort vertritt Rossacher folgende These: Bei dem furchtbaren Brand am 28. September 1854 (bei Rossacher fälschlich immer 1860!), da durch einen Blitzschlag die Kirche von Mariapfarr, der Pfarrhof und ein Großteil der Häuser ein Raub der Flammen wurden, sei auch dieses ursprünglich in der Kirche stehende Gnadenbild herabgestürzt und zerbrochen. Es ist erwiesen, dass die Bevölkerung von Mariapfarr, die bei den Aufräumungsarbeiten nach dem verheerenden Unglück gratis Hilfsdienste geleistet hatte, sich Teile der Einrichtungsgegenstände mit nach Hause nehmen durfte. Auf diese Weise, so folgert Rossacher, sei also die Figur in das Anwesen des Landwirtes an der Taurach gelangt und zur Reparatur eines defekten Zaunes verwendet worden.
Diese These ist wohl heute kaum noch haltbar. Wir müssen uns zunächst kundig machen, was denn beim Brand im Inneren der Pfarrkirche von Mariapfarr alles zerstört wurde. Wenige Jahre nach dem Brand (1859) schreibt der verdienstvolle Diözesanchronist Josef Dürlinger: "Der Brand 1854 raubte der Kirche und dem Turm das Dach, dem Musikchor die Orgel, alle Glocken schmolzen. Da das Kirchengewölbe das Feuer bestand, blieb das Innere der Kirche größtenteils verschont." Weiters schreibt er: "Von den heiligen Bildern ist das Gnadenbild auf dem Hochaltar Mariahilf in geschichtlicher Beziehung merkwürdiger als in ästhetischer."

Zwei gewichtige Zeugen

Weiters gibt die Österreichische Kunsttopographie (Band XXII, S. 104) genau Auskunft. Dort schreibt Staatsarchivar Dr. Franz Martin (1929), dass beim Brand die Monstranz, die alten Kelche, die Messkleider, das Gnadenbild (!) und das Kreuz am Kreuzaltar gerettet werden konnten. Weiters schreibt er: "Die Altäre waren bis auf den Kreuzaltar auf der Empore unverletzt. Nur die Orgel und einige große Gemälde an den Säulen verbrannten."
Wenn zwei so gewichtige Zeugen die Unversehrtheit des Gnadenbildes beim Brand bestätigen, so wird wohl kaum die These Rossachers aufrechtzuerhalten sein, dass es sich bei den 1920 gefundenen Bruchstücken um die Reste des beim Brand zerstörten Gnadenbildes von Mariapfarr handeln kann.

Steht sie oder thront sie?

Ein weiteres Argument kommt hinzu. Sowohl im Heimatmuseum von Mariapfarr als auch in vielen öffentlichen und privaten Kunstsammlungen gibt es Abbildungen des alten Gnadenbildes von Mariapfarr. Auf all diesen ist stets eine sitzende Figur zu sehen. Auch die zahlreichen Kupferstiche und Pergamentbildchen, die sich erhalten haben, zeigen nur eine thronende Madonna.
Wo also ist diese thronende Figur hingekommen? Wir wissen es nicht. Die Rossacher'sche These, dass sie identisch sei mit der heute im Kunstmuseum von Cleveland stehenden königlichen Madonna, ist wohl nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Wo aber war dann der ursprüngliche Standort dieser großartigen Figur? Ein Beweis wird wohl wegen der mangelhaften Quellenlage nicht zu erbringen sein. Aber es sollte uns zumindest hellhörig machen, wenn Rossacher (S. 6) schreibt: "Es ist nicht anzunehmen, dass die Figur aus der Burgkapelle von Mauterndorf stammt."

Mauterndorfer Burg gehörte dem Domkapitel

Da auch die Mauterndorfer Burg im Besitz des Salzburger Domkapitels stand, war die Kapelle dort mit Kunstwerken reich ausgestattet. Als 1806 das alte Domkapitel aufgehoben wurde, verfiel die Burg zusehends. 1827 musste Erzbischof Augustin Gruber bei seiner ersten Visitation feststellen, dass die Burgkapelle nur unter Lebensgefahr betreten werden kann.

Mit Bruchstücken wurde ein defekter Zaun gestopft

Deshalb ordnete er deren sofortige Sperrung an. Erst 1860 konnte dort wieder unter den neuen Besitzern Gottesdienst gehalten werden. Aber das Argument Rossachers, die Figur kann deshalb nicht aus der Mauterndorfer Burgkapelle stammen, weil in diesem kleinen Raum nicht zwei Marienstatuen gestanden sein könnten, ist unzutreffend, denn der gotische Marienaltar ist hundert Jahre jünger als diese (um 1395) geschaffene Statue. Es könnte durchaus möglich sein, dass sie in diesem Vierteljahrhundert des Verfalles, da die Mauterndorfer Burgkapelle faktisch herrenloses Gut war, an das Wegkreuz an die Taurach gelangt sein könnte. Als dieses später verfiel, ist sie an Ort und Stelle verrottet und so 1920 in ihren Bruchstücken als Ausstopfung eines defekten Zaunes vorgefunden worden.


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