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Nazi-Raubkunst: Spur führt nach Salzburg

Cornelius Gurlitt, der 80-jährige mutmaßliche Sammler von Nazi-Raubkunst, hat auch ein Haus in Salzburg-Aigen. Ein Verfahren gegen den Mann gebe es in Salzburg allerdings nicht.

Nazi-Raubkunst: Spur führt nach Salzburg
Nazi-Raubkunst: Spur führt nach Salzburg
Nazi-Raubkunst: Spur führt nach Salzburg
Nazi-Raubkunst: Spur führt nach Salzburg

Helmut Ludescher wusste sofort, von wem die Rede war, als er am Montag den SN-Artikel über eine "vermüllte" Wohnung und Kunst las. Denn mit Müll und verwahrlosten Zuständen hat Helmut Ludescher auch in seiner Straße in Salzburg-Aigen Erfahrung.

Wie berichtet, hat ein 80-jähriger Münchener über Jahrzehnte in einer Wohnung rund 1500 Bilder gehortet. Cornelius Gurlitt heißt der Mann. Er besitzt auch seit Anfang der 1960er-Jahre ein Haus in Salzburg. Nebenan wohnt Kommerzialrat Helmut Ludescher, seit 23 Jahren in Pension. Er berichtete, den mysteriösen Nachbarn fast nie gesehen und seit "zwei oder drei Jahren" überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen zu haben.

Er hatte sogar einmal veranlasst, dass die Polizei Nachschau halte, ein Ergebnis erfuhr er nicht. Er habe beobachtet, wenn ein "gespenstisches Licht" aus dem Nachbarhaus drang. Als er den Nachbarn einmal ansprach, erzählt Ludescher, habe der alte Mann "mürrisch und abweisend" reagiert und nur im Weggehen gesagt: "Ich gebe keine Antwort."

Dass Cornelius Gurlitt nicht gestorben war, erfuhr Ludescher auf Umwege - etwa über den Magistrat, weil der Hausbesitzer eine Strafgebühr in Sachen Kanalanschluss bezahlt habe. Jetzt dürfte das Haus in Salzburgs eigentlich nobler Wohngegend verfallen - und niemand unternehme etwas dagegen, klagt Ludescher. Auch andere Nachbarn berichten von Ärger mit wucherndem Gestrüpp aus Cornelius Gurlitts Garten.

Nach der Auffindung von 1500 Bildern in der Münchener Wohnung des Cornelius Gurlitt ist die Frage von Interesse, ob sich im verschlossenen Salzburger Haus womöglich weitere Funde machen lassen. Hat Gurlitt auch in Salzburg Kunst verwahrt? Das Haus in Salzburg-Aigen wird derzeit nicht durchsucht: Es gebe in Salzburg kein strafrechtliches Verfahren gegen den Mann, sagt die Staatsanwaltschaft. Mehr...

Der beschlagnahmte Münchener "Kunstschatz" des Cornelius Gurlitt soll sich nun laut Meldung der dpa in einem Depot in Garching bei München befinden. Es wird von Sachverständigen untersucht. Bei der Beschlagnahme der 1500 Werke im Frühjahr 2011 seien möglicherweise nicht alle Kunstwerke entdeckt worden, wird in Medien spekuliert. Denn noch nach der Razzia habe Gurlitt im darauffolgenden Sommer das Gemälde "Löwenbändiger" von Max Beckmann zur Auktion abgegeben. Dies bestätigte das Kölner Kunsthaus Lempertz am Montag.

Dabei fanden die Experten heraus, dass es aus dem Nachlass des jüdischen Kunstsammlers Alfred Flechtheim stammte. Nach einer Einigung mit den Erben Flechtheims sei der "Löwenbändiger" daraufhin für 864.000 Euro mit Aufschlag versteigert worden. Die zuständigen deutschen Behörden verweigerten am Montag jede Erläuterung und verwiesen auf eine für heute, Dienstag, angekündigte Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Augsburg. Da soll die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann zu Wort kommen, die sich mit der Sachlage der Provenienz befasst. Offene Fragen gibt es jedenfalls zuhauf. Bekannt wurde nur, dass die deutsche Bundesregierung Bescheid wusste über die beschlagnahmten Kunstwerke. In Kreisen der Provenienzforscher war man hingegen weitgehend ahnungslos. Offenbar aber wusste der diskrete Kunsthandel mehr.

Der Fall zeige, dass "mehr als ein Händler" gewusst habe, dass Cornelius Gurlitt Bilder habe, heißt es in Kreisen von Wissenschaftern. Für den Kunsthandel sei die Gurlitt-Quelle nicht neu.

Denn Cornelius Gurlitt hatte in Auktionshäuser in der Schweiz und Deutschland nach Informationen des "Focus" bereits seit Jahren Avantgardebilder eingeliefert. Zu einigen beschlagnahmten Gemälden aus dem Gurlitt-Fund gibt es Herkunftshinweise. So soll laut "Focus" ein Frauenbildnis von Matisse dem jüdischen Sammler Paul Rosenberg gehört haben, Großvater der französischen Journalistin Anne Sinclair. Dutzende Werke sollen aus dem Besitz eines jüdischen Sammlers aus Dresden stammen.

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