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"Vermessung der Welt": In großen Fußstapfen straucheln

Daniel Kehlmanns Bestseller "Die Vermessung der Welt" feierte als Theaterproduktion Österreichpremiere in Salzburg.

"Vermessung der Welt": In großen Fußstapfen straucheln
"Vermessung der Welt": In großen Fußstapfen straucheln
"Vermessung der Welt": In großen Fußstapfen straucheln
"Vermessung der Welt": In großen Fußstapfen straucheln

Julius Cäsar. Johanna von Orleans. Prinz Friedrich von Homburg. Lang ist die Liste an historischen Persönlichkeiten, deren Schicksal sich auf der Bühne höchst lebendig vermittelt. Das Geschichtsdrama wurde von Titanen wie Shakespeare, Schiller oder Kleist mit immer neuen Stoffen bereichert. Historisch durchaus frei zwar, aber mit zwingender Theaterpranke.

Doch Dramatiker mit Interesse an historischen Vorgängen sind heute rar geworden. Die Theaterhäuser müssen in epischen Gefilden wildern.

Daniel Kehlmann ist diesbezüglich eine sichere Bank. "Die Vermessung der Welt", seine Doppelbiographie über Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, ging seit seinem Erscheinen vor neun Jahren unglaubliche sechs Mill. Mal über die Ladentische. Ein Coup, der Detlev Buck zu einer - mäßig gelungenen - Verfilmung und Dirk Engler zu einer Bühnenfassung inspirierte.

Dass sich Kehlmanns Bestseller mit seinen rasch wechselnden Szenen durchaus für die Bühne eignet, bewies am Freitagabend die Österreichische Erstaufführung im Salzburger Landestheater. Der Naturforscher Humboldt und der Mathematiker Gauß treffen im Berlin des Jahres 1828 aufeinander und lassen ihre Leben Revue passieren. Hier der behütete Bürgerssohn, den es in die entlegensten Winkel der Welt hinauszieht, dort das Arbeiterkind, das der Obrigkeit Zeit seines Lebens den Respekt verwehrt und den "Kopf in den Sternen" hat.Zentralfiguren treffsicher besetzt Szene für Szene wird die Unterschiedlichkeit der beiden Geistesgrößen kenntlich gemacht. Mit Christoph Wieschke als entdeckungsfreudige Frohnatur und Marco Dott als soziophobem Stubenhocker sind die beiden Zentralfiguren treffsicher besetzt. Der Rest des Ensembles (Vilmar Bieri, Walter Sachers, Claudia Carus) alterniert in Nebenrollen, der junge Paul Maresch verkörpert die Sekundanten Bonpland und Eugen und vermag hier durchaus Akzente setzen.

Regisseurin Sarah Kohrs nutzt die groß dimensionierte Stahl-Drehbühne von Ausstatter Stefan Mayer und lässt Wieschke darauf herzhaft herumturnen, um Humboldts Besteigung des Vulkan Chimborazo oder die höllische Orinoco-Fahrt im Zuge seiner Südamerika-Reise nachzuzeichnen. In den besten Momenten des Abends wirkt der große Entdecker wie ein deutscher Peer Gynt. Dennoch bleibt er eigenartig fremd, rührt sein Schicksal ebenso wenig wie jenes seines Forscherkollegen im beschaulichen Göttingen.

Vielleicht trifft der Depeche-Mode-Song "Walking in my Shoes", der in der Inszenierung immer wieder als verbindendes Element eingesetzt wird, den Kern des Problems: Um in die Fußstapfen der ganz Großen zu treten, mangelt es Kehlmanns Geschichtsunterricht an sprachlicher Meisterschaft und seinen Figuren an der nötigen Tiefe. So wirkt der Premierenapplaus nach zweieinhalb Stunden freundlich, aber auch etwas erschöpft.

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