Wolfgang Loidl, Lokführer bei den ÖBB und Besitzer einer Eigentumswohnung in Mondsee-Moosbach, verstand die Welt nicht mehr: "Alle reden von Klimaschutz, Energiewende und Nachhaltigkeit, und dann das." Wolfgang Loidl, auch gelernter Elektriker, hatte im Dezember des Vorjahres Solarpaneele an der Außenseite seines Balkons in Südwestlage montiert. "Meine kleine PV-Anlage sollte nur für das Aufladen meines E-Autos dienen", so Loidl. Doch der Wohnungsbesitzer hatte die Rechnung ohne die Miteigentümer der Wohnanlage gemacht. Ursprünglich habe er sich gedacht, dass er auf seinem Balkon machen könne, was er wolle. "Es ist ja kein Wintergarten. Die Paneele blenden niemanden, können niemand stören. Sie sind halt blau und nicht gelb wie die Außenfassade", dachte Loidl, um Wochen später eines Besseren belehrt zu werden. Er hatte im Nachhinein postalisch bei den 25 Wohnungseigentümern um eine Zustimmungserklärung ersucht.
Sechs Rückmeldungen waren negativ
"16 Rückmeldungen waren positiv, aber sechs negativ. Vier Eigentümer, die abgelehnt haben, haben mich über einen Salzburger Rechtsanwalt aufgefordert, binnen 14 Tagen meine PV-Anlage wieder abzumontieren. Noch dazu soll ich die Kosten für den Rechtsanwalt in der Höhe von 346,56 Euro für dessen Einschreiten bezahlen", erklärte Wolfgang Loidl, der diese Kostenvorschreibung nicht akzeptieren will, wie er im SN-Gespräch erklärte.
Der Wohnungseigentümer hat die Solarpaneele nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt nun fristgerecht abmontiert. "Ich werde sie im Internet zum Kauf anbieten", sagt der sichtlich frustrierte Mondseer, der angesichts des geltenden Wohnungseigentumsgesetzes einsehen musste, dass er eine Auseinandersetzung vor Gericht verlieren würde.
"Klare Regeln im Wohnungseigentumsgesetz"
Klaus Perfall, der sich mit drei weiteren Gegnern zusammengeschlossen hatte, ist einer der Wohnungseigentümer, die keine Zustimmungserklärung abgegeben haben. "Es geht ums Prinzip. In der Vergangenheit hat es zahlreiche Probleme mit der damals agierenden örtlichen Hausverwaltung gegeben, im Dachbereich ist illegal ausgebaut worden, aber einer Wohnungseigentümerin ist verboten worden, im eigenen Garten eine kleine Hütte für ihre Gartengeräte aufzustellen. In der Wohnanlage sollte nicht jeder tun und lassen können, wie es ihm beliebt. Dafür gibt es bekanntlich klare Regeln im Wohnungseigentumsgesetz."
Das kann der Mondseer Bürgermeister Josef Wendtner bestätigen: "Die Errichtung einer solchen Solaranlage unterliegt keiner Bewilligung nach dem Baurecht. Das müssen sich die Wohnungseigentümer unter sich ausmachen. Meine Frau besitzt in dieser Anlage ebenfalls eine Wohnung und sie hat für die Solarpaneele des Herrn Loidl gestimmt."
Wohnungseigentumsgesetz mit Jahresbeginn novelliert
Wie rigoros sich das Wohnungseigentumsgesetz in der Praxis auswirkt, besagen die Bestimmungen: So wird jede bauliche Veränderung als Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums definiert.
Wird eine bauliche Veränderung geplant oder bereits getroffen, müssen alle betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen, sofern die Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums zu einer Beeinträchtigung führt. Bereits eine einzige Nein-Stimme verhindert die Einstimmigkeit.
Der Gesetzgeber hat nun das Wohnungseigentumsgesetz mit Jahresbeginn novelliert. Unter anderem werden Bestimmungen zu baulichen Veränderungen und Modernisierungen geändert. Eigentümer können z. B. einfacher den Einbau von E-Auto-Ladestationen oder barrierefreie Umbauten durchsetzen. Bei geplanten Änderungen eines einzelnen Wohnungseigentümers gilt die Zustimmung als erteilt, wenn diesen innerhalb von zwei Monaten nach Verständigung nicht widersprochen wird (siehe links).
Daten & Fakten - "Eigentum kann auch belasten", sagt der Salzburger Rechtsanwalt Stephan Kliemstein:
Wer sich eine Wohnung kauft, sollte sich im Klaren darüber sein, dass der Gestaltungsfreiheit im Wohnungseigentumsrecht recht enge Grenzen gesetzt sind und vor geplanten Maßnahmen regelmäßig die Zustimmung der Miteigentümer einzuholen ist - so etwa bei Veränderungen an allgemeinen Teilen des Hauses. Bereits vermeintlich "kleinere" Eingriffe wie die Montage von Außenjalousien, Markisen oder Klimaanlagen können jahrelange Gerichtsprozesse nach sich ziehen. Ohne Zustimmung der anderen Eigentümer dürfen grundsätzlich nur unwesentliche Veränderung im Innenbereich der eigenen Wohnung vorgenommen werden.
Aber was sind unwesentliche Veränderungen? Da fängt die Streiterei meist an. Mit der seit Jahresbeginn in Teilen in Kraft getretenen Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) will der Gesetzgeber vor allem das streitbehaftete Zustimmungssystem vereinfachen. Für bestimmte Maßnahmen am eigenen Wohnobjekt gilt jetzt eine "Zustimmungsfiktion". Die anderen Eigentümer müssen lediglich über die geplanten Änderungen schriftlich informiert werden.
Langt binnen zwei Monaten kein Widerspruch ein, gilt das als Zustimmung - etwa bei einer Montage von Ladestationen für E-Autos, einbruchsicherer Türen oder Beschattungen, die in das Erscheinungsbild des Hauses passen. Künftig sollen Mehrheitsbeschlüsse nicht nur mit der Mehrheit aller Miteigentumsanteile zustande kommen, so wie bisher, sondern auch, wenn ein Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefasst wird und diese Mehrheit mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile verkörpert. Diese Bestimmungen im WEG treten mit 1. Juli 2022 in Kraft.