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Brisanter Akt: Tobi Reiser nannte sich NS-Putschist

Personalakt aus Berliner Archiv aufgetaucht: Tobi Reiser gab an, 1934 "kämpferisch" tätig gewesen zu sein. Experten zeigen sich skeptisch. Volkskundlerin fordert Abschaffung von Reiser-Preis.

Brisanter Akt: Tobi Reiser nannte sich NS-Putschist
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Brisanter Akt: Tobi Reiser nannte sich NS-Putschist


Man kennt Tobi Reiser vom besinnlichen Salzburger Adventsingen oder - ganz aktuell - vom Passionssingen, bei dem das Tobi-Reiser-Ensemble seine Musik spielt. Es gibt den nach dem Musikanten benannten und mit 4000 Euro dotierten Tobi-Reiser-Preis. Und nicht zuletzt wird der Musikant Reiser (1907- 1974) im Monatsschlössl Hellbrunn als "Salzburgs berühmtester Volksmusikant des 20. Jahrhunderts" gefeiert.

Reisers Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus sind schon länger bekannt. In der Volkskulturszene galt und gilt der Begründer des Adventsingens aber noch immer als Mitläufer.

Doch jetzt aufgetauchte Akten werfen ein ganz anderes Licht auf Salzburgs Volksmusikidol. Demnach war Reiser Überzeugungstäter - das geht aus dem Personalakt des "Reichsnährstandes" hervor, der im Bundesarchiv in Berlin lagert und auf den die Südtiroler Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer im Zuge von Recherchen gestoßen ist. Im Personalakt zu "Tobias Franz Reiser" antwortet der Gastwirtesohn auf die Frage, ob er sich "kämpferisch" betätigt habe, mit: "beim Juliputsch" - also jenem gescheiterten Putschversuch der (damals illegalen) Nationalsozialisten von 1934, in dessen Verlauf Kanzler Engelbert Dollfuß ermordet wurde. Konkret schreibt Reiser in einem Lebenslauf, der einem mit 21. Oktober 1938 datierten Fragebogen für den "Reichsnährstand" angefügt ist, er habe sich 1931 beim "Motorsturm der NSDAP" angemeldet und dann am Juliputsch beteiligt.

Im Zuge ihrer Nachforschungen stieß Wallnöfer auch auf ein Schreiben der NSDAP an die "Landesbauernschaft - Alpenland" in Salzburg, in dem es um die "politische Beurteilung" Reisers geht. Dort heißt es: "Gegen den Obgenannten bestehen in politischer als auch in charakterlicher Beziehung keine Bedenken. Reiser ist seit dem Jahre 1931 in der Bewegung und als einwandfreier Nationalsozialist bekannt."

Demnach war Reiser also schon zwei Jahre, bevor Hitler in Deutschland an die Macht kam, und sieben Jahre, bevor Hitler in Österreich einmarschierte, Nationalsozialist.

Für die Volkskundlerin Wallnöfer, die sich seit vielen Jahren mit der Wissenschaftsgeschichte der Volkskunde beschäftigt, steht jetzt endgültig fest: Der Tobi-Reiser-Preis müsse sofort abgeschafft werden. "Und man muss sich auch das Adventsingen anschauen." Reiser eigne sich definitiv nicht als "Held" und "Ikone" der Volksmusik. "Man muss ihm seine zentrale Stellung als Salzburger Brauchtradierer nehmen." Man müsse ihn als Vorbildfigur "aus der Salzburger Kulturpraxis streichen".

Der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer hat den Verlauf des Juliputsches in Lamprechtshausen, Seekirchen und Liefering erforscht. Auf Reisers Name sei er aber nicht gestoßen. "Wäre er namhaft geworden, hätte er mit Sicherheit ein Verfahren gehabt. Er taucht aber nirgendwo als Aktivist auf." Ähnlich wie der Reiser-Kenner Karl Müller (siehe Interview) glaubt auch Historiker Kerschbaumer, dass Reiser mit der Juliputsch-Version nur Eindruck beim NS-Regime schinden wollte. Einen Reiser-Preis sollte man dennoch nicht mehr verleihen, sagt Kerschbaumer: "Reiser ist jedenfalls kein Vorbild."