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In der Elementarbildung haben alle Regierenden kläglich versagt

Es ist erbärmlich: Wir brauchen Notlösungen, um die Betreuung der Kleinsten außer Haus zu gewährleisten. Von Qualität ist längst nicht mehr die Rede.

Barbara Haimerl
(Kinder-)Gartengestaltung ...
(Kinder-)Gartengestaltung ...

Man stelle sich vor, die Chirurgin fällt aus und an ihrer Stelle greift die Anästhesistin zum Skalpell. Dieser Vergleich im Zusammenhang mit Kinderbetreuung ist gewagt, weil es im Operationssaal um Leben und Tod geht. Kinder sind aber nicht weniger wichtig als Patientinnen und Patienten. Sie haben die beste Betreuung durch das bestmöglich geschulte Personal verdient, weil sie das Beste sind, was dieses Land hat. Im Kindergarten geht es nicht um Leben und Tod, es geht um das pralle Leben und letztlich darum, wer Österreichs Zukunft gestalten wird.

Der Aufschrei in der Berufsgruppe für Elementarpädagogik war groß, als sich die in der Landesregierung für die Kindergärten zuständigen Freiheitlichen kurz vor Weihnachten anschickten, die Salzburger Kinderbildungs- und -betreuungsverordnung zu verlängern, um bei Personalmangel die Schließung von Gruppen zu verhindern. Gemäß der Verordnung, die in abgeschwächter Form auf den Weg gebracht wurde - Jahre bevor die FPÖ in die Landesregierung kam -, können Zusatzkräfte die Aufgaben von Fachkräften und auch leitende Funktionen wie die Führung einer Gruppe übernehmen.

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels warnten die Pädagoginnen vor der Gefahr, dass die Not- zur Dauerlösung wird, und äußerten die Sorge vor einem Qualitätsverlust. Wie die FPÖ verbal und mit Äußerungen in den sozialen Medien auf die Kritik reagiert hat, war einer Regierungspartei nicht würdig.

Es ist aber nicht fair, allein den Blauen den Schwarzen Peter zuzuspielen. Dass immer wieder notdürftig Löcher gestopft und unbefriedigende Lösungen wie diese gezimmert werden müssen, um den Betrieb in Kindergärten und Krabbelgruppen aufrechterhalten zu können, ist das Versagen aller Parteien egal welcher Couleur, die in den vergangenen Jahrzehnten in Bund, Land und Gemeinden an der Macht waren und das Heft des Handelns in der Hand hatten. Sie haben weggeschaut, den Bereich kaputtgespart, die gebetsmühlenartig vorgebrachten Forderungen der Pädagoginnen ignoriert und sie haben den Ausbau vorangetrieben, ohne zu bedenken, dass es dazu auch mehr Personal braucht.

Sollen Gruppen also tatsächlich zusperren, wenn Fachpersonal fehlt? Pragmatisch gedacht: Nein! Emotional und mit Wut im Bauch: Ja! Dann würde endlich schlagartig offensichtlich, was ohne Kinderbetreuung los ist. Eines wird von vielen noch immer ignoriert: Es geht nicht um nett spielen mit netten "Tanten". Was Kinder zwischen drei und sechs Jahren nicht lernen, können sie nicht mehr aufholen. Für Kinder, die in einer intakten Familie aufwachsen und zu Hause allen Rückhalt haben, ist der Kindergarten eine zusätzliche Förderschiene. Aber für Kinder, denen dieses Glück nicht beschieden ist, die von Anbeginn ihres Lebens mit vielen Hürden und wenigen Chancen aufwachsen, deren Eltern von Sorgen gebeutelt sind oder berufsbedingt wenig Zeit haben, macht der Kindergarten den großen Unterschied. Für optimale Betreuung außerhalb der Familie braucht es mehr als Herzensbildung, es braucht das beste Know-how und die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Auf dem Gebiet der Elementarbildung tut sich enorm viel, Forschungsergebnisse müssen in den pädagogischen Alltag einfließen. Deshalb ist es trotz des Personalmangels geboten, die Latte hoch anzusetzen und nicht aus der Not heraus immer tiefer zu legen. Das bedeutet keinesfalls, dass Zusatzkräfte keine gute Arbeit leisten. Sie sind in ihrem Bereich genauso unersetzlich und sie können kurzfristig einspringen. Es darf aber nicht zur Normalität werden. Diese Gefahr besteht sehr wohl, weil der Personalmangel nicht von heute auf morgen verschwinden wird. Elementarbildung ist der Schlüssel für Chancengerechtigkeit. Anders gesagt: Sie ist elementar.

Wie sagte neulich Erziehungswissenschafter Andreas Paschon von der Universität Salzburg: "Es ist fatal, wenn Kinder schon beim ersten Tor des Riesentorlaufs des Lebens falsch abbiegen."