Die Wiener Architektin Elsa Prochazka ist seit Februar die neue Vorsitzende des Salzburger Gestaltungsbeirats. Sie folgt in dieser Funktion Architekt Peter Riepl nach. Prochazka gehört dem Beirat seit drei Jahren an. Seit 1973 hat Prochazka ihr eigenes Architekturbüro in Wien. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit öffentlichen Bauten, Wohn- und Betriebsbau, Städtebau sowie Ausstellungskonzeptionen und Ausstellungsdesign. Zugleich ist sie als Universitätsprofessorin tätig. Von 2001 bis 2013 leitete sie an der Kunstuniversität Linz die Studienrichtung raum&designstrategien. In Deutschland war sie an der Universität Kassel Professorin für "Entwurf im städtebaulichen Kontext".
Seit 30 Jahren begutachtet der Gestaltungsbeirat Architekturprojekte in der Stadt Salzburg. Für die Altstadt ist die Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung zuständig.
SN: Die Diskussion um die Wohnverbauung des Dr.-Franz-Rehrl-Platzes in der Altstadt kreist um die in Salzburg immer aktuelle Frage: Wie viel moderne Architektur verträgt das Weltkulturerbe?
Prochazka: Der Rehrlplatz ist als städtebauliches Thema in der Diskussion überbewertet. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Eine Stadt muss sich entwickeln und umformen. Die Frage ist, in welcher Qualität das geschieht. Dafür gibt es Qualitätssicherungsinstrumente, die schon lang etabliert sind. Auch die Altstadt ist nicht an einem Tag erbaut worden.
SN: Nun ist Salzburgs Altstadt derart einzigartig, dass viele sagen, nicht Entwickeln, sondern Bewahren sei die zentrale Aufgabe.
Prochazka: Bewahren ist ein weites Land. Ich sehe auch in Salzburg sehr viel unkultivierten Umgang mit der alten Substanz. Da bleibt man oft an der Fassade stehen und im Inneren geht man respektlos und kommerziell mit der Bausubstanz um. Bewahren darf kein vordergründiges Klischee sein, das auf eine bestimmte Zielgruppe, nämlich die Touristen, abzielt. Bewahren heißt auch immer, substanziell die Bausubstanz beurteilen und den Raum zwischen den Gebäuden mit Sorgfalt betrachten. Wenn Salzburg eine junge, zeitgemäße, vitale Stadt werden will, wird sie bis zu einem gewissen Grad wachsen müssen. Die Frage ist dann aber, in welcher Qualität das passiert.
SN: Kaum wird in Salzburg ein Projekt zeitgenössischen Bauens bekannt, formieren sich dagegen die Bürger. Nehmen Sie deren Kritik ernst?
Prochazka: In Salzburg sind diese Initiativen extrem instrumentalisiert. Von den Protagonisten selbst, aber auch von den Medien. Sie greifen nur die negativen Positionen auf und führen keine sachliche Diskussion. Das schwächt eine Stadt.
SN: Muss sich zeitgemäße Architektur den Bauten in der Altstadt unterordnen?
Prochazka: Nein! Sie muss qualitätsvoll sein. Wie in jeder Stadt gibt es auch im historischen Teil der Stadt Nachlässigkeit, Mittelmäßigkeit und Qualitätslosigkeit.
SN: Können Sie Beispiele nennen?
Prochazka: Nein, das möchte ich nicht. Architektur ist unglaublich komplex. Das ist immer im Einzelfall zu beurteilen. Architektur ist Ausdruck der Zeit. Alles, was versucht, hinter der Zeit zurückzubleiben, bringt sofort einen Qualitäts- und Kraftverlust. Wir müssen heute das Welterbe für morgen gestalten.
SN: Wie in vielen anderen europäischen Städten ist in Salzburg das Nachverdichten ein Thema. Auf dem Stadtwerkeareal in Lehen ist das aber ordentlich danebengegangen.
Prochazka: Will man eine prosperierende Entwicklung mit jungen Menschen, muss es gelingen, erschwingliches Wohnen anzubieten. Und das in qualitätvoller Architektur. Extrem wichtig ist dabei die Frage, wie man mit dem Freiraum und dem Grünraum umgeht. Die Bauträger unterschätzen oft, dass auch dafür Geld in die Hand genommen werden muss, und dass darauf geachtet werden muss, den Freiraum in der gleichen Qualität zu entwickeln. Das ist in Lehen nicht optimal umgesetzt. Ich mache auch in anderen Städten die Erfahrung, dass der Zwischenraum immer am Schluss gemacht wird und dann kein Geld mehr da ist. Genau hier wird aber in diesem Sinn nun nachgebessert.
SN: Aber diese Entwicklung in Lehen hat sich ja unter den Augen des Gestaltungsbeirats abgezeichnet.
Prochazka: Der Gestaltungsbeirat kann aber nicht entwerfen und umsetzen - er gibt Empfehlungen.
SN: Das neue Hochhaus am Bahnhof ist vielen Salzburgern ein Dorn im Auge.
Prochazka: Das Bahnhofsviertel bietet sich für eine Höhenentwicklung an. In Salzburg herrscht eine auffallende Höhenphobie. Wie kann das sein, in einer Stadt, die sich wie kaum eine andere Stadt auf so engem Raum entwickelt und dabei dreidimensional ausformt? Man muss nur zu den Stadtbergen hinaufschauen und sieht sofort, wie dreidimensional diese Stadt aufgebaut ist. Diese Höhenstaffelung und zugleich der Durchblick in die Landschaft, das ist der eigentliche Reiz dieser Stadt. Für mich ist diese Angst vor Höhe nicht nachvollziehbar. Auch hier muss man über Qualität diskutieren, nicht über Geschoße. Ein Hochhaus wird nicht besser, wenn man zwei Stockwerke wegnimmt, und ein mittelmäßiges Haus ist schon mit zwei Geschoßen zu hoch.
SN: Seit 30 Jahren begutachtet der Gestaltungsbeirat Architektur in Salzburg. Wie würde die Stadt ohne Beirat ausschauen?
Prochazka: Der ökonomischen Begierde und Gier wäre kein Einhalt zu gebieten. Und die Stadt wäre um viele interessante Projekte ärmer.
SN: Projektanten werfen dem Beirat mitunter Arroganz vor.
Prochazka: Der Beirat geht mit Respekt und auf Augenhöhe mit den Projektanten um. Natürlich werden Defizite angesprochen. Meine Erfahrung ist, dass engagierte Büros, die an qualitätvollem Bauen interessiert sind, diese Kritik annehmen können. Weniger engagierte Büros legen die Kritik als Schikane aus. Im Beirat sitzen Leute, die eigene Projekte erfolgreich umgesetzt haben und viel Juryerfahrung haben. Sie können Qualität beurteilen.