Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat gegen einen hochrangigen Salzburger Polizeijuristen in der Vorwoche eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs und versuchter Beweismittelunterdrückung beim Landesgericht Salzburg eingebracht. Der Beamte soll 561 Verwaltungsstrafakten gegen Prostituierte gesetzwidrig eingestellt haben. Weiters wird ihm vorgeworfen, 17 Akten nicht erledigt zu haben.
"Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig", sagte Gerichtssprecherin Christina Rott am Montag. Deshalb steht auch noch kein Prozesstermin fest. Der Polizist soll es als Strafreferent beziehungsweise als Leiter des Strafamtes unterlassen haben, Verwaltungsstrafakten einer ordnungsgemäßen Erledigung zuzuführen, wodurch eine Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Dadurch seien dem Staat beträchtliche Strafgelder entgangen, lastet ihm die Staatsanwaltschaft an. "Die Vorwürfe sind völlig unberechtigt, ich bin unschuldig", betonte der 57-jährige Angeklagte am Montag. Vorwurf: Akten einfach abgelegt
Ein wesentlicher Vorwurf betrifft den Zeitraum November 2013 bis März 2014: Der Polizeijurist habe 561 Verwaltungsstrafakten gegen rumänische und ungarische Prostituierte gesetzwidrig entgegen der ausdrücklichen Weisung und dem Vier-Augen-Prinzip widersprechend und auch ohne jegliche Einzelfallprüfung eingestellt. Er habe die Akten einfach abgelegt.
In der Anklage werden weitere Tatzeiträume genannt. So soll der Salzburger zwischen Juli 2012 und Februar 2013 bei zumindest sieben Verwaltungsstrafakten keine Verfolgungsschritte gesetzt haben. Er habe die Akten zum Jahreswechsel 2012/2013 in einem leer stehenden Büro in einem 322 Akten umfassenden Stapel abgelegt. Ebenfalls in diesem Zeitraum soll er zumindest sieben weitere Verwaltungsstrafakten über einen längeren Zeitraum nicht bearbeitet und wegen Verjährung eingestellt haben. Entgegen des Vier-Augen-Prinzips habe er die Akten in das Archiv abgelegt, heißt es in der Anklage. Bei drei weiteren unerledigten Akten soll er es im Zeitraum von Jänner bis Mitte Mai 2014 unterlassen haben, diese jemandem anderen für eine Protokollierung zuzuweisen. Suspendierung im Juni 2014 wieder aufgehoben
Wegen eines Vorfalls am 16. Mai 2014 wird dem 57-Jährigen versuchte Beweismittelunterdrückung angelastet. Er habe anlässlich seiner Suspendierung einen Akt zusammen mit seinen persönlichen Gegenständen verbringen und einen weiteren Akt zerreißen wollen, so die Staatsanwaltschaft. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Suspendierung übrigens im Juni 2014 wieder aufgehoben. Der Polizist war dann etwa zwei Monate im Dienst, er ist seither aber offiziell im Krankenstand und hat bereits um seine Pensionierung angesucht. Der Beschuldigte bezeichnete sich als Mobbingopfer. Gegen ihn sind laut einem Rechtsvertreter elf Disziplinarverfahren anhängig.
Bisher sei der Beschuldigte zu keiner Aussage bereit gewesen, vermerkte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift an. Er habe Einvernahmetermine nicht wahrgenommen und immer zu einem späteren Zeitpunkt vernommen werden wollen. Polizeijurist: "Akten rechtskonform bearbeitet"
Er habe alle Akten rechtskonform bearbeitet und den Staat in seinem Strafanspruch "in keinster Weise" geschädigt. Das erklärte der Polizeijurist in einer schriftlichen Stellungnahme an das Gericht, die der APA vorliegt. "Von meiner Seite bestand nicht der geringste Schädigungsvorsatz. Zu keiner Zeit sollte irgendein Akt unterdrückt oder eine Verjährung herbeigeführt werden", betonte der Beamte.
Was die Verwaltungsstrafakten gegen die Prostituierten betreffe, so habe er klipp und klar angeordnet, dass diese zentral im Archiv abgelegt werden müssten, um jederzeit Zugriff zu haben, falls eine während des Strafverfahrens untergetauchte Beschuldigte wieder auftauchen sollte. Der Vorgang sei von seinem damaligen Abteilungsleiter so verzerrt dargestellt worden, als wäre die Ablage der Prostituiertenakten in vier Schachteln nicht offiziell gewesen und in Verschleierungsabsicht durchgeführt worden.
Für die Kontrolle der Kartons an einem Samstag habe ihm der Abteilungsleiter sogar Überstunden genehmigt, rechtfertigte sich der Beamte. Es sei auch in jedem einzelnen Fall eine Entscheidung getroffen worden. Wegen des Untertauchens der Prostituierten sei nur vorläufig von einer Strafverfolgung abgesehen worden, erklärte der Polizeijurist. Für den Fall des Wiederauftauchens habe er die Vorsorge getroffen, dass der jeweilige EDV-mäßig erfasste Akt zum weiteren Vollzug wieder sofort bereitgestellt werden konnte. Auch sei das Vier-Augen-Prinzip gegenüber dem Abteilungsleiter nicht verletzt worden, da dieses ihm gegenüber gar nicht gegolten habe. "Es wurde versucht, mir Akten unterzuschieben"
Zu den weiteren Vorwürfen meinte der Polizist in seinem 25-seitigen Einspruch der Anklage, den er an das Landesgericht Salzburg noch heute übermitteln will, dass es bis zu seiner Übernahme des Strafamtes am 1. November 2012 unter seinem Vorgänger "regelrecht drunter und drüber gegangen" sei. Es hätten klare Anweisungen gefehlt, wer welche Akte aufgrund seiner vorherigen Suspendierung übernommen habe und wann diese wieder rückgeführt würden. "Es kann mir nicht nachträglich unterstellt werden, dass ich für die verjährten Akte verantwortlich gewesen wäre, von denen ich gar nichts wusste. Vielmehr wurde versucht, mir diese Akten einfach unterzuschieben. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum nicht gegen jene Beamte, die als letzte Bearbeiter in den jeweiligen Akten aufscheinen, Anzeige wegen Verdachtes des Missbrauchs der Amtsgewalt wegen Verjährung erstattet wird."
Der 57-Jährige erklärte unter anderem, dass zahlreiche Akten gar nicht auf ihn protokolliert gewesen seien, sodass ihn diesbezüglich auch keine Verantwortung treffe. Verjährte Akten seien beispielsweise durch eine Mitarbeiterin unter das Konvolut gemischt worden, was dann fälschlicherweise ihm angelastet wurde. Weiters habe sein Vorgänger keine Vorkehrungen getroffen, dass die Verjährung von Akten verhindert worden wäre. Es sei einfach versucht worden, ihm alles in die Schuhe zu schieben. Er sei auch Opfer einer Intrige des Abteilungsleiters geworden, meinte der Beamte.
Den Einspruch der Anklage begründete der Beschuldigte auch mit der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er sei weder von der Kriminalpolizei noch von der Staatsanwaltschaft einvernommen noch über den bestehenden Tatverdacht rechtskonform informiert worden. Es liege weder der objektive noch der subjektive Tatbestand des Amtsmissbrauchs vor, beteuerte der Jurist. Er hat mehrere hochrangige Beamte der Landespolizeidirektion Salzburg wegen Amtsmissbrauchs und anderer Delikte angezeigt.