Im Bahnhofsviertel der Stadt Salzburg sieht man kaum einen Politiker - nicht einmal in Wahlkampfzeiten. Internetcafés, Schuh- und Modegeschäfte, Second-Hand-Läden mit Regenschirmen, Wettlokale und Kebabbuden reihen sich aneinander. Das Viertel ist jenes, in dem der Migrantenanteil hoch ist. Was auffällt: In den Schaufenstern wirbt hier einer ganz bewusst um Vorzugsstimmen - Osman Günes.
Der 26-jährige Versicherungskaufmann ist auf Platz 23 der SPÖ-Liste für die Gemeinderatswahl. Der türkischstämmige Salzburger soll den Sozialdemokraten die Stimmen seiner Landsleute sichern und in der Gemeinschaft um Unterstützung für Heinz Schaden werben. "Ich will für die jungen Migranten ein Vorbild sein. Ich will ihnen zeigen: Seht her, es ist möglich, in die Politik zu gehen, zu kandidieren und mitzureden", sagt Günes. Dazu wirbt er in den acht städtischen Moscheen, besucht die türkischen Vereine, geht auf türkische Hochzeiten und verteilt seine Wahlwerbung in Dönerbuden. In Moscheen spricht er seine Wahlreden auf Türkisch, damit ihn alle verstehen. "Die meisten Migranten bleiben daheim, wenn sie niemand anspricht. Wenn es einen türkischstämmigen Kandidaten gibt, sind sie eher bereit, wählen zu gehen", sagt Günes.
Er selbst sei mit elf Jahren nach Österreich gekommen. "Ich habe es nicht leicht gehabt, habe kein Wort Deutsch gesprochen, mich hat niemand verstanden. Dann fühlt man sich ausgegrenzt. Die Sprache zu lernen ist wichtig. Das sage ich auch den jungen Migranten. Ich will eine Brücke zwischen ihnen und den Salzburgern bilden." Zur SPÖ sei er zufällig gekommen, weil seine bisherigen Vorgesetzten auch Mitglieder gewesen seien. Bürgermeister Heinz Schaden sei sogar zu seiner Hochzeit gekommen, erzählt Günes stolz. Mit ihm besuche er im Wahlkampf die interkulturellen Vereine. Die Probleme seien dieselben, die auch eingefleischte Salzburger hätten. "Die Türken regen das Verkehrsproblem und die hohen Mieten in Salzburg auf", erzählt Günes.
Das Potenzial an Wählerstimmen ist freilich groß. 1450 Wahlberechtigte stammen aus der Türkei - das entspricht einem Mandat im Gemeinderat. Die Türken würden nun einmal lieber einen der Ihren wählen.
Das hat Tarik Mete bei der Landtagswahl vorgezeigt. Auch er stammt aus der Türkei. Auch er führte einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Am Ende hatte er 1832 Stimmen auf seiner Seite. Zum Vergleich: LH Gabi Burgstaller kam damals in der Stadt auf 931 Vorzugsstimmen, der jetzige SPÖ-Chef Walter Steidl gerade einmal auf 91 Stimmen.
Besonders auffallend war das Ergebnis der Wahlkarten. Die 7000 Briefwahlstimmen wurden in der Stadt Salzburg nach Einlangen chronologisch in neun Urnen aufgeteilt. In zwei Urnen kam es mit 56 und 38 Prozent der Stimmen zu einem überdurchschnittlich hohen SPÖ-Anteil. Mehr als 80 Prozent dieser Wahlkarten enthielten eine Vorzugsstimme - und fast alle lauteten auf Tarik Mete. Zufall? Nein, sagen manche in der türkischen Community. Es habe eine eindeutige Wahlempfehlung für die SPÖ und Mete vonseiten türkischer Vereinsobmänner gegeben. Die Wahlkarten seien eingesammelt worden. Der "Vorzugsstimmenkaiser" der letzten Wahl sieht das anders. "Das waren wohl Wahlkarten aus jenen Stadtteilen mit den meisten Migranten. Ich bin seit Jahren in der türkischen Gemeinde vernetzt. Ich habe alle Salzburger anzusprechen versucht, denn ich wollte mir nicht den Stempel eines reinen Migranten-Kandidaten aufdrücken lassen", sagt Mete. Dass die Türken SPÖ-affine Wähler seien, hänge mit der Ideologie der Partei zusammen. In rechten oder konservativen Lagern hätten es migrantische Kandidaten schwer.
Osman Günes beteuert, dass es keine Wahlempfehlung oder politische Linie der Türken in Salzburg gebe. Jeder treffe seine eigene Wahl. Er könne nur darum bitten, dass ihm die türkische Gemeinde ihre Stimmen so zahlreich wie möglich gebe.
Während die SPÖ eifrig um die Stimmen der Türken wirbt, hat die ÖVP die Kroaten für sich entdeckt. Auf Platz neun der Liste kandidiert Delfa Papic an aussichtsreicher Stelle. Mit Jurica Mustac findet sich ein weiterer Kroate auf Platz 18. Einen Vorzugsstimmenwahlkampf führen beide nicht. Stattdessen verteile man Folder in kroatischer Sprache, um darauf hinzuweisen, dass Kroaten als EU-Bürger nun wahlberechtigt seien, sagt Vizebgm. Harald Preuner. "Wir hoffen auf zahlreiche Stimmen aus diesem Segment." Zu holen gibt es genug: Etwa 2000 Kroaten sind in der Landeshauptstadt für den 9. März wahlberechtigt.
Ohnehin findet man kaum mehr eine wahlwerbende Gruppierung, die auf einen Kandidaten mit Migrationshintergrund verzichten will. Die Migranten sind heiß umworben und zu einer Gruppe angewachsen, die eine Wahl durchaus entscheiden kann. Auch auf Edi Mainonis Liste (Team Salzburg) findet sich ein türkischstämmiger Salzburger wieder, zwei Kandidaten sind es bei der Kommunistischen Partei. Für die Bürgerliste kandidiert auf Platz sieben Fangliang He. Er ist zwar im Pinzgau aufgewachsen, aber gebürtiger Chinese.
Die FPÖ verzichtet darauf, gezielt Volksgruppen anzusprechen. Vor allem in Wien hatten die Freiheitlichen jüngst um die Gunst der Serben gebuhlt. Nicht so in Salzburg, sagt FPÖ-Chef Andreas Schöppl. "Wir grenzen niemanden aus. Wir richten uns an die Salzburger, die sich mit dieser Stadt identifizieren. Menschen, die sich integriert haben und Deutsch können, sind Wähler wie alle anderen."