In der Landeshauptstadt gibt es aktuell 1.145 Straßen oder Plätze. 566 davon tragen die Namen von Einzelpersonen. 200 dieser Personen haben in der NS-Zeit gelebt. Aus diesem Kreis haben Historiker 65 Namen herausgefiltert, die nachweislich Mitglieder der NSDAP oder Parteianwärter waren oder unterschiedlich stark ausgeprägt mit dem NS-System verstrickt waren. Dabei wurden auch Namensträger erfasst, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Salzburg kamen und bisher nicht im Fokus standen.
Mit den Biografien und der zugrunde liegenden Recherche beschäftigt sich der Historiker Johannes Hofinger. Elf Biografien hat er bereits fertiggestellt und im Internet veröffentlicht - darunter die des Dirigenten Herbert von Karajan oder des Bildhauers Josef Thorak. "Die Biografien werden mit Schwerpunkt auf die Funktionen, Tätigkeiten und Handlungen der Personen in der NS-Zeit erstellt", so Hofinger.
Andere prominente Namen sind jene von Tobias Reiser (Adventsingen), Karl Heinrich Waggerl (Schriftsteller), aber auch Ferdinand Porsche.
Zugleich hat der achtköpfige Fachbeirat Kriterien für eine Bewertung der Verstrickung mit dem NS-Regime erarbeitet: Es geht dabei etwa um die Beteiligung an Kriegsverbrechen, Zerstörungen, Plünderungen, Arisierungen und Kunstraub. Aber auch die Propagierung von NS-Ideologie und eine Förderung des Regimes aus führenden politischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder künstlerischen Positionen heraus soll bewertet werden.

Danach werden die Namen in drei Kategorien eingeteilt: Erstens in Personen, die zwar Nazis waren, sich aber keiner Verbrechen schuldig gemacht haben und deren Verstrickung mit dem Regime nicht zu gravierend waren. Über sie soll es in Zukunft Einträge im digitalen Stadtplan der Stadt geben.
Zweitens in Personen, deren Aktivitäten so weit gegangen sind, dass es zusätzlich zur Darstellung der Biografie im Internet einer Info auf den Erklärungstafeln zu den Straßennamen vor Ort braucht. Und schließlich in Personen, die so gravierend mit dem NS-Regime verstrickt waren, dass eine Umbenennung der Straßen oder Plätze in Erwägung gezogen werden soll.
Immer wieder einmal geäußerte Kritik, dass die Umbenennung mancher Straßen in Salzburg schon zu lange dauert, ließ die zuständige Chefin der Kulturabteilung der Stadt, Ingrid Tröger-Gordon, heute nicht gelten. "Die Stadt kann nicht auf politischen Zuruf Straßen umbenennen, nur weil es gerade opportun ist. Es geht um eine Gesamtsicht."
"Es kursieren oft nur Halbwahrheiten"
Erst wenn alle fraglichen Biografien abgeschlossen sind, werde der Fachbeirat der Politik vorschlagen, wie man damit umgehen solle. In der Stadt Salzburg hatte vor allem die grüne Bürgerliste in der Vergangenheit mehrfach vergeblich eine Umbenennung der Josef-Thorak-Straße gefordert.
Und auch der Historiker Hofinger warnte am Freitag vor Schnellschüssen. "Es kursieren oft nur Halbwahrheiten." So gebe es bei Thorak - zweifelsohne ein Günstling des NS-Regimes - keine Archiv-Belege dafür, dass dieser wie oft kolportiert KZ-Zwangsarbeiter ausgenützt haben soll. "Das soll jetzt keine Reinwaschung, aber ein Zurechtrücken von bisher Gesagtem sein."
Auf der anderen Seite gäbe es Biografien, wo erst spät NS-Verstrickungen bekannt wurden. Der Wiener Bildhauer Gustav Resatz trat etwa bereits 1931 der NSDAP bei und war in den Jahren des Parteiverbots illegal aktiv. In seinen Publikationen finden sich wiederholt Rassismen und antisemitische Ausfälle. Er konnte sich nach dem Krieg der Verfolgung entziehen - bis er amnestiert wurde. Er kam erst 1959 nach Salzburg wo er wenige Jahre später starb. 1971 wurde eine Straße nach ihm benannt - vermutlich wussten in der Stadt nur wenige über seine Vergangenheit Bescheid.
Hatschi Bratschis Luftballon
Ein anderes Beispiel: Am 18. Oktober beschloss die Stadt Salzburg, einen Platz im Süden des Stadtgebietes nach Franz Karl Ginzkey (1871 - 1963) zu benennen. Der einstige K.-u.-K.-Offizier war unter anderem Kommandant der auch als Kaserne genutzten Festung Hohensalzburg. Bekannt wurde Ginzkey aber auch als Schriftsteller. Das Kinderbuch "Hatschi Bratischis Luftballon" (1904) gilt als Klassiker, der von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Die darin verbreitete Darstellung von Afrikanern und Türken gilt als rassistisch. Mittlerweile gibt es quasi entschärfte Versionen des Werks. Ginzkey war seit 1942 Mitglied der NSDAP.
Kritik von Grünen und KZ-Verband
Die Aufarbeitung der "braunen" Straßennamen in der Stadt Salzburg geht der grünen Bürgerliste und dem KZ-Verband nicht schnell genug: "Es muss endlich ein Anfang gemacht werden. Wie lange sollen wir noch warten, bis die Ehrung von Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak in der Stadt Salzburg endlich ein Ende hat", kritisierte Bürgerlisten-Gemeinderätin Ingeborg Haller am Freitag per Aussendung.
Eine kritische Analyse der Namensgeber sowie die Anbringung von Erklärungstafeln sei notwendig und wichtig: "Bei NS-belasteten Personen sind Straßenumbenennungen aber unumgänglich." Haller forderte die Stadtpolitik auf, "sich nicht weiter hinter wissenschaftlichen Expertisen zu verstecken, sondern endlich Farbe zu bekennen". Derzeit seien in der Stadt Salzburg 46 Straßen nach NSDAP-Mitgliedern benannt und nur 37 Straßen nach Frauen. "Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und warten, bis in zwei Jahren ein Konzept erstellt wird."
Auch der Sprecher des KZ-Verbandes Salzburg, Siegfried Trenker, forderte am Freitag ein zügigeres Vorgehen. "Es geht nicht darum Geschichte auszulöschen, aber es geht darum, die richtigen Wertigkeiten herzustellen", sagte Trenker. Eine Namensgebung sei stets auch eine Würdigung der Person und ihrer Tätigkeiten.
NSDAP-Mitglieder und -Anwärter
Karl Adrian | Karl-Adrian-Straße |
Kuno Brandauer | Kuno Kuno-Brandauer-Straße |
Heinrich Damisch | Heinrich Heinrich-Damisch-Straße |
Ignaz Eigenherr | Ignaz-Eigenherr-Straße |
Igo Ignaz Etrich | Etrichstraße |
Franz Karl Ginzkey | Ginzkeyplatz |
Siegfried Gmelin | Dr.-Gmelin-Straße |
Jakob Hacksteiner | Jakob-Hacksteiner-Weg |
Eduard Heinrich | Eduard-Heinrich-Straße |
Otto Holzbauer | Otto-Holzbauer-Straße |
Friedrich Inhauser | Friedrich-Inhauser-Straße |
Leopold John | Johnweg |
Franz Josef Jung-Ilsenheim | Jung-Ilsenheim-Straße |
Herbert von Karajan | Herbert-von-Karajan-Platz |
Heinrich Kiener | Heinrich-Kiener-Straße |
Herbert Klein | Dr.-Herbert-Klein-Weg |
Peter Kreuder | Peter-Kreuder-Weg |
Richard Kürth | Richard-Kürth-Straße |
Franz Ledwinka | Ledwinkastraße |
Alois Lidauer | Alois-Lidauer-Straße |
Johann Lugstein | Johann-Lugstein-Weg |
Josef Moosbrucker | Josef-Moosbrucker-Weg |
Robert Munz | Robert-Munz-Straße |
Eugen Müller | Eugen-Müller-Straße |
Albin Müller-Rundegg | Müller-Rundegg-Weg |
Helmut Muralter | Dr.-Muralter-Straße |
Pert Peternell | Pert-Peternell-Straße |
Otto Pflanzl | Otto-Pflanzl-Straße |
Ferdinand Porsche | Ferdinand-Porsche-Straße |
Mathias Praxmayer | Praxmayermühlweg |
Karl Reisenbichler | Reisenbichlerweg |
Tobi Reiser | Tobi-Reiser-Straße |
Gustav Resatz | Resatzstraße |
Karl Rienzner | Rienznerweg |
Michael Roittner | Roittnerstraße |
Franz Sauer | Franz-Sauer-Straße |
Hans Schmid | Hans-Schmid-Platz |
Franz Schrempf | Franz-Schrempf-Straße |
Hans Sedlmayr | Hans-Sedlmayr-Weg |
Wilhelm Spazier | Wilhelm-Spazier-Straße |
Hans Sperl | Hans-Sperl-Straße |
Anton Steinhart | Anton-Steinhart-Straße |
Hermann Straniak | Straniakstraße |
Josef Thorak | Josef-Thorak-Straße |
Christian Varnschein | Dr.-Varnschein-Gasse |
Karl Heinrich Waggerl | Karl-Heinrich-Waggerl-Straße |
Franz Wallack | Franz-Wallack-Straße |
Eduard Warwitz | Warwitzstraße |
Keine Parteimitglieder, aber Verstrickungen
Wilhelm Backhaus | Wilhelm-Backhaus-Weg | Komponist |
Anna Bahr-Mildenburg | Mildenburggasse | Sängerin, Dozentin am Mozarteum |
Karl Böhm | Dr.-Karl-Böhm-Weg | Dirigent, "Ariseur" einer Wohnung in Wien |
Maria Cebotari | Maria-Cebotari-Straße | Sängerin |
Friederica Derra de Moroda | Derra-de-Moroda-Straße | Leiterin eines KdF-Balletts ab 1941 |
Wilhelm Furtwängler | Furtwänglerpromenade | Dirigent, Vizepräsident der Reichsmusikkammer 1933/34 |
Erwin Kerber | Erwin-Kerber-Straße | Staatsoperndirektor 1936-1940, rassisch bedingte Entlassungen nach dem "Anschluß" |
Clemens Krauss | Clemens-Krauss-Straße | Dirigent, Direktor des Mozarteums ab 1939, Präsident der Salzburger Festspiele ab 1942 |
Rene Marcic | Rene-Marcic-Straße | Unterstützer des kroatischen Ustascha-Regimes |
Joseph Messner | Joseph-Messner-Straße | Priester und Komponist, u. a. Ingo-Ruetz-Fanfare für den gefallenen HJ-Führer, antisemitische Äußerungen |
Carl Orff | Carl-Orff-Straße | Musiker, Musikpädagoge |
Hans Pfitzner | Hans-Pfitzner-Straße | antisemitische Äußerungen, Holocaust relativiert |
Karl Renner | Dr.-Karl-Renner-Straße | Befürworter des "Anschlusses" Österreich an das Dritte Reich und der Einverleibung des Sudetenlandes |
Erich Schenk | Erich-Schenk-Straße | Musikwissenschafter, "Arisierung" der Bibliothek von Guido Adler, NSLB |
Richard Strauss | Richard-Strauss-Straße | Komponist, Präsident der Reichsmusikkammer 1933-1935 |