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Studieren und zugleich unterrichten: Junge Lehrkräfte aus Salzburg klagen über zu viel Stress

Immer öfter springen Studierende an den Schulen ein. Die Gefahr auszubrennen ist groß. Neue Regeln sollen dem einen Riegel vorschieben.

An der Pädagogischen Hochschule studieren und nebenbei an einer Schule unterrichten: Für viele Studierende ist das heute selbstverständlich.
An der Pädagogischen Hochschule studieren und nebenbei an einer Schule unterrichten: Für viele Studierende ist das heute selbstverständlich.

Das gemütliche Studentenleben ist schnell vorbei, wenn man neben dem Studium den halben Tag in der Klasse steht. Und trotzdem ist das in Salzburg wegen des Lehrermangels an der Tagesordnung. "Es ist schon sehr herausfordernd", sagt Alissa Aigner, die Sport und Biologie studiert und nebenbei zwölf Stunden an der Mittelschule Nonntal unterrichtet. Und es bleibe ja nicht bei den zwölf Stunden. "Man muss manchmal supplieren, es kommen Konferenzen dazu und weitere Besprechungen." Die Motivation für das Studium sei bei ihr mittlerweile "deutlich gesunken", sagt die Masterstudentin. Warum? "Weil man merkt, dass es in der Praxis teilweise ganz anders abläuft als in der Theorie an der Uni."

Plötzlich ist man in einer vollen Lehrverpflichtung

Für viele sei das Unterrichten nebenbei eine enorme Herausforderung, sagt auch Mittelschullehrer Stefan Trivic, der ebenfalls noch studiert - für den Master in Biologie und Chemie. Er selbst habe schon beim Vorstellungsgespräch an der Schule gesagt, er werde maximal acht Stunden unterrichten. Als Studierendenvertreter wisse er aber von Studienkollegen, die weit mehr Stunden übernommen hätten. "Es ist oft so, dass aus anfänglich zehn Wochenstunden dann 20 oder sogar mehr werden können. Dann ist man plötzlich in einer vollen Lehrverpflichtung. So ein Stundenausmaß und daneben das Studium - das ist nicht gesund. Da kann man dann schnell die Freude an der Arbeit verlieren."

Die Überlastung ist schon massiv

Personalvertreter sind schon länger mit Beschwerden von Lehrkräften wegen zu hoher Arbeitsbelastung konfrontiert. Früher seien Junglehrer mit dem Wunsch nach mehr Stunden zu ihm gekommen, sagt etwa AHS-Gewerkschafter Georg Stockinger. "Mittlerweile melden sich junge wie auch ältere Kolleginnen und Kollegen, die fragen: ,Wie komme ich raus aus dem Job?' Die Überlastung ist schon massiv. Viele kommen rein, schauen sich das an und gehen wieder, weil es ihnen zu viel ist."

Um der drohenden Überforderung entgegenzuwirken, gelten ab nächstem Schuljahr strengere Regeln: Lehramtsstudenten dürfen in Zukunft maximal eine halbe Lehrverpflichtung übernehmen und nicht mehr fachfremd eingesetzt werden, also in anderen als ihren Studienfächern. Es sei gut, dass das Problem der Doppelbelastung "im Dienstrecht endlich angegangen wurde", sagt dazu Studierendenvertreter Maximilian Wagner. "Gleichzeitig könnten die neuen Regelungen Schulen bald vor Probleme stellen."

Tatsächlich dürfte die Unterrichtsplanung für die Schulleiter in Zukunft noch schwieriger werden. "Mit der Neuregelung wird die Stundeneinteilung viel komplexer. Das geht auf Kosten fertig ausgebildeter Lehrer, weil diese umso flexibler sein müssen", sagt Thomas Schiendorfer, Direktor der Mittelschule Nonntal und Sprecher der Arge Mittelschuldirektoren. Dabei herrsche schon jetzt Personalnot. "Wir bräuchten auf alle Fälle Lehrer in Mathematik, Physik und Chemie, ein Thema wird auch Ernährung und Haushalt sein. Das größte Problem ist die Sonderpädagogik."

Es braucht mehr Onlineangebote für Studierende

Grundsätzlich bewertet aber auch Schiendorfer die strengeren Regeln positiv. Denn: Angesichts des oft "nicht ausgesprochenen Drucks" auf Lehramtsstudierende, zusätzliche Stunden zu übernehmen, "besteht schon die Gefahr, dass sie ausbrennen". Mit der Neuregelung sei "von vornherein klar, dass sie gar nicht in die Situation kommen, Nein sagen zu müssen."

In einem Bereich sehen sowohl Schulleiter als auch Studentenvertreter noch Nachholbedarf: Die Ausbildungseinrichtungen, also die Universität und die Pädagogische Hochschule, sollten sich mehr an den Schulen orientieren und die Lehrveranstaltungen entsprechend planen, damit es nicht so oft zu Überschneidungen komme. Direktor Schiendorfer: "Optimal wäre, wenn die Masterausbildung berufsbegleitend wäre. Da würde viel Stress rausgenommen." Und es brauche auch mehr Onlineangebote für Studierende.

Daniela Martinek, Rektorin der Pädagogischen Hochschule, sagt zu den neuen Bestimmungen für Lehrer in Ausbildung: "Ich halte das für eine sehr sinnvolle Regelung, weil es für Studierende damit die rechtliche Absicherung gibt, dass sie sowohl beruflich tätig sein als auch ihr Masterstudium weiter betreiben können." Zur Forderung nach einer berufsbegleitenden Ausbildung im Masterstudium Sekundarstufe sagt Martinek, eine solche sei bereits in Planung.

"Wenn es zu sehr in Richtung Vollzeitunterrichten geht, leidet das Studium"

Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) betont, Praxiserfahrung an der Schule zu sammeln, sei zwar gut. "Aber wenn es zu sehr in Richtung Vollzeitunterrichten geht, leidet das Studium." Deshalb seien die neuen Bestimmungen positiv, auch wenn das die Stundeneinteilung an den Schulen nicht leichter mache. Denn der Lehrermangel sei eine Tatsache. "Wir erleben auch, dass gerade die älteren Kolleginnen und Kollegen zunehmend Stunden reduzieren - aus persönlichen Gründen oder weil ihnen die Belastung zu groß wird."

Eine Verbesserung der angespannten Personalsituation verspricht sich Gutschi von der Verkürzung des Lehramtsstudiums ab 2025. Auch die Imagekampagne des Landes für den Lehrberuf zeige Wirkung. "Wir haben an der Universität und der Pädagogischen Hochschule seit Start der Kampagne über 20 Prozent mehr Studierende im ersten Semester." Positiv bewertet die Bildungslandesrätin das Engagement von Quereinsteigern im Schuldienst. Dort gibt es jedoch nach SN-Informationen noch mehrere Baustellen: So erfahren Interessenten lange nicht, was sie im Schuldienst überhaupt verdienen können. Dazu kommt, dass Vordienstzeiten für Fachkräfte aus der Privatwirtschaft nicht oder nur spärlich angerechnet werden - was die Attraktivität des Lehrberufs deutlich schmälert. Abhilfe könne in diesem Punkt nur der Bund schaffen, sagt Gutschi. "Wir sind aber massiv dahinter. Ich hoffe da auf die nächste Bundesregierung."

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