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Das Grundrecht auf Wohnen

Hier geht es auch um eine rechtsethische Herausforderung:Die Grundversorgung mit Wohnraum darf nicht der Spekulation überlassen werden.

Das Grundrecht auf Wohnen
Das Grundrecht auf Wohnen

"Jeder hat das Recht auf Lebensstandard (...), Nahrung, Kleidung, Wohnen . . ." heißt es es in Art. 25 der Deklaration der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1948.

Der VfGH attestiert in einem Erkenntnis vom 14. 3. 1012 (U466/ 11&U1836/11) den in der GRC, der Europäischen Grundrechtecharta, verankerten Rechten die gleiche Anwendbarkeit wie den in der EMRK festgelegten Menschenrechten. Ein eigener Spezialkatalog sozialer Grundrechte wurde aber bisher nicht ausdrücklich in den nämlichen Verfassungsrang wie die EMRK (BGBl.59/1964) erhoben.

Die GRC garantiert zwar explizit in ihrem Art. 7 das Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (vgl. a. Art. 8 EMRK), ihrer Wohnung und ihrer Kommunikation, in Art. 34 verweist sie auf ein Recht auf Unterstützung des Wohnens für sozial Bedürftige.

In der Präambel der GRC existiert eine Bezugnahme auf vorhandene Sozialchartas, in der ESC (Europäische Sozialcharta i. d. g. F.) erwähnt deren Art. 31 dann "das "Recht auf Wohnen" und fordert in Abs. 3 "tragbare Wohnkosten". Dieser komplizierte Zustand wird nicht nur in der Theorie als unbefriedigend empfunden und dies keineswegs nur von "Sozialutopisten". Der ganz durchschnittliche mittelständische Konsument sieht sich insbesondere durch die Wohnkosten häufig genug übervorteilt.

Von rechtsethisch nicht mehr tolerierbarem Mietenwucher ist oft die Rede. Hinzu kommt, dass Mieter allzu leicht per Kündigung aus ihren Wohnungen vertrieben werden können, wenn im Rahmen einer "Gentrifikation" (= wertsteigernder Wohnraumsanierung) dieser Wohnraum als teures Eigentum auf den Markt geworfen wird, die Mieter aber nicht reich genug sind, um selbst die Wohnung zu kaufen.1

Berufsausübung innerhalb der Mietwohnung fordert den Vermietervorwurf heraus, die Wohnung diene nicht ausschließlich zu Wohnzwecken; häufiges Übernachten bei Freunden/-innen evoziert die Unterstellung, das Wohnbedürfnis wäre nicht mehr "dringend". Bis dato sind dies gesetzliche und dabei spekulantenfreundliche Kündigungsgründe.

Allerdings bestimmt der letzte Satz in Art. 17 Abs. 1 GRC: "Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist", die zentrale Frage:

Darf die Versorgung von Mitmenschen mit der Deckung eines Grundbedürfnisses überhaupt zum finanziellen Anlage- und Spekulationsobjekt werden,

oder überwiegt in einem sich zur sozialen Marktwirtschaft bekennenden Staat doch die Verantwortung der Eigentümer der Versorgungsmittel zugunsten von sozialer Ausgewogenheit und allgemeinem Rechtsfrieden?

In Ansehung des Art. 1 GRC: "Die Würde des Menschen ist unantastbar . . ." müsste bei tieferer Gewissenserforschung der Gesetzgeber die Antwort doch im Sinne einer Regelung zugunsten des Allgemeinwohls ausfallen.

Aktuell sorgen die per 1. April 2014 geltenden Mietzinserhöhungen für breiten Unmut. Dabei geht gemäß der jüngsten Studie der Arbeiterkammer bei 65 Prozent der Befragten mehr als ein Drittel deren Haushaltsnettoeinkommens für die "warme" Miete, sohin zur Deckung ihres Wohngrundbedürfnisses auf.2

Mieterschützer fordern nun teils betragsmäßige Mietzinsobergrenzen, teils dass unter Beibehaltung der derzeitigen Richtwertregelung der rechtlich höchstmögliche Mietzins 20 Prozent des Richtwerts nicht überschreiten darf; weiters die Abschaffung der Befristung von Mietverträgen, zumal die Mieten bei befristeten Verhältnissen kaum niedriger sind als bei unbefristeten. Gesetzlicher Handlungsbedarf besteht, im BMJ wurde eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet. Klarzustellen wäre auch, was "Wohnen" eigentlich bedeuten soll: den umfassenden Gebrauch von Wohnraum durch den Berechtigten und dessen nahe Angehörige unter Einbringung und Verwahrung der Fahrnisse und Einschluss berufsbedingter Tätigkeiten, soweit diese nicht andere Mitbewohner beeinträchtigen.

1 Immobilienspekulation einen Riegel vorschieben, die Autorin in "Der Staatsbürger", SN 25. 5. 2009

2 Wohnen: Für Junge oft ein Luxus. AK.Portal 28. 2. 2014, www.arbeiterkammer.at



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