Selbst die "Süddeutsche Zeitung" schickte einen Redakteur vorbei, als die Familie Sailer Anfang Juni bei einem Pressetermin den Wirt für ihren ersten Brauerei-Ausschank in München-Giesing präsentierte. Kein Wunder, schließlich ist er eine Legende in der Landeshauptstadt. Dieter Schweiger (65) kennen die Münchnerinnen und Münchner als "Obststandl-Didi": Er betreibt seit 40 Jahren einen Obststand am U-Bahn-Ausgang zur Ludwig-Maximilian-Universität. Alle drei Sailers kennen den Didi aus ihrer Studienzeit.
"Vor allem zwischen Didi, meinem Bruder und mir hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt", erzählt Luis Sailer dem "Hallo Nachbar!". So habe man das Münchner Unikum auch dafür begeistern können, Wirt im ersten Stehausschank der "Münchner Kindl Brauerei" zu werden.
Traunsteiner bringen Münchnern Salzburger Erfindung näher
Dieser wird voraussichtlich - so wie die Brauerei selbst - im Spätsommer 2025 eröffnen. Bis dahin lassen Vater und Söhne Sailer das denkmalgeschützte Haus an der Tegernseer Landstraße renovieren. Nach der Eröffnung des Ausschanks will das Trio aus Traunstein nicht nur mit seinem Wirt punkten. Ihr selbst gebrautes Bier werden sie vom Holzfass zapfen und in tiefgekühlten Gläsern servieren. "So wird die Trinktemperatur bis zum letzten Schluck im Idealbereich, also zwischen fünf und sieben Grad Celsius, liegen", erklärt Luis Sailer. Darüber hinaus wollen die Traunsteiner den Münchnern eine Salzburger Erfindung näher bringen: die Bosna. Die Bratwurst im Weißbrot soll es auch im Straßenverkauf geben.
In ihrer "Münchner Kindl Brauerei" will die Familie Sailer ausschließlich untergärige Biersorten brauen: Helles, Dunkles und saisonal auch Bockbier. Den Gerstensaft wollen sie mit einem Pferdegespann in der Landeshauptstadt ausliefern.
Der Brauerei-Neubau in München ist ein Herzensprojekt der Brauerfamilie aus Traunstein. Dietrich Sailer zog sich 2014 nach 40 Jahren als Gesellschafter aus dem Hofbräuhaus Traunstein zurück und stieß danach durch Zufall auf das "Münchner Kindl Bräu". Die im Jahr 1880 gegründete Brauerei, die mit dem bekannten Bild der "Schützenliesl" geworben hatte, war mehrfach verkauft worden, zuletzt an Löwenbräu. Doch dort braute man schon lange kein Kindl-Bier mehr. Dietrich Sailer traf ein Arrangement mit der Münchner Großbrauerei und sicherte sich so die Namensrechte. Es folgte erst eine aufwändige Suche nach einem geeigneten Grundstück für einen Brauerei-Neubau und dann ein langwieriges Genehmigungsverfahren.
"Wir geben unser letztes Hemd für die Brauerei"
Seit April 2022 laufen die Bauarbeiten an der Tegernseer Landstraße unter der Leitung von Dietrich Sailer (67) und seinen Söhnen Luis (25, Braumeister) und Leo (28, Jurist). Der Rohbau steht, das Dach ist drauf, die Fenster drin. Im Herbst soll auch die Backsteinfassade fertig sein; sie wird der Brauerei ein unverwechselbares Gesicht geben. "Man wird meinen, dass das Gebäude 150 Jahre alt ist", freut sich Luis Sailer.
Der Neubau ist stattlich: 48 Meter lang, 30 Meter breit. Weil er doppelstöckig unterkellert ist, bietet er eine Nutzfläche von rund 3300 Quadratmetern. In der Brauerei wird auch Platz für ein Museum sein, einige Exponate wie ein historischer Fasslwagen stehen bereits auf dem Brauerei-Gelände bereit. Zuletzt hatte es geheißen, dass das Bier ab Herbst 2024 fließen soll. Doch viele Sonderanfertigungen und aktuell die aufwändige Gebäudetechnik sorgen für Verzögerungen beim Innenausbau.
Die Familie Sailer bleibt geduldig. "Wir kennen jeden Zentimeter unserer Baustelle und sind froh, dass bisher keine Fehler passiert sind. Darum sind wir zuversichtlich, dass uns auch der Rest gelingen wird", sagt Luis Sailer. Die Frage, wie viel Geld die Familie in München investiert, lässt er unbeantwortet. Doch er macht deutlich, wie viel das Projekt ihm, seinem Bruder und seinem Vater bedeutet: "Wir geben unser letztes Hemd für die Brauerei, alles, was wir haben als Familie."