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Salzburger Wirtschaftskammer fordert Kürzungen beim Arbeitslosengeld und Sanktionen

Großinsolvenzen treiben die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. Am System der Arbeitslosenhilfe soll dennoch geschraubt werden.

Die Salzburger Wirtschaftskammer möchte an den Sozialleistungen von Arbeitslosen schrauben.
Die Salzburger Wirtschaftskammer möchte an den Sozialleistungen von Arbeitslosen schrauben.

Die Lage am Salzburger Arbeitsmarkt ist nur auf den ersten Blick erfreulich. Mit fünf Prozent Arbeitslosenquote weist das Bundesland im November den zweitniedrigsten Wert hinter Oberösterreich auf. Bundesweit liegt die Arbeitslosenquote bei 7,1 Prozent.

Auf den zweiten Blick zeigt sich aber ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice (AMS), sagt: "Vor allem in der Stadt Salzburg gibt es weniger offene Stellen im Bereich Handel, Gastronomie und der Produktion." Gesamt betrachtet gab es im Zentralraum Salzburg im November um 1128 mehr Arbeitslose als im Vorjahresmonat. Inzwischen gibt es im Zentralraum somit auch wieder mehr arbeitslose Menschen als offene Stellen, die beim AMS gemeldet sind.

Im Zentralraum steigt die Zahl an Arbeitslosen

"Die Umgebung von der Stadt Salzburg steht noch gut da. Aber: Der oberösterreichische Arbeitsmarkt trifft uns voll", sagt Beyer und bezieht sich damit auf die Großinsolvenz des Zweiradherstellers KTM. Viele Beschäftigte leben im Bundesland Salzburg.

Mit einer Entspannung am Arbeitsmarkt rechnet sie nicht: "Ich befürchte, dass sich die Situation nicht verbessern wird." Anders sieht das im vom Tourismus geprägten Innergebirg aus: 4286 Personen waren im November als arbeitslos gemeldet, hielten jedoch eine Einstellzusage. Kurzum: Personen wurden scheinbar in der Arbeitslosigkeit zwischen den touristischen Saisonen geparkt. Unter vorgehaltener Hand spricht man auch in den Betrieben davon, dass man gezielt auf die Arbeitslosenhilfe setze und das "immer schon" getan habe.

Geringeres Monatseinkommen im Pinzgau und Pongau

Mit Auswirkungen auf die Beschäftigten: Das monatliche Netto-Durchschnittseinkommen bei einer ganzjährigen Vollzeitbeschäftigung ist im Pongau und Pinzgau deutlich geringer als in der Stadt Salzburg und im Flachgau. Die Arbeiterkammer führte die letzte Erhebung dazu 2022 durch. In der Stadt Salzburg lag das Netto-Durchschnittseinkommen bei 2733 Euro, im Flachgau bei 2840 Euro - im Pongau bei 2511 Euro und im Pinzgau bei 2487 Euro.

Ersichtlich wird in den touristischen Betrieben im Innergebirg auch, dass inzwischen zwei von drei Beschäftigten aus dem Ausland kommen. Stellen besetzt man mit Arbeitskräften aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der Ukraine.

Beyer spricht in der Gastronomie und Hotellerie von einer Transformation. In der Stadt gebe es Arbeitslosigkeit und eine sinkende Zahl an offenen Stellen - im Innergebirg herrsche Arbeitskräftemangel. "Es braucht daher die Bereitschaft zur Mobilität."

Wirtschaftskammer möchte an Sozialhilfen für Arbeitslose drehen

Die Salzburger Wirtschaftskammer (WKS) sorgt knapp vor Weihnachten und inmitten zahlreicher Großinsolvenzen samt Arbeitsplatzverlust mit einer bekannten Forderung für Aufsehen: Die Zeit in der Arbeitslosigkeit müsse unattraktiver werden, um Menschen wieder rasch in die Beschäftigung zu bringen. Eine Umfrage der WKS bei Salzburgs Betrieben (700 Teilnehmer) habe ergeben, dass 84,8 Prozent der Befragten das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe als zu hoch einschätzen, sagt Lorenz Huber, Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialpolitik in der WKS. Eine klare Absage würden die Unternehmen einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe erteilen. Gegen den Ausdruck Arbeitslosen-Bashing verwehrt man sich.

Degressive Staffelung beim Arbeitslosengeld gefordert

WKS-Präsident Peter Buchmüller fordert eine degressive Staffelung des Arbeitslosengeldes. "Dieses kann zwar anfangs höher als die aktuelle Nettoersatzrate von 55 Prozent ausfallen, sollte nach drei Monaten aber reduziert werden." Zudem fordert man in der WKS, dass bei einem Krankenstand der Bezug des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe nicht unterbrochen wird - damit Resttage der zuerkannten Bezugsdauer nicht aufgebraucht werden können.

Im Jahr 2023 betrug das Arbeitslosengeld in Salzburg laut WKS im Durchschnitt 38,8 Euro täglich, monatlich somit rund 1160 Euro. Die Notstandshilfe beträgt 30,70 Euro täglich. Buchmüllers Ziel: "Es braucht mehr Anreize für die Aufnahme der Beschäftigung."

Für den WKS-Präsidenten gehen strengere Sanktionen mit einher, wenn vom AMS vermittelte Personen Bewerbungstermine bei Unternehmen nicht wahrnehmen. "Zuletzt hat sich von acht Personen nur eine Dame in meinem Betrieb gemeldet und diese kam zum Bewerbungsgespräch aufgrund einer Geburtstagsfeier der Mutter schlussendlich unentschuldigt nicht", sagt Buchmüller, der zugleich Adeg-Kaufmann ist.

AK-Präsident Eder erzürnt der Vorschlag der Wirtschaftskammer

Den Präsidenten der Salzburger Arbeiterkammer, Peter Eder, erzürnt der Vorschlag der Wirtschaftskammer. "Vor Weihnachten, wo die Menschen unverschuldet in die Arbeitslosigkeit fallen, ist ein solcher schäbig und wohl der Wirtschaftskammerwahl im kommenden Jahr geschuldet." Menschen gerieten schließlich nicht freiwillig in die Arbeitslosigkeit. Eder betont zudem, dass vor allem ältere Menschen zunehmend chancenlos am Arbeitsmarkt seien.

In einem Punkt sind sich WKS, AK und AMS einig: Ein Problem im aktuellen System der Sozialhilfen bei Arbeitslosigkeit bildet die Möglichkeit der geringfügigen Beschäftigung. Bis zu 518,44 Euro können zum Arbeitslosengeld monatlich dazuverdient werden. "Ziel muss es sein, dass die Menschen über die Geringfügigkeit beschäftigt werden", sagt AMS-Chefin Beyer. Hierbei brauche es weitere Beschränkungen. Aktuell greift eine Durchführungsweisung des Bundes - damit das AMS zumindest einschreiten kann. In der Wirtschaftskammer gesteht man ein, dass auch Unternehmen dazu animiert werden müssten, Menschen über die Geringfügigkeit anzustellen. 604 Personen arbeiteten zuletzt in Salzburg geringfügig, neben der Arbeitslosigkeit.

Auch Eder stimmt dem zu, merkt aber an: "Für viele Menschen sind keine Ganztagsjobs möglich, da man das im Handel oftmals nicht will - oder in den Gemeinden die Kinderbetreuung nicht im notwendigen Ausmaß angeboten wird", sagt Eder.

Schlussendlich bliebe dann noch ein Weg, um das Arbeitslosengeld zu konterkarieren - nämlich höhere Gehälter: Das könne man sich aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage aber nicht leisten, heißt es aus der Wirtschaftskammer.

Stiftungen sollen aus der Arbeitslosigkeit führen

Das Arbeitsmarktservice möchte die Verwerfungen in der Wirtschaft nutzen, um Menschen für neue Berufsbilder auszubilden. Konkret sollen vor allem Personen aus dem Handel für die Pflege gewonnen werden. Dafür steht eine Pflegestiftung zur Verfügung.

Berufsbilder wie Heimhilfen, Fachsozialhelfer, Pflegefachassistenzen, Behindertenbegleiter, aber auch Elementar- und Sonderkindergartenpädagoginnen und -pädagogen sollen dadurch besetzt werden können. Insgesamt standen heuer 1150 Plätze zur Verfügung. 426 Personen haben das Programm bis dato 2024 absolviert. Die Ausbildung findet über das Diakoniewerk statt.


In eine Umweltstiftung integriert werden sollen arbeitslose Personen und beispielsweise zur Fachhelferin, zum Fachhelfer für Elektrotechnik (Starkstromtechnik, Photovoltaiktechnik), zum Buslenker oder Fahrradmechaniker ausgebildet werden. Zudem sieht die Stiftung die Möglichkeit vor, dass ein außerordentlicher Lehrabschluss absolviert werden kann. Die Berufsbilder reichen vom Kälteanlagentechniker bis zur Entsorgungs-Recyclingfachkraft. Höherqualifiziert sollen Personen auch beispielsweise zur Windanlagentechnikerin, zum Windanlagentechniker werden.

Neben dem Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe gibt es ein Stipendium für die Ausbildung. Für die Pflegestiftung gilt ein Tagsatz von max. 47,87 Euro.

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