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Wie man bei einer Lok die Räder wechselt - ein Tag als Technikerin bei der Bahn

Eine 10.000 PS starke E-Lok benötigt neue Antriebssätze. Weil die ÖBB Facharbeiter suchen, kam die SN-Redakteurin zum Probearbeiten.

ÖBB-Techniker Mathias Krispler reicht der Redakteurin einen Beißer. Damit soll sie die große Beilagscheibe lockern, die unter der Schraubenfeder sitzt. Doch das ist nicht so einfach. Zunächst gilt es, das spitze Ende des Werkzeugs so anzusetzen, dass es an der richtigen Stelle ansetzt. Und dann ist Kraft gefragt. Teamleiter Martin Posch hilft von der anderen Seite mit. Doch die Scheibe bewegt sich keinen Millimeter. "Die werden wir vorlockern müssen", meint dann Kollege Thomas Bernegger. Er dreht das Ganze um 180 Grad und klopft einige Male fest mit dem Hammer auf die Rückseite der Halterung. "So, jetzt müsste es gehen", sagt er dann und bringt das ganze wieder zurück in Position. Die Scheibe lässt sich nun leicht anheben. "Jetzt warst du wieder zu schnell", erfährt die Probemitarbeiterin. Trotz enormer Dimensionen - die Beilagscheibe hat einen Durchmesser von 27 Zentimetern und ist Teil eines sieben Tonnen schweren Antriebselements für eine E-Lok - ist Fingerspitzengefühl und Teamwork gefragt. Denn die Scheibe muss von zwei Seiten gleichzeitig angehoben werden, damit sie aus der Halterung genommen werden kann. Beim nächsten Versuch klappt es.

Das sieben Tonnen schwere Gefährt wird aufwendig gewartet

Schraubenfedern und Beilagscheiben sind nur kleine Elemente am Antriebselement der 86 Tonnen Taurus-Lok eines externen Kunden. Aber sie sind wichtig, denn beim Einbau des neuen Antriebs werden sie wieder eingesetzt. Nach einer Millionen Schienenkilometern müssen die vier Antriebselemente der Cargo-Lok getauscht werden - das Profil an den Rädern aus Stahl hat das markierte Grenzmaß erreicht. "So darf sie nicht mehr eingesetzt werden", erklärt Hubtisch-Teamleiter Martin Posch. Seine Mitarbeiter haben die E-Lok auf vier Hubtischen in der Halle der ÖBB-Servicestelle in Salzburg-Gnigl aufgebockt. Der elektropneumatisch betriebene Ausbauwagen ist in Position und nachdem alle Schraubverbindungen sowie elektrische und machanischen Verbindungen gelöst worden sind, wird das sieben Tonnen schwere Element abgesenkt, unter der Lok herausgefahren und anschließend mittels Hallenkran auf einen Güterwaggon gehievt. In einem der fünf österreichweiten ÖBB-Werke wird es in Einzelteile zerlegt, mit neuen Radreifen wieder zusammengebaut und kommt nach einer Prüfung samt Testlauf ins Ersatzteillager.

Salzburg reprofiliert beschädigte Radsätze

Radsätze mit ausreichend Aufbau, deren Profil - etwa durch Notbremsungen - aber beschädigt ist, werden in Salzburg reprofiliert. "Das ist eine Besonderheit an unserem Standort", erklärt Servicestellenleiter Marco Pecic. Salzburg ist einer der Pioniere auf dem Gebiet der Radsatzbearbeitung, die dort seit 1961 gemacht wird. Pecic führt die Redakteurin zur CNC-Unterflurdrehmaschine, die in einer eigenen Halle untergebracht ist. Mittels Laser werden der Innenabstand der Räder und Radsatzprofile gemessen und in eine Datenbank eingegeben. Anhand von rund 1000 verschiedenen Parametern - und nach einer weiteren maschinellen Vermessung - startet das computergesteuerte Programm. "Wenn du da näher hingehen willst, setzt du bitte die Schutzbrille auf und schaust, dass der Kragen deiner Jacke zu ist", sagt der Teamleiter der CNC-Unterflurmaschine. Denn wenn die Maschine arbeitet, lösen sich 300 bis 500 Grad heiße und scharfkantige Stahlspäne.

Inspektion gewährleistet Zugsicherheit

Auf die Redakteurin wartet noch ein ungefährlicher Einsatz: Mit Spitzenfacharbeiter Aurel Kücher soll sie eine Talent-Garnitur inspizieren. Dazu geht es auf ein Gleis unter freiem Himmel, wo der Nahverkehrszug steht. Weil der Bahnsteig fehlt, ist der Einstieg sportlich hoch. "Was wir uns bei dem Check anschauen, sind zum Beispiel die Feuerlöscher", erklärt Aurel Kücher auf dem Weg in den Führerstand. Der Feuerlöscher ist in Ordnung, der Techniker widmet sich dem Sitz des Lokführers, überprüft dessen Funktionen, stellt sicher, dass Fluchthaube und Verbandskasten da sind und kontrolliert den Stand des Scheibenwischerwassers. "Es ist wie bei einem Pkw", erklärt er. Dann nimmt er die Inneneinrichtung der restlichen Garnitur in Augenschein - Armlehnen, Piktogramme, Toiletten, Mistkübel. Danach ist die Rollstuhlrampe dran - wie lässt sich problemlos aus- und wieder einklappen, wie die Redakteurin feststellt. Sie ist nicht die einzige Frau an diesem Arbeitsplatz - unter den 90 Mitarbeitern in der Servicestelle in Salzburg-Gnigl sind drei Mitarbeiterinnen.

Pecic startete ÖBB-Karriere erfolgreich

Unabhängig vom zur ÖBB Technische Services GmbH gehörenden Werkstattbetrieb befindet sich auf dem Areal auch die ÖBB-Lehrwerkstätte. Servicestellenleiter Marco Pecic hat dort seine ÖBB-Karriere begonnen - als Maschinenbautechnik-Lehrling. Seine weiteren Stationen waren die Güterwagen-Instandhaltung und die Produktionslogistik. Daneben absolvierte er als Abendschüler die Maschinenbauingenieurswesen-Ausbildung an der HTL und wurde schließlich Servicestellenleiter. Was ihn an seiner Arbeit fasziniert, ist die Technik, die hinter dem Eisenbahnbetrieb steht - und die dafür eingesetzte Mischung aus Maschinenbau, Mechanik, Elektrotechnik und Informatik.

Daten & Fakten
ÖBB-Techniker in der Servicestelle Salzburg

Leichte Instandhaltungs- und Inspektionsarbeiten an Schienenfahrzeugen, nicht aber an Gleisen oder Oberleitungen sind Aufgabe der Facharbeiterinnen und Facharbeiter in der ÖBB-Servicestelle Salzburg. Gearbeitet wird in Teams und im Schichtbetrieb bei 38,5 Wochenstunden. Das Einstiegsgrundgehalt beträgt - noch ohne Zulagen und Zuschläge - rund 2850 Euro.

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Die Geduld der ÖBB-Techniker – im Bild Mathias Krispler – macht die fehlende Fachkenntnis der Redakteurin wett.
Die Geduld der ÖBB-Techniker – im Bild Mathias Krispler – macht die fehlende Fachkenntnis der Redakteurin wett.
Teamwork ist beim Drehmomentschlüssel für 1050 Newtonmeter angesagt.
Teamwork ist beim Drehmomentschlüssel für 1050 Newtonmeter angesagt.
Die Rollstuhlrampe wird überprüft.
Die Rollstuhlrampe wird überprüft.
Das neue Antriebselement wird mit dem Hallenkran transportiert.
Das neue Antriebselement wird mit dem Hallenkran transportiert.
Das Antriebselement wird am Einbautisch abgelegt.
Das Antriebselement wird am Einbautisch abgelegt.
Das Antriebselement wird am Einbautisch abgelegt.
Das Antriebselement wird am Einbautisch abgelegt.
Laser-Messung am Radsatz.
Laser-Messung am Radsatz.
Bei der Inspektion wird auch der Sitz im Führerstand auf seine Funktionsfähigkeit gecheckt.
Bei der Inspektion wird auch der Sitz im Führerstand auf seine Funktionsfähigkeit gecheckt.
Inspektion in einer Talent-Garnitur.
Inspektion in einer Talent-Garnitur.
Die Radsätze und deren Markierung werden besprochen.
Die Radsätze und deren Markierung werden besprochen.
Hubtisch-Teamleiter Martin Posch mit der SN-Redakteurin.
Hubtisch-Teamleiter Martin Posch mit der SN-Redakteurin.
Die SN-Redakteurin in der ÖBB-Werkstatt.
Die SN-Redakteurin in der ÖBB-Werkstatt.
Die SN-Redakteurin in der ÖBB-Werkstatt.
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