Betroffene erzählt von Befreiung nach ADHS-Diagnose: "Ich konnte mit mir selbst Frieden schließen"
Lorena Andessner wurde im Alter von 27 Jahren mit ADHS diagnostiziert. Die Symptome der neuronalen Störung haben sich bei ihr schon in ihrer Kindheit bemerkbar gemacht, aber der Weg zur Diagnose war ein langer. In einer neuen Folge von "Die gefragte Frau" sprechen wir darüber, wie Lorena mit ADHS lebt, warum die Diagnose eine Erleichterung war, weshalb die Krankheit bei Frauen häufiger übersehen wird und warum soziale Medien Betroffenen helfen können.

"Im Juni 2024 habe ich die Diagnose ADHS erhalten, aber das alles hat natürlich schon viel früher angefangen. Dass bei mir irgendwas nicht ganz in Ordnung ist, habe ich schon im Kindesalter gemerkt", erzählt Lorena Andessner. Jahrelang seien die Auswirkungen der ADHS für die gebürtige Salzburgerin "normal" gewesen - bis diese zur enormen Belastung geworden seien, speziell, als sie sich mit 21 Jahren als Content-Creatorin selbstständig gemacht hat.
Jahrelang habe sie sich an ihre Umwelt angepasst und gelernt, ihre Symptome so zu unterdrücken, dass niemand in der Außenwelt etwas von der ADHS bemerke. "Das war unglaublich anstrengend, aber eben mein Versuch, in diese Welt hineinzupassen", schildert sie ihren Umgang mit der ADHS vor der Diagnose. Sie habe sich schon immer gefragt, warum sie an "banalen Dingen", wie Termine einhalten oder aufräumen, scheitert und es nicht wie die anderen auf die Reihe bekommt.
"Bei mir hängen überall Notizen, die To-do-Liste am Handy habe ich immer parat, aber ich kann mich nicht organisieren. Es fällt mir extrem schwer, mich länger zu konzentrieren, ich schweife ständig ab, vergesse laufend Dinge, erledige alles auf den letzten Drücker", beschreibt sie die Auswirkungen ihrer ADHS. Auch Impulsivität und eine ständige Unruhe begleiten die junge Frau. Es sei normal, dass solche Dinge jedem und jeder einmal passieren. Für Lorena sei das aber täglich der Fall und führe schlussendlich in mehreren Lebensbereichen zu einer Belastung. "Deshalb habe ich schon Freundschaften, aber auch Kundinnen und Kunden verloren", erzählt sie. Hinzu kämen bei ihr typische Begleiterkrankungen wie depressive Episoden und soziale Ängste.
In Hinblick auf Gespräche mit ihren Eltern über ihre Kindheit und alte Schulhefte sowie Zeugnisvermerke waren Anzeichen für ADHS bereits damals vorhanden - eine Voraussetzung für die Diagnose. "Ich war eine recht gute Schülerin und nicht verhaltensauffällig. Es gibt eben Frauen mit ADHS, die nicht dem typischen Zappelphilipp entsprechen", sagt sie. Sie selbst sei sehr verträumt gewesen, habe alle Hefte vollgekritzelt, die Eltern hätten ihr oft Schulsachen oder Unterschriften nachbringen müssen.
Durch eine Freundin, die bereits eine ADHS-Diagnose erhalten hatte, und über die sozialen Medien sei sie immer mehr zur Erkenntnis gekommen, dass ADHS auch bei ihr selbst zutreffen könnte. "Mir wurde immer bewusster, dass das die Themen sind, die meinen Alltag erschweren. Ich habe dann einen Psychiater sowie eine Psychologin, die ADHS-Diagnoseverfahren durchführt, aufgesucht", erzählt Lorena, die sich auch in Therapie befindet. Die finale Diagnose sei ein regelrechter Befreiungsschlag für sie gewesen: "Rückblickend ergibt für mich jetzt so viel Sinn", betont sie. Die Diagnose habe ihr vor allem geholfen, mit sich selbst Frieden zu schließen und sich selbst zu vergeben.
Lorena ist Content-Creatorin und Podcasterin, in den sozialen Medien folgen ihr 72.000 Menschen. Vor Selbstdiagnosen auf Basis von Inhalten aus den sozialen Medien warnt die 28-Jährige ausdrücklich. "Wenn man selbst den Verdacht auf eine ADHS hat, immer einen Arzt aufsuchen", betont sie. Mit ihrem Content zu ADHS möchte sie aber mehr Sichtbarkeit für die Erkrankung schaffen und anderen Betroffenen Mut machen.
Wie es Lorena mit ADHS als Selbstständige ergeht, welche positiven Seiten die neuronale Störung haben kann, wie sie damit umgeht, wenn ADHS als Modediagnose bezeichnet wird, und wie sie über ihre Erkrankung in den sozialen Medien spricht, erzählt sie ausführlich in der neuen Podcastfolge "Die gefragte Frau".