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SN-Kolumne Otto Konrad: Fußball-Europameisterschaft - na und?

Nicht jeder auf dieser verrückten Welt ist fußballbegeistert, aber warum sollten wir gerade diesmal jeden Grund haben, fußballverrückt zu sein?

Otto Konrad
Österreichische Fußballfans in voller Vorfreude.
Österreichische Fußballfans in voller Vorfreude.

Noch nie hatten wir ein Nationalteam mit dieser Qualität und Quantität an Spielern wie diesmal. Auf jeder Position der Feldspieler sind wir doppelt gut bis sehr gut besetzt. Selbst die Ausfälle von David Alaba, Xaver und Alexander Schlager, die uns sicher empfindlich schwächen, werden nicht als Ausrede herangezogen. Diesmal hat unser Teamchef Ralf Rangnick die Möglichkeit, sich bei der Auswahl der Spieler ohne Qualitätsverlust nach dem Gegner zu richten. Okay, da haben andere Teams wie Frankreich oder England noch viel mehr zu bieten. Aber jetzt kommt es: Durch die Erfolge der letzten Monate sind nun wohl auch die vermeintlich Großen auf uns aufmerksam geworden und werden gut daran tun, uns ganz genau zu studieren und sich auch nach uns auszurichten. Wie sieht die Taktik aus, welcher Spieler passt am besten ins Konzept? Fragen, die sich nun beide Trainer stellen müssen, auch die, die Österreich noch vor wenigen Monaten als gut, aber nicht sehr gut eingeschätzt haben.

Bei Endrunden wie der WM und EM werden Helden geboren, Spieler, über die noch über Generationen hinweg gesprochen werden wird und die in die Geschichtsbücher eingehen werden. Das wünsche ich unseren Torleuten. Wer auch immer die Chance erhält, möge sie nutzen. Am Ende des Tages wird jenes Team als Sieger vom Platz gehen, dessen Spieler die Kraft besitzen und die Strategie am besten umsetzen. Ich bin kein Freund von Philosophen oder Philosophien im Fußball, aber mit Rangnick haben wir ein Herz-Ass im Ärmel, das es versteht, mit dem Team viele Variationen Fußball zu spielen. Diese Vielseitigkeit hat mich bis jetzt schon sehr beeindruckt und es macht mich zuversichtlich, die Gruppenphase zu überstehen.

Und dann? Viel schwerer kann es dann wohl nicht mehr kommen. Daher lehne ich mich nun aus dem Fenster und sage: Sollten wir die Gruppe als Erster abschließen − was ich für durchaus möglich halte −, dann kommen wir bis ins Halbfinale. Warum nicht weiter? Weil ein Turnier eine sehr kräfteraubende Form ist, um einen Sieger zu ermitteln. Wenn da nicht die Beispiele aus der Vergangenheit wären, aus dem letzten Jahrtausend, wie Historiker sagen würden. In den Geschichtsbüchern können wir lesen, wie die Dänen, die aus dem Urlaub zurückgeholt wurden, oder Griechenland mit Otto Rehhagel, der mit seiner Taktik der Zeit voraus war, es trotzdem geschafft haben. Und gerade deswegen wird uns diese EM auch so verrückt machen, denn noch nie in der Geschichte des österreichischen Fußballs waren wir so nah dran, uns auf Augenhöhe mit den ganz Großen des Fußballs aus Europa zu messen. Und sollte der Ball nicht, wie bei der Euro 2016 in Frankreich, wieder von der Stange ins Feld springen und dabei unser Fußball-Glücksengerl erschlagen, werden wir alle von Sieg zu Sieg noch verrückter, und das hätte sich diese Mannschaft einfach verdient. Im anderen Fall können wir aber immer noch sagen: Europameisterschaft - na und?

Otto Konrad (59) ist einer der erfolgreichsten Torhüter in Österreich. Mit Austria Salzburg wurde der Wahlsalzburger drei Mal österreichischer Meister, 1994 stand er im UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand. Zwölf Mal trug er das österreichische Teamdress.