Wenn Österreichs Frauen-Fußballnationalteam am Dienstag (20.30 Uhr, live in ORF Sport +) in der Nations League Deutschland empfängt, stehen die Gäste als Gruppensieger bzw. Österreich als Dritter schon fest. "Die Duelle gegen Deutschland sind immer besonders für uns", will Bayern-Legionärin Sarah Zadrazil aber nichts von einem Freundschaftskick wissen. Teamchef Alexander Schriebl sagt: "Die Strahlkraft dieses Duells bewegt hoffentlich viele Fans, sich diesen Klassiker nicht entgehen zu lassen."
Österreich konnte bislang im Duell mit Deutschland nicht punkten. Im EM-Viertelfinale 2022 agierten Zadrazil und Co. bei der 0:2-Niederlage aber auf Augenhöhe. Und 2024 führte das ÖFB-Team in Linz sogar sensationell mit 2:0, unterlag dann aber doch mit 2:3. Das jüngste Duell im Februar brachte eine klare 1:4-Niederlage in Nürnberg.
Schnaderbeck: "Im ÖFB passiert zu wenig"
Das Publikumsinteresse für das Match im Franz-Horr-Stadion hält sich freilich in Grenzen. 4200 Tickets waren bis Montag verkauft. Woran liegt das? Die frühere ÖFB-Teamkapitänin Viktoria Schnaderbeck, die als UEFA-Board-Mitglied und ehemalige Betreiberin einer Sportmarketing-Agentur auch die andere Seite kennt, spart nicht mit Kritik: "Es steht und fällt mit dem Engagement des ÖFB bezüglich Ressourcen, Marketing, Werbung, Ticketverkauf, Präsenz in den sozialen Netzwerken, Schulen, Vereinen und so weiter. Hier passiert im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig." Die Spielerinnen müssten ihrer Meinung nach viel mehr in die Vermarktung eingebunden werden.
In der Pflicht sieht sie auch die Medien, zu oft höre sie: "Ich wusste nicht mal, dass ein Spiel stattfindet". Nicht von der Hand zu weisen sei aber auch, dass der große sportliche Erfolg durch das Nicht-Qualifizieren für die EM 2025 beim Frauenteam derzeit fehle und daher keine richtige Euphorie entstehen könne. Der Hype nach den Endrunden-Erfolgen von 2017 (Halbfinale) und 2022 (Viertelfinale) ist nur noch eine wehmütige Erinnerung.
Verband will "würdige Kulisse"
ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold kann in diesem Punkt zustimmen: "Das Interesse ist immer mit der Performance verknüpft." Auch bei den Männern seien noch vor zweieinhalb Jahren kaum 20.000 Fans gegen Europameister Italien ins Happel-Stadion gekommen, nun sei ein Match gegen Rumänien innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Wie viel der Verband tatsächlich in Marketing investiere, sei erst vor kurzem mit dem Spielerinnenrat des ÖFB-Teams erläutert worden. "Auch wir haben höchstes Interesse an einer würdigen Kulisse und tun alles dafür, um mit Aktivitäten unseren Beitrag zu leisten", betont Neuhold. Der Frauenfußball sei nach wie vor ein Posten, der nicht kostendeckend betrieben werden könne.
"Gleichstellungsdebatten spielen keine Rolle"
International tätige Frauenfußball-Insider sehen ein Manko in Österreich auch in der zu dünnen Struktur für Frauenfußball auf allen Ebenen sowie im Fehlen internationaler Erfolgserlebnisse auf Clubebene. Und sie betonen unisono, dass Gleichstellungsdebatten keine Rolle spielten: "Es ist ein Business, da geht es um Angebot und Nachfrage." Ein Hype könne künstlich nicht erzeugt werden.
"Der Österreicher ist ein Event- und Schönwetter-Fan", bringt es Kevin Bell schonungslos auf den Punkt. Der PR-Experte kennt die Lage als langjähriger ÖFB-Medienverantwortlicher für den Frauenfußball sehr gut. Großes Stadion, ein attraktives Spiel und das entsprechende Marketing seien nun gegeben, aber: "Österreich hat nicht das Potenzial, regelmäßig viele Fans zum Frauenfußball zu bringen." Marketingmaßnahmen müssten auf die veränderte Zielgruppe - weiblicher, jünger - zugeschnitten werden.
VIP-Plätze sind ausverkauft
Ein Grundfehler sei, die Maßstäbe des Männerfußball anzusetzen, und auch in Deutschland würden die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Im zehn Mal größeren Land waren beim Hinspiel in Nürnberg 14.000 Fans in der Arena. Bell sieht den Zuspruch daher durchaus akzeptabel und weist auf einen interessanten Aspekt hin: "Die VIP-Plätze sind für Dienstag komplett ausverkauft. Für die Wirtschaft ist das Event also interessant."