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Deutsche Bundesliga: FC Bayern gilt nicht mehr als Topfavorit

Nachlassender Glaube an den deutschen Rekordmeister, wachsender Respekt vor dem Titelverteidiger: Bayern München hat den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Ist Leverkusen auch in der neuen Bundesliga-Saison stärker?

Neue Saison, neuer Titel: Leverkusen gewann vor wenigen Tagen den deutschen Supercup.
Neue Saison, neuer Titel: Leverkusen gewann vor wenigen Tagen den deutschen Supercup.

Nach elf Jahren hat Bayer Leverkusen die Vorherrschaft von Bayern München in der deutschen Fußball-Bundesliga beendet. Dem Premieren-Meistertitel will die Werkself die Titelverteidigung folgen lassen, die in den vergangenen 41 Jahren nur Bayern und Dortmund gelungen ist. Die Sky-TV-Experten Lothar Matthäus und Dietmar Hamann trauen das Leverkusen zu und schätzen Bayer auch in der am Freitag beginnenden Saison am stärksten ein - und nicht den einstigen Serienmeister Bayern.

Leverkusen habe "klare Vorteile" im Vergleich zu den Bayern, dem BVB und anderen Clubs, meinte Matthäus in einem "Sport Bild"-Interview. "Trainer Alonso ist fast zwei Jahre da. Die Mannschaft konnte beisammengehalten und sinnvoll ergänzt werden", sagte Deutschlands Rekordnationalspieler. Es herrsche "Ruhe im Verein". "Leverkusen vor Bayern, Dortmund, Leipzig", prognostizierte der 63-jährige Matthäus. "RB Leipzig könnte, wie eigentlich fast jedes Jahr, für eine Überraschung sorgen. Aber an Leverkusen führt normalerweise kein Weg vorbei."

Ähnlich die Einschätzung von Hamann: "Die Bayern werden wieder alle Hände voll zu tun haben, dass sie Schritt halten mit Leverkusen. Leverkusen hat einen unheimlich dominanten Fußball gespielt, sie haben das Gerüst gehalten, das ist eine sehr gut funktionierende Maschine. Sie werden nicht wieder ungeschlagen durch die Saison gehen, aber die zu schlagende Mannschaft sind sie für mich."

Während bei Bayer fast alles beim Alten geblieben ist, waren die Bayern am Transfermarkt aktiver und haben sich mit João Palhinha, Michael Olise und Hiroki Itō verstärkt. Und mit Vincent Kompany einen neuen Cheftrainer geholt. Der Belgier war einst Mannschaftskollege von Hamann und "ein unheimlich akribischer Spieler, immer Führungsspieler, und er hat von den Besten (Anm.: Pep Guardiola und Roberto Mancini) gelernt. Aber es ist Neuland. Man muss schauen, ob er nach München passt, das haben andere versucht und nicht geschafft."

Die Einkäufe bewertete Hamann positiv, nicht aber den Verkauf von Verteidiger Matthijs de Ligt an Manchester United. "Er ist ein Spieler, der Führungsqualitäten hat. Upamecano, Kim oder Itō müssen das erst beweisen. De Ligt wäre der Erste gewesen, wo ich sage, um den baue ich eine Abwehr", meinte Hamann. Einer der Lichtblicke der Bayern in einer allgemein enttäuschenden vergangenen Saison war für ihn Konrad Laimer. "Er hat sich zu einem absoluten Führungsspieler entwickelt. Er kam als Ergänzungsspieler, hat sich über die Saison in der Mannschaft, bei der es nicht wirklich funktioniert hat, vielleicht sogar zum wichtigsten Spieler entwickelt, das war herausragend. In den letzten drei, vier Monaten war er in den wichtigen Spielen wahrscheinlich der erste Mittelfeldspieler, der am Spielberichtsbogen gestanden ist", meinte der TV-Experte über den gebürtigen Salzburger. Ob sich daran durch die Verpflichtung von Palhinha etwas ändern werde, bleibe abzuwarten.

Sollten auch Dortmund und Leipzig in den Titelkampf eingreifen können, werden für Hamann auch Österreichs Teamspieler Marcel Sabitzer (Dortmund), Christoph Baumgartner und Nicolas Seiwald (Leipzig) gefragt sein. "Wenn die Dortmunder in der Liga angreifen wollen, werden sie einen Sabitzer in der Form der vergangenen Saison brauchen", ist Hamann überzeugt. Beim BVB hätte er auch Seiwald gut aufgehoben gesehen. "Er wäre für mich der perfekte Spieler für Dortmund gewesen. Ich bin Fan von ihm. Er hat es leider in Leipzig unheimlich schwer gehabt, in der zweiten Saison muss man schauen. Er ist ein Spieler, der für mich jede Woche spielen muss, und wenn nicht in Leipzig, dann woanders", sagte Hamann über einen weiteren vielversprechenden Salzburger in der deutschen Bundesliga.

Mit Neugier blickt er auch nach Wolfsburg. Der Steirer Ralph Hasenhüttl hat den VfL im März übernommen und auf Platz zwölf geführt. Hasenhüttls wichtigste Aufgabe sei, "das Potenzial, das in der Mannschaft schlummert, wachzurütteln. Das schlummert schon zu lange. Wolfsburg ist für mich immer eine spannende Geschichte. Wenn sie nach sechs Runden unter den ersten drei sind, würde es mich nicht wundern, und wenn sie unter den letzten drei sind, würde es mich auch nicht wundern", meinte Hamann zur Wundertüte VfL.

Hasenhüttl selbst schätzt Titelverteidiger Leverkusen erneut stärker als die entthronten Bayern ein. "Ich glaube, dass Bayer Leverkusen den Titel erfolgreich verteidigen wird. Die Mannschaft von Xabi Alonso bringt eine unglaubliche Power und Energie auf den Platz", sagte Hasenhüttl in einer Umfrage der dpa. Insgesamt war das Ergebnis dieser Umfrage, dass die meisten Trainer und Sportdirektoren der deutschen Bundesliga-Clubs - anders als in den Vorjahren mit eindeutigen Prognosen zugunsten der Münchner - einen offenen Titelkampf erwarten.
1. Bundesliga-Runde: Freitag: Mönchengladbach - Leverkusen; Samstag: Leipzig - Bochum, Hoffenheim - Holstein Kiel, Mainz - Union Berlin, Freiburg - Stuttgart, Augsburg - Bremen, Dortmund - Eintracht Frankfurt; Sonntag: Wolfsburg - Bayern München, St. Pauli - Heidenheim.

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