SN.AT / Sport / Fußball / International

"Porto kann den Gegner leiden lassen" - Ex-ÖFB-Kapitän warnt Red Bull Salzburg vor Start in die Europa League

Den kriselnden FC Red Bull Salzburg erwartet gleich zum Anpfiff der neuen Europa-League-Saison eine Mammutaufgabe. Daran lässt Ex-Portugal-Legionär Marc Janko im SN-Interview keinen Zweifel.

Red Bull Salzburg ist in die Krise geschlittert.
Red Bull Salzburg ist in die Krise geschlittert.

Mit dem FC Porto gastiert am ersten Spieltag der Europa-League-Ligaphase zwar ein bekannter Name (hier im Liveticker), aber ein hierzulande eher unbekanntes Team bei Österreichs Vizemeister Red Bull Salzburg. Deshalb haben wir bei einem Ex-Bullen nachgefragt, der als Porto-Legionär sogar Meister wurde. Marc Janko erzählt im Interview von seinen Erfahrungen in Porto, er analysiert den portugiesischen Fußball und erneuert seine Kritik an Salzburg.

Mit Salzburg und Porto treffen am Donnerstag zwei Ihrer Ex-Clubs aufeinander. Welche Erinnerungen haben Sie an Portugal?

Marc Janko: Meine Zeit in Porto ist schon ein bisschen her und dazwischen waren viele Kopfbälle (lacht), aber einige Erinnerungen sind noch sehr frisch: Für Porto war es damals ein relativ ungewöhnlicher Transfer, ich war ja schon ein etwas älterer Spieler. Ich war damals bei Twente in den Niederlanden engagiert und als die Anfrage kam, habe ich sofort zugesagt. Porto ist ein Club mit einem großen Vibe, den du sofort spürst. Es wird sehr professionell gearbeitet, die Infrastruktur ist top. Für mich war das eine neue Fußballwelt, eine ganz andere Hausnummer als das, was ich bis dahin gesehen hatte. Deshalb bin ich auch bis heute extrem stolz, dass ich diesen Verein auf meiner Visitenkarte stehen habe.

Sie haben in der Saison 2011/12 fünf Tore erzielt, wurden Meister mit Porto und sind dann weiter nach Trabzonspor in die Türkei gezogen. Warum?

Das ist eine lange Geschichte ... Ausschlaggebend war im Endeffekt der Transfer von Jackson Martínez, einem kolumbianischen Stürmer. Mir wurde gesagt, dass ich nicht mehr spielen werde, solange Martínez nicht verletzt ist. Ich war damals ÖFB-Teamkapitän, da war das Ego zu groß, um als Ersatzspieler meinen Vertrag abzusitzen. Außerdem habe ich eine gewisse Verpflichtung dem Nationalteam gegenüber verspürt, dass ich im Verein regelmäßig spiele. Porto habe ich trotzdem in extrem positiver Erinnerung - eine coole Station in meiner Profikarriere, von der ich irrsinnig viel mitgenommen habe.

Marc Janko beobachtet das Europacup-Duell zwischen Red Bull Salzburg und Porto mit besonderem Interesse.
Marc Janko beobachtet das Europacup-Duell zwischen Red Bull Salzburg und Porto mit besonderem Interesse.

Welchen Fußball spielt Porto?

Die Liga wird seit vielen Jahren von denselben Mannschaften geprägt: Sporting, Benfica und eben auch Porto. Was die portugiesische Liga so attraktiv macht, ist der Umstand, dass man die brasilianischen Spieler allein durch die gemeinsame Sprache sehr schnell integrieren kann. Portugal ist für die Toptalente oft nur eine Durchlaufstation, ein Sprungbrett zu einem noch größeren europäischen Club. Man setzt auf einen technisch sehr versierten Fußball. Das Kombinations- und Positionsspiel ist sehr ausgereift. Gegen solche Mannschaften ist es immer schwierig, ein hohes Pressing zu spielen, weil sie selten in Stress geraten. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass die Salzburger Probleme haben werden. Porto kann den Gegner leiden lassen.

Sie haben in Ihrer Funktion als TV-Experte bei Sky Sport Austria zuletzt öfter Kritik an Red Bull Salzburg geübt. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Die Erfolgsspirale hat mit dem Abgang von Christoph Freund zu Bayern München ihr Ende gefunden. Er hat eine unglaublich große Lücke hinterlassen. Danach hat man ein bisschen an Struktur verloren. Die Qualität und die Reife sind nicht mehr so da wie in den Jahren zuvor. Und mittlerweile habe ich auch das Gefühl, dass der unbedingte Wille, dieser unbändige Erfolgshunger nicht mehr da ist. Die Salzburger Spieler sind satt, warum auch immer. Von außen betrachtet sieht es so aus, als ob sie zufrieden wären mit dem, was sie erreicht haben.

Muss Red Bull Salzburg seinen Zugang zum Fußball überdenken - sprich: sich vom Pressingfußball verabschieden?

Sie müssen ihren Fußball sicher anpassen. Selbst der FC Barcelona hat es geschafft, einen neuen Fußball zu implementieren. Die stehen seit Jahrzehnten für Ballbesitzfußball und sind mittlerweile auch ein bisschen von ihrer Philosophie abgewichen. Genauso kann man von Salzburg verlangen, eine Mischung auf das Feld zu bringen. Pressingfußball nur dann, wenn es der Gegner zulässt. Bei Gegnern mit einer höheren Klasse muss man sich anpassen. Abgesehen davon werden die Grundtugenden immer gleich bleiben: Wer nicht mit der richtigen Einstellung auf den Platz geht, wird auch nichts gewinnen.

Wie geht es bei den Bullen wieder aufwärts?

Viele andere Vereine haben auch schon einmal diesen Prozess durchlaufen. Ich denke an Ajax Amsterdam oder den FC Basel zum Beispiel, die ihre Liga jahrelang dominiert und dann den Anschluss verloren haben. Sie haben sich wieder herangearbeitet. Mit einer klaren Linie, mit einer gewissen Demut und mit Geduld. Wem, wenn nicht Red Bull Salzburg, sollte das sonst gelingen bei den Möglichkeiten des Clubs - sowohl finanziell als auch infrastrukturell.

Woran muss Salzburg konkret arbeiten?

Das ist für mich als Außenstehenden schwer zu bewerten. Fakt ist, das Mentalitätsproblem kommt immer wieder. Dann steht vor allem der Trainer in der Kritik. Dabei sind es die Spieler, die man in die Pflicht nehmen sollte. Sie haben jetzt die Europa League als Bühne, aber offenbar sind sie sich ihrer großen Chance nicht bewusst.

Wie schwer (oder leicht) fällt es Ihnen als Ex-Spieler, öffentliche Kritik an Ihren Kollegen zu üben?

Ich sehe meine Rolle als Sky-Experte schon so, dass ich auch Kritik an Missständen übe, aber ohne jemanden persönlich zu beleidigen. Konstruktive mediale Kritik gehört zum Geschäft, das mittlerweile ja ein riesiges Business ist und am Ende des Tages auch der Grund, warum die Spieler so hoch dotierte Verträge unterschreiben können.

Würde Sie selbst auch ein Job im Profifußball interessieren, etwa als Sportdirektor?

Ich würde es nicht ausschließen. Es ist aber nicht so, dass ich bis zum heutigen Tag ein Angebot ausgeschlagen hätte. Heißt: Ich habe noch kein dementsprechendes Angebot erhalten. So gern ich als TV-Experte arbeite, vorstellen könnte ich mir das durchaus.

SPORT-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Sportmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.