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Arbeitsrechtsaktivist glaubt nicht an Veränderung durch WM

Sein Engagement für bessere Arbeitsbedingungen in Katar hat Malcolm Bidali ins Gefängnis gebracht. Insgesamt ein Monat sei er in Haft gewesen, drei Wochen davon in Isolationshaft, erzählt der 30-jährige Kenianer, der auf Einladung von Südwind und des Wiener Instituts für Dialog und Kooperation (VIDC) in Wien weilt. Bessere Arbeitsbedingungen für Migranten würde auch die kommende Fußball-Weltmeisterschaft nicht bewirken. "Änderungen gab es nur am Papier", sagt er.

Menschenrechtsaktivist Malcolm Bidali.
Menschenrechtsaktivist Malcolm Bidali.

Durch das Kafala-System, ein in der Golfregion übliches Bürgschaftssystem, "kontrolliert der Arbeitgeber jeden Bereich des Lebens". Offiziell wurde das System abgeschafft, es existiere aber indirekt weiter, sagt Bidali, denn noch immer müsse der Arbeitgeber einen Jobwechsel seines Arbeitnehmers genehmigen.

Bidali arbeitete als Wachmann im Emirat, meist zwölf, dreizehn Stunden am Tag, die An- und Abreise zu den Arbeitsorten nicht eingerechnet. Laut katarischem Arbeitsrecht sind eigentlich nur acht Stunden täglich erlaubt plus zwei Überstunden. Die meisten Firmen hielten sich jedoch nicht daran, Kontrollen gebe es viel zu wenig, erzählt der Aktivist. Hinzu komme die enorme Hitze gerade im Sommer, wo jeder Aufenthalt im Freien zur Herausforderung werde.

Gelebt habe er damals so wie fast alle Gastarbeiter in der riesigen Industriezone, der "Labour City", im Norden von Doha. "Dort, wo Katar die Migranten versteckt", sagt der Kenianer. Hunderttausende Gastarbeiter aus Südasien und Afrika leben dort in Massenunterkünften mit sechs bis zwölf Personen in einem Raum. "Dort gibt es keine Privatsphäre", die Versorgung mit Lebensmitteln sei schlecht.

Aufgrund des internationalen Drucks hatte Katar einen Mindestlohn eingeführt. Der setze sich aus dem Lohn von 1.000 Qatari Rial (276,92 Euro), sowie 500 Qatari Rial für Unterkunft und 300 Qatari Rial für Essen zusammen, erzählt Bidali. Um Geld zu sparen, stellen die meisten Arbeitgeber jedoch Unterkunft und Essen zur Verfügung.

Überhaupt hänge viel davon ab, wie die einzelnen Firmen ihre Arbeitnehmer behandeln, hier gebe es große Unterschiede. Als er erfährt, dass eine andere Firma Unterkünfte für ihre Arbeiter zur Verfügung stellt, wo nur drei Personen in einem Raum wohnen müssen und es sogar Vorhänge gab, die zumindest ein gewisses Maß an Privatsphäre ermöglichen, habe er sich gedacht, "genug ist genug", sagt Bidali.

Zunächst habe er versucht, sich per Mail bei den offiziellen Stellen zu beschweren. Als das nichts nützt, beginnt er, anonym auf Twitter über die Arbeits- und Lebensbedingungen zu posten. Zunächst erfolgreich, denn seine Beiträge führten zu besseren Arbeitsbedingungen in seiner Firma. Doch dann wird er mittels einer Phishing-Attacke auf seinem Handy ausgeforscht und am 4. Mai 2021 inhaftiert.

Erst acht Tage später bestätigten die katarischen Behörden, dass er verhaftet worden sei, seinen Aufenthaltsort gaben sie jedoch nicht bekannt. Ein Anwalt sei ihm verweigert worden, berichtet Bidali. Seinen Humor hat er dennoch behalten, und so sagt er: "Immerhin war das Essen im Gefängnis besser als das, was wir in den Arbeitercamps bekommen haben."

Erst nach großem Druck der Zivilgesellschaft sei er schließlich freigelassen worden, mit der Bedingung, das Emirat nicht verlassen zu dürfen. Zudem sei ihm das Telefon abgenommen worden, berichtet der Aktivist. Nach zwei Monaten wurde er zu einer Geldstrafe von 25.000 Qatari Rial (6.923 Euro) verurteilt. Er zahlte und verließ das Emirat. Mittlerweile lebt er in Nairobi. Gemeinsam mit einer Kollegin, die als Hausangestellte in Bahrain tätig war, gründete er die NGO migrantdefenders.org. Nach wie vor hat er viele Freunde in Katar und möchte eigentlich zurück, dennoch weiß er, "dass eine Rückkehr nicht möglich ist".

(Das Interview führte Martin Hanser/APA)

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