18 Spieler der Nationalmannschaft stammen aus der Akademie, "es sind die Leistungsträger", sagte Neubauer, der inzwischen wieder nach Österreich zurückgekehrt ist und diesmal "nur als Fan" zum Achtelfinale anreisen wird. "Es gibt in Katar nur einen sehr kleinen Talentepool", betonte Neubauer. Aufgrund der nicht vorhandenen Konkurrenz im Emirat - es zählt knapp 2,5 Millionen Einwohner, nur etwa zehn Prozent davon wird der katarische Pass gewährt - habe man mit Spielen gegen internationale Teams vom Nachwuchsbereich an Erfahrung gesammelt. "In einer Saison etwa sind 35 Teams für über 100 Spiele eingeflogen worden", meinte Neubauer.
Dazu komme ein internationales Netzwerk, am deutlichsten manifestiert durch den belgischen Zweitligisten KAS Eupen, der im Eigentum Katars steht. Dass der spanische Teamchef Felix Sanchez bereits seit 2006 in der Akademie werkt und seit 2017 die A-Auswahl leitet, spreche für den langfristigen Ansatz, betonte Neubauer. In Europa ist derzeit keiner der katarischen Teamspieler engagiert, das spreche nicht unbedingt gegen die Qualität der Kicker, befand Neubauer: "Es ergibt im Hinblick auf die WM Sinn, das Nationalteam zusammenzuhalten, das hat schon im Juniorenbereich Priorität. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass einige in europäischen Ligen mitspielen könnten."
Man versuche, die Spieler Schritt für Schritt an die Weltspitze heranzuführen, es sei das Ergebnis einer langfristigen Planung. Gesteuert wird diese von zahlreichen Spaniern. Mit dem 59-jährigen Sportwissenschafter Valter Di Salvo, einst für Lazio Rom, Real Madrid und Manchester United tätig, kommt der "Director of football performance & science" aus Italien. "Die Akademie ist auch in der Sportwissenschaft federführend, vernetzt mit 50 Clubs und Verbänden weltweit, die sich mit verschiedenen Themen im Zusammenhang mit Sport und Training auseinandersetzen", sagte Neubauer.
Die 290.000 Quadratmeter einnehmende "Aspire Academy for Sports Excellence", die mit Markus Egger, dem "Director of Strategic Projects" auch einen Österreicher an prominenter Stelle hat, ist eines der weltgrößten Trainingszentren. 760 Millionen Dollar (rund 736 Mio. Euro) kostete das Juwel. Bayern München schlägt seit 2011 sein Trainingslager dort auf, auch Red Bull Salzburg war schon zu Gast. Das Trainingszentrum wartet unter anderem mit einer Leichtathletik-Halle mit 200-m-Laufbahn und 3.500 Sitzen sowie einem Indoor-Fußballstadion (Kunstrasen) mit 6.000 Sitzplätzen auf. Aushängeschild der Akademie ist der katarische Hochsprung-Olympiasieger 2021 Mutaz Essa Barshim.
Neubauer erkennt im ambitionierten Projekt nicht zuletzt eine politische Strategie, die mit dem aktuellen Emir Tamim bin Hamad Al Thani seit 2013 eine leicht veränderte Stoßrichtung hin zum Mediator erfahren habe. "Sport spielt da eine Rolle ebenso wie kulturelle Projekte", verwies Neubauer nicht zuletzt auf das 2019 mit viel internationaler Prominenz wie Schauspieler Johny Depp oder Fußball-Startrainer Jose Mourinho eröffnete, auch architektonisch bemerkenswerte Nationalmuseum.
Im Sport ist man der zahlreichen Kritik zum Trotz nicht mehr von der internationalen Bühne wegzudenken. Die Formel 1 macht ebenso auf der arabischen Halbinsel Station wie die MotoGP der Motorradfahrer oder die DP World Tour (Ex-European-Tour) der Golfer. Dazu kommen Großereignisse wie die Handball-WM 2015, die Straßenrad-WM 2016, die Turn-WM 2018 oder Leichtathletik-WM 2019. Dank der dabei gewonnenen Erkenntnisse soll mit der Fußball-WM nun der Ritterschlag erfolgen.
