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Cavendish über Eisel: "Auf der Straße ist er mein Hirn"

Der Österreicher Bernhard Eisel arbeitet bei der Tour auch als Babysitter. Er achtet auf den Chef Mark Cavendish.

Bernhard Eisel und Mark Cavendish.
Bernhard Eisel und Mark Cavendish.

Dem spitzbübisches Gesicht von Mark Cavendish kann auch die Anstrengung nichts anhaben. Er lächelt sanft. Wenn er lacht, lacht er aber laut. Dabei hat der 32-jährige britische Radprofi nicht viel zu lachen. Er kommt gerade zurück von der ersten Anstrengung der heurigen Tour de France in Düsseldorf. Etwas gerötet vom Schweiß ist sein Gesicht. "Wie, ein Interview für eine deutsche Zeitung?", sagt Cavendish schelmisch zu Bernhard Eisel. Der reagiert gar nicht. Die beiden sind Schmähbrüder. Und sie sind Radprofis im gleichen Team. Cavendish ist das Baby. Eisel behütet ihn. Immerhin ist Eisel auch um vier Jahre älter.

Vor dem Bus des afrikanischen Radteams Data Dimension sitzen die beiden auf ihren Rollen. Ausfahren. Die Füße müssen sich nach der Anstrengungen wieder der Lockerheit nähern. 14 Kilometer haben die beiden im Renntempo gefahren. Der Prolog der Tour de France kommt gerade recht. Nicht, weil es da etwa zu gewinnen gäbe für die beiden.Alleine gegen die Uhr das ist nicht ihre Sache. Aber der Prolog dient als Barometer für die eigene Leistung.

Der 36-jährige Eisel kam mit heftigem Husten nach Düsseldorf zu seinem zwölften Tourstart. Cavendish hat wochenlang kein Rennen in den Beinen. Der 32-Jährige leidet unter Pfeifferschem Drüsenfieber. Da gibt es keine Deadline in der Regeneration, auf die man hinarbeiten könnten wie bei einem Schüsselbeinbruch. Da ist man nicht krank, sondern fühlt man sich gut oder nicht. "Im Moment geht es, sonst wäre ich nicht hier", sagt Cavendish. Bisher wusste er bei der Tour immer, dass er etwas gewinnen wird. Dieses Mal weiß er nichts. Das macht den ehemaligen Weltmeister entspannt. "Ich erwarte nichts von dieser Tour. Ich probiere nur", sagt Cavendish. Und Eisel wird ihm helfen. "Er beschützt mich", sagt Cavendish.

30 Mal siegte Cavendish bei Etappen der Tour de France. Bei vielen der Siege war Eisel dabei, nahm Cavendish aus dem Wind, kurvte ihn um schwierige Stellen, dirigiert das restliche Team. Und wenn der Weltklassesprinter Cavendish ganz vorne an der Ziellinie jubelt, rollte Eisel nur noch mit, "84. oder 123. oder so was werde ich dann", sagt Eisel.

Zunächst bei HTC-Columbia und dann beim Team Sky wuchsen sie über den Job zu Freunden. 2013 trennten sich die Weg. Cavendish ging zu Quick-Step. Eisel blieb bei Sky. Das afrikanische Team Data Dimension brachte die zwei 2016 wird zusammen. Das hatte auch damit zu tun, dass die beiden erfahrenen Köpfe dem jungen Team eine Richtung geben sollte. "Und weil wir wieder zusammen waren, siegte ich wieder", sagt Cavendish.

"Er liest für mich das Rennen", sagt Cavendish, ".Und er gewinnt für uns", sagt Eisel trocken. "Bernie ist unglaublich. Er hat Autorität, aber er nutzt sie um etwas zum Guten zu bewegen", sagt Cavendish. Im Peleton werden beide hoch respektiert. In der Öffentlichkeit taucht eher Cavendish auf. Die Sieger werden ins Licht gestellt. Die Helfer machen ihre Arbeit. Diese Abhängigkeit von Kapitän und Helfer gehört zum Wesen des Radsport. Treu ergeben rackerten viele, damit andere Triumphe holten. Wer ohne Ahnung auf den Radsport schaut, wird das schwer verstehen. Von außen betrachtet wird von A nach B gefahren und der Schnellste gewinnt. Um der Schnellste zu sein, reicht es aber nicht der Stärkste zu sein. Das Team muss passen. Wer alleine fährt ist nämlich verloren. "Am Ende des Tages wird es nie mein Erfolg sein, sondern immer unserer Erfolg", sagt Cavendish.

Die Beziehung zwischen Eisel und Cavendish basiert auf Gleichberechtigung, was nichts anderes heißt, das zwei Egos sich ergänzen und nicht bekämpfen. Das liegt am Berufsethos, es liegt aber auch daran, dass die beiden enge Freunde sind. "Bernie weiß alles über mich, Ich verbringe mehr Zeit mit ihm als mit meiner Frau", sagt Cavendish.

"Auf der Straße ist er mein Hirn, meine Gedanken. Was Bernie sagt, das stimmt", sagt Cavendish, "er ist mein Babysitter." Das gilt auf jeden Fall auf der Straße, wo Eisel Wind und Gegner und eigene Chancen abwägt. Ohne Fahrrad kriegen sich die beiden aber durchaus in die Haare. "Dann ist der Rest des Teams immer schwer verunsichert", sagt Eisel. Darüber hauen sich die beiden vor Lachen ab. Auch Humor, trocken und schwarz hält sie zusammen. Dass es so lange schon gut geht mit den beiden, dass sie immer das Zimmer teilen, hat für Eisel einen Grund. "Wir können uns perfekt ignorieren", sagt Eisel. Und Cavendish pflichtet schnell bei: "Würden wir das nicht können, wäre Bernie nicht auszuhalten." - "Und du etwa schon oder", fragt Eisel schnippisch zurück. Cavendish sagt nichts mehr. Er lächelt - so entwaffnend wie das kleine Buben tun, die bei einem Blödsinn ertappt werden.

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