Im Urin von Chris Froome wurde im September ein unerlaubt hoher Wert des Asthma-Mittels Salbutamol nachgewiesen. Dopte der Radrofi? Oder verkalkulierte sich der 32-Jährige bei der Therapie?
Am 7. September war Froome auf dem Weg zu seinem ersten Vuelta-Sieg wie jeden Tag vorher als Träger des Roten Trikots getestet worden. An diesem Tag wies der Urin des Briten mit 2000 Nanogramm der Substanz das Doppelte der erlaubten Menge auf. Der von der internationalen Dopingagentur Wada festgelegte Grenzwert liegt bei 1000 Nanogramm pro Milliliter.
Am Tag zurvor hatte der Brite auf einer schweren Bergetappe eindreiviertel Minuten auf den Tagessiege Sander Armée aus Belgien. Auch der Rückstand auf seine direkten Konkurrenten um die Gesamtwertung; Vincenzo Nibali und Alberto Contador, was etwa so groß. Nun twitterte der ehemaligen Profi Michael Rasmussen, selbst als Führender der Tour de France 2007 des Dopings überführt, dass man sich bei Froomes Team Sky wohl deshalb für "eine kleine Extra-Dosis Salbutamol" entschieden habe.
Starts bei Giro und Tour in Gefahr?
Froome wurde den Regeln der Welt-Antidopingagentur WADA gemäß zwar nicht automatisch suspendiert, Sanktionen gegen den vierfachen Tour-de-France-Gewinner von Team britischen Sky sind nach Abschluss der UCI-Ermittlungen aber dennoch möglich. Möglicherweise drohen Froome die Aberkennung des Vuelta-Sieges und eine Sperre, die seine angekündigten Starts beim Giro d'Italia (ab 4. Mai 2018) oder bei der Tour de France (ab 7. Juli 2018) gefährden könnte. Der Weltverband UCI wollte sich zum laufenden Verfahren nicht weiter äußern.
Zwei Sperre in vergleichtbaren Fällen
In einem vergleichbaren Fall war der ehemalige italienische Sprintstar Alessandro Petacchi 2008 aus dem damaligen Milram-Team für ein Jahr gesperrt worden. Er hatte eine Ausnahmegenehmigung vorgelegt, die ihm die Einnahme dieser Substanz bis zu einem bestimmten Grenzwert gestattet, Den Wert aber überschritt er. Sein Landsmann Diego Ulissi war 2014 mit 1920 ng/ml Salbutamol für neun Monate aus dem Verkehr gezogen worden.
Froome hat Asthma
"Es ist bekannt, dass ich Asthma habe, und ich weiß genau, wie die Regeln lauten. Ich benutze einen Inhalator, um meine Symptome zu behandeln, und ich weiß, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Trikot des Führenden trage", wurde er in einer Sky-Mitteilung zitiert. Sein Asthma sei bei der Vuelta schlimmer geworden, "also folgte ich dem Rat des Mannschaftsarztes, meine Salbutamol-Dosierung zu erhöhen", erläuterte Froome weiter. "Wie immer habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass ich nicht mehr als die zulässige Dosis verwendet habe." Die UCI habe völlig Recht, "wenn sie die Testergebnisse prüft, und ich werde zusammen mit dem Team alle Informationen, die sie benötigt, zur Verfügung stellen." Der Notwendigkeit eben an diesem Tag zu einem Asthma-Mittel zu greifen widersprach der Italiener Vincezo Nibali, Froomes härtester Konkurrent bei der Vuelta: Auch er selbst leide unter Asthma wegen des Regens an jenem Tag habe aber keinerlei Notwendigkeit bestanden, zu einem Mittel zu greifen, denn das "verursachen die Pollen keine Probleme". Die Nachricht vom positiven Befund Froomes sei "eine schreckliche Nachricht für den Sport" und auch ihn selbst, sagt Nibali, der bei der Vuelta Zweiter geworden war. "Wenn sein Fall als positiver bestätigt wird, kann mir niemand die Emotionen zurückgeben, die ich durch den Vuelta-Sieg und den Schritt auf die höchste Stufe des Podiums in Madrid gehabt hätte."
Befund noch kein Beweis für Regelverstoß
Froome wurde bereits am 20. September über die auffällige Probe informiert, die B-Probe hat den ersten Befund bestätigt. Der positive Befund bedeute nicht, dass Regeln gebrochen worden seien, stellte sein Team Sky am Mittwoch klar. Der 32-jährige Rundfahrten-Dominator der vergangenen Jahre muss sich aber erklären, warum der bei 1000 Nanogramm pro Milliliter liegende Grenzwert in seiner Probe nach der 18. Etappe der Vuelta das Doppelte betragen habe.
Art der Anwendung klären
Schwierig wird die Sache auch, weil es durchaus von der Art der Anwendung der Arzneimittel abhängt, dass sie als illegales Doping gelten. Manche Präparate dürfen als Spray genommen werden, nicht aber in Tablettenform. Teamchef Dave Brailsford erklärte, es gebe "komplexe medizinische und physiologische Probleme, die den Stoffwechsel und die Ausscheidung von Salbutamol beeinflussen". Der Rennstall habe sich verpflichtet, die Fakten zu ermitteln "und genau zu verstehen, was bei dieser Gelegenheit passiert ist".
Team Sky unter Verdacht
Das britische Team Sky ist seit längerer Zeit Vorwürfen ausgesetzt. Die Dominanz der britischen Mannschaft vor allem bei großen Rundfahrten wie der Tour de France oder der Vuelta gaben immer wieder Anlass zu Spekulationen über den Einsatz unerlaubter Mittel. Vor der heurigen Tour de France hatte sich auch der ehemalige Tour-Sieger und Eurosport-Experte Greg LeMond besorgt gezeigt: "Ich finde, dass die Transparenz fehlt und es eine Unwillen gibt, wichtige Daten offenzulegen", sagt LeMond. Er sei "sehr skeptisch". Sky-Teamchef David Brailsford wies die Gerüchte immer scharf zurück.
Wiggins-Untersuchung eingestelllt
Vor allem der einstige Sky-Star Bradley Wiggins war ins Kreuzfeuer geraten. Die Untersuchungen gegen ihn wurden aber kürzlich eingestellt. Die britische Agentur (UKAD) beendet ihre Ermittlungen gegen das Team, Wiggins und den britischen Radverband mangels Beweisen. Es wird also kein Verfahren eingeleitet.
Es ging dabei um ein Päckchen, das im Vorfeld der Tour de France 2011 beim Dauphine-Criterium an Wiggins geschickt worden war. Am Tag des Zeitfahrens, bei dem Wiggins das Gelbe Trikot übernahm, wurde in Manchester, dem gemeinsamen Hauptquartier von Sky und dem britischen Radsportverband, ein Kurier bestellt, um ein Medikament für Wiggins abzuholen. Es war nicht möglich den Inhalt dieses Päckchens zu eruieren. "Unsere Ermittlungen wurden durch das Fehlen medizinischer Aufzeichnungen beim britischen Verband behindert. Das sind ernste Bedenken", sagte UKAD-Chefin Nicole Snapstead. Laut Team-Manager Dave Brailsford hab das Päckchen das legale Medikament Fluimucil enthalten. Dieses Mittel wäre jedoch auch in Frankreich erhältlich gewesen. Das Präparat dient zur Schleimlösung.
Kortison und Schmerzmittel
Bei den Untersuchungen in London hatte sich auch herausgestellt, dass bei Sky auch das Schmerzmittels Tramadol und Kortison-haltige Präparate wie Triamcinolon im Umlauf gewesen seien. Teamarzt Freeman berief sich bei Fragen nach der Art der Verabreichung auf seine ärztliche Schweigepflicht, sagte im Juli Damian Collins, der Vorsitzende der Untersuchungskommission. Triamcinolon, ein Kortison-Präparat, wurde Wiggins mittels therapeutischer Ausnahmegenehmigungen verabreicht, und zwar kurz vor der Tour de France der Jahre 2011 und 2012 sowie vor dem Giro d'Italia 2013. Dafür gab es Ausnahmegenehmigungen. Das gleich galt für Chris Froome für den Mai 2013.