Für die einzelnen ÖSV-Teams geht es in dieser Woche ab in den Winter: Auch die Abfahrer fliegen zu Wochenmitte nach La Parva und Valle Nevado (Chile) zum Training. Nach der letzten Ski-WM 2023 in Courchevel erklärte Cheftrainer Marko Pfeifer die Abfahrt zur Problemzone und rief das Projekt "WM 2025" aus - bis zur Heim-WM sollte der ÖSV eine schlagkräftige Mannschaft haben. Fünf Monate vor WM-Beginn hakten wir bei ÖSV-Abfahrts-Coach Sepp Brunner diesbezüglich nach.
Wie erfolgreich läuft denn das Projekt "WM 2025"? Brunner: Ich glaube, dass ist längst kein "Projekt 2025" mehr, das ist ein Zukunftsprojekt, vielleicht sogar für die nächste Generation...
Das klingt jetzt aber nicht gerade euphorisch... Dazu gibt es auch keinen Anlass. Als ich vor sieben Jahren zum ÖSV gekommen bin, da habe ich zu Hans Pum (damals Sportdirektor, Anm. d. Red.) gesagt: Hans, wir müssen aufpassen, wir kriegen da ein Riesenproblem in der Abfahrt. Genau da sind wir jetzt.
Wie meinen Sie das? Nur ein Beispiel: Bei den österreichischen Abfahrts-Meisterschaften waren heuer 35 Läufer am Start, in der Schweiz 105. Das sagt alles. Und aus dem Nachwuchs habe ich dabei genau zwei Burschen gesehen, mit denen man für die Zukunft planen kann, wir bräuchten aber sechs, sieben solche Läufer pro Jahr.
Das klingt bedrohlich - woher kommt dieser Absturz? Da gibt es nicht diesen einen singulären Grund, der alles erklärt. Zunächst hängt es mit dem Training auf den Gletschern zusammen. Die Gletscher geben uns mittlerweile das komplette Programm vor - und da ist im Sommer kaum mehr etwas möglich. Daher ist ein Training in Südamerika unausweichlich. Das ist jedoch mit enormen Kosten verbunden, eigentlich nur für die Weltcup-Gruppen machbar. Dann gibt es bei uns kaum mehr Abfahrten - wenige im Europacup, so gut wie gar keine mehr im FIS-Bereich. Klar, eine Anfahrt ist aufwändig, teuer und hat hohe Sicherheitsstandards. Aber dann fragt sich ein junger Läufer irgendwann: Warum soll ich noch Abfahrt trainieren, wenn ich dann keine Rennen fahren kann?
Dabei loben einander ÖSV und Ski-Gebiete stets für die tolle Kooperation. Alles falsch? Wir haben eine gute Kooperation mit den Skigebieten und den Bergbahnen, aber so viel Realist muss man auch sein, dass man fragt: Wovon leben die denn? Vom ÖSV oder den zahlenden Gästen? Wir sind froh um jedes Training, aber wir müssen uns eben hinten anstellen.
Selbst die Schweiz hat das unser einst hoch gelobtes System mit Ski-Schwerpunktschulen übernommen. Ist das in die Jahre gekommen? Ach was, die Schweiz ist schon lange wieder weg von diesem System. Die trainieren in regionalen Zentren, in Camps für U12, U14, U16. Unser Schulsystem hat sich dagegen über all die Jahre nicht geändert. Wir müssen da viel flexibler werden. Im April und Mai, wenn es eigentlich die besten Möglichkeiten zum Training gibt, sitzen unsere Burschen und Mädels in der Schule. Das System war jahrelang ein Erfolgsmodell, aber heute kriegen selbst Schladming und Stams ihre Klassen nicht mehr voll.
Ihnen hat man im letzten Winter eine gewisse Amtsmüdigkeit nachgesagt - war die tatsächlich vorhanden oder von Kritikern ersehnt? Nach so vielen Jahren ist es immer wieder gut, wenn man sich nach der Saison zusammen setzt und fragt, ob man gemeinsam noch etwas erreichen kann und will. Den Eindruck habe ich da schon gewonnen und daher mache ich sehr gerne auch weiter. Immerhin steht ja die Heim-WM an.
Die umstrittenen Matterhorn-Abfahrten in Zermatt sind endgültig vom Tisch. Wie zufrieden sind Sie nun mit dem Weltcup-Kalender? Zunächst einmal: Die Abfahrten in Zermatt sind nur ausgesetzt, nicht vom Tisch. Ich habe auch nichts gegen die Abfahrten dort, nur etwas gegen den Termin Anfang November. Da brauchen wir Trainingskilometer in Copper Mountain (USA) und das bei stabilen Bedingungen. Zermatt kann man gerne zu einem anderen Zeitpunkt einschieben. Dass Lake Louise neuerlich fehlt, ist schade. Generell ist es gut, dass man auch die Wünsche der Läufer gehört hat.
Einmal noch zur WM 2025: Was wird bei der Herren-Abfahrt am 9. Februar passieren? Wir werden vier Läufer am Start haben und wir werden mit Sicherheit um die Medaillen mitfahren. Saalbach ist unsere WM.
Mit Marco Schwarz nach seinem Kreuzbandriss? Das hoffe ich und davon gehe ich aus.
