Vor ziemlich genau vier Jahren stand Lisa Hauser bei einer WM sprachlos und weinend im Zielraum. Die Titelkämpfe im heimischen Hochfilzen waren damals zum totalen Desaster für die beste österreichische Biathletin geworden. Nach einem 61. Platz im Einzel hätte sie sich am liebsten im Schnee eingegraben.
Dieselbe Lisa Hauser strahlte am Sonntag im slowenischen Pokljuka mit der Sonne um die Wette. Sprachlos und mit Tränen in den Augen, aber diesmal vor Freude: Als Weltmeisterin im Massenstart ist die 27-jährige Tirolerin aus Reith bei Kitzbühel am Gipfel der sportlichen Glückseligkeit angekommen. Nach Silber mit der Mixed-Staffel und in der Verfolgung sowie der ebenfalls in Pokljuka fixierten kleinen Weltcupkugel im Einzel hat sie reichlich Extragepäck mit nach Hause zu nehmen.
Es war historisches Gold: das erste für Österreichs Frauen-Biathlonsport, der vor zehn Jahren praktisch noch inexistent war.
"Ich kann es jetzt noch gar nicht glauben", sagte Hauser. "Es ist einfach irrsinnig, was da heute passiert ist. Ich versuche einfach, das jetzt bestmöglich zu genießen." So wie der WM-Schlussbewerb lief, so stellt sich eine Biathletin einen WM-Lauf im Traum vor: Vier fehlerfreie Schießeinheiten hinlegen, mit viel Vorsprung und der Gewissheit des Sieges auf die letzte Runde gehen, sich feiern lassen und weit vor allen anderen jubelnd über die Ziellinie laufen. "Auf der Schlussrunde hatte ich dann auch schon einen Grinser im Gesicht", sagte Hauser, die sich nun nach erfolgreichen und anstrengenden Tagen auf ihre Familie daheim freut.
Zuvor jubelte ihre zweite Familie am Streckenrand mit der strahlenden Siegerin. Neben den Trainern um Markus Fischer und Gerald Hönig, die einer guten Biathletin den Schub hin zur Weltklasse verpasst haben, freuten sich Sandra Flunger und Alfred Eder. Ihre Entdeckerin und ihr früherer Trainer haben mit Hauser auch die harten Zeiten durchlebt. Die gemeinsame Rebellentruppe der "Biathlonschmiede" musste gegen viele Widerstände kämpfen.
Und beinahe hätten die Rebellen von einst am Sonntag noch einmal gejubelt: Simon Eder verpasste Edelmetall mit einem Fehler beim letzten Schießen. Die Freude über Hausers Triumph überwog bei Eder: "Ich glaube, an so einem historischen Tag wie heute können wir diesen vierten Platz gut verschmerzen."
Hauser schoss beim letzten WM-Bewerb in Pokljuka souverän und fehlerfrei. Nach dem letzten Schießen distanzierte sie ihre Konkurrentinnen und ließ keinen Zweifel mehr an ihrem Triumph aufkommen. Sie hatte im Ziel 21,7 Sekunden Vorsprung auf Ingrid Landmark Tandrevold und 23,0 auf Tiril Eckhoff (beide NOR). Keine andere Teilnehmerin außer Hauser blieb fehlerfrei. Sie war im Massenstart der 30 besten Biathletinnen die einzige österreichische Teilnehmerin.
Durchbruch in dieser Saison
Lisa Hauser hat erst in diesem Winter mit 27 Jahren den Durchbruch vom ewigen Talent zur absoluten Weltklassebiathletin geschafft. Die frühere Junioren-Vizeweltmeisterin hat bereits vor einigen Jahren Top-5-Plätze im Weltcup erreicht, dann war ihre Entwicklung aber ins Stocken geraten. Teaminterne Konflikte und kuriose Pannen wie "Crossfire"-Einlagen (Schießen auf die falschen Scheiben) prägten ihren Weg mit. Zeitweise trainierte sie in der externen Trainingsgruppe "Biathlonschmiede" mit Alfred Eder und Sandra Flunger. Erst in dieser Saison ist sie ins Frauenteam zurückgekehrt, noch im vorigen Winter hatte sie mit den ÖSV-Männern trainiert. Die Installation der deutschen Trainer Markus Fischer und Gerald Hönig war das letzte Mosaiksteinchen zum Durchbruch.
Mit dem ersten Stockerlplatz im Jänner in Oberhof war der Bann gebrochen. Es folgten drei weitere dritte Plätze und im Einzel von Antholz der längst überfällige erste Sieg. Das Mitglied des ruhmreichen Kitzbüheler Skiclubs konservierte die Form bis zur WM, wo sie gleich zum Auftakt gemeinsam mit Dunja Zdouc, David Komatz und Simon Eder Silber in der Mixed-Staffel holte. Wenige Tage später folgte Verfolgungs-Silber. Viele Freudentränen flossen, die Erinnerung an die überwundenen Hürden und an die vielen Konflikte bis zum Triumph kam hoch.
Basis wurde im Skigymnasium Saalfelden gelegt
Erst ein Mal hatte eine Österreicherin zuvor eine WM-Medaille gewonnen. Bei den allerersten Titelkämpfen für Frauen 1984 in Chamonix war die Vorarlbergerin Andrea Grossegger, die heute in Saalfelden lebt, zu Bronze gelaufen. Danach war die Frauen-Biathlonsparte in Österreich jahrelang vernachlässigt worden. Die aktuelle Weltcup-Mannschaft um Hauser, Zdouc und Co. ist so etwas wie die weibliche Pioniertruppe und wurde durchwegs im Skigymnasium Saalfelden von Trainerin Sandra Flunger aufgebaut. Die Saalfeldnerin arbeitet mittlerweile für den Schweizer Verband, ist aber an der Loipe nach wie vor eine Ansprechperson für Lisa Hauser.