Jedermanns Prüfer

Titelbild Buch Jedermanns Prüfer

Buchtipp Jedermanns Prüfer

Autor: Hans Kollmann
Verlag: Böhlau Verlag Wien
Erscheinungsjahr: 2020
ISBN 978-3-205-21059-7

Verlagstext

Die Salzburger Festspiele erregten schon wenige Jahre nach ihrer Gründung 1920 das Interesse des Rechnungshofes in Wien. So empfahl er 1934, die Festspiele aufgrund der angespannten politischen und wirtschaftlichen Situation ausfallen zu lassen oder zu verkürzen.

Von 1935 bis 2011 überprüfte der Rechnungshof die Salzburger Festspiele 13 Mal, so häufig wie keine andere Einrichtung im Kunst- und Kulturbereich. Zumeist erhielt er dafür einen Auftrag aus Salzburg (z.B. des Salzburger Landtages), und zumeist sickerte der zunächst vertrauliche Bericht an die Medien durch. Häufig kam es zu einer emotionalen und konfrontativen öffentlichen Debatte des Rechnungshof-Berichts.

Hans Kollmann beschreibt rund um die jeweilige Prüfung der Festspiele deren politisches und organisatorisches Umfeld, bringt eine Kurzfassung der Inhalte der Prüfung und geht ausführlich auf die öffentliche Debatte und die Reaktion der Festspiele ein.

Dieses Buch gewährt erstmals Einblick in den bedeutenden und bislang nicht publizierten Aktenbestand des Rechnungshofes über die Salzburger Festspiele. Das Buch bietet daher zahlreiche neue Informationen zur Organisationsgeschichte der Salzburger Festspiele.

Buchvorstellung in den Salzburger Nachrichten

Prüfer plagen die Salzburger Festspiele

Keine andere Kulturinstitution hegt so heftige Kontroversen mit dem Rechnungshof. Aber der Schein des Streits trügt.

Bundesrechnungshof und Salzburger Festspiele verbindet eine stete Kontroverse. Dies begann in den 1930er-Jahren: So schlug der Rechnungshof im Dezember 1933 dem Finanzministerium vor, "auf ein Entfallen der nächstjährigen Salzburger Festspiele hinzuwirken" oder diese nur "in kleinerem Umfang" zuzulassen. 1935 wird im ersten Prüfbericht empfohlen, jegliche Subvention zu streichen, denn "bei Durchführung entsprechender Sparmaßnahmen" sollte es gelingen, "die Salzburger Festspiele auf Selbsterhaltung zu bringen".

Dies waren existenzbedrohende Attacken. Und dies habe "zu einer möglicherweise bis heute andauernden Verstörung" geführt, stellt Hans Kollmann fest. Er ist seit 2009 Prüfer in der Fachabteilung Kunst, Kultur und Medien im Rechnungshof und hat in seiner Freizeit das Archiv dieser Prüfinstitution nach Akten über die Salzburger Festspiele durchforstet. Was er gefunden und in politischen Kontext gestellt hat, wird am Mittwoch, den 27. August 2020 als Buch präsentiert.

Eine dauernde "atmosphärische Störung" ziehe sich "wie ein roter Faden" bis in die Gegenwart; und Kontroversen in dieser Heftigkeit gebe es mit keiner anderen Kulturinstitution, stellt Hans Kollmann im Salzburger Nachrichten-Gespräch fest. Im Juni 2011 sagte Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler zu jüngsten Prüfergebnissen: Einige Details seien "falsch", "böswillig" oder "rufschädigend". Darauf konterte Rechnungshofpräsident Josef Moser: Der Rechnungshof stelle nur fest, was er belegen könne.

Woher rührt der ewige Streit? Er vermute, "große Organisationen haben ein Elefantengedächtnis", sagt Hans Kollmann. Daher sei denkbar, dass dies eine bis in die 1930er-Jahre zurückreichende "tradierte Störung" sei.

In den 1930er-Jahren stand Österreich unter Kuratel des Völkerbundes, der die junge Republik mit Anleihen vor dem Bankrott rettete. Der nach Wien entsandte Völkerbund-Kommissar habe eine repressive Budgetpolitik erzwungen und über den Rechnungshof das Finanzministerium unter Druck gesetzt, berichtet Hans Kollmann. Daher seien oft die Wogen hochgegangen, immer wieder habe der Bundeskanzler ein Machtwort sprechen müssen. Erst Engelbert Dollfuß und dann Kurt Schuschnigg (beide Christlichsozial) sprachen sich stets für die Salzburger Festspiele aus. Von Engelbert Dollfuß ist sogar das Zitat aus 1934 überliefert: "Ein Nichtabhalten der Festspiele wäre gleichbedeutend mit dem Niederholen der österreichischen Fahne. Halten Sie die Fahne hoch!" Und Dollfuß habe als Erster die Bedeutung der Salzburger Festspiele für Österreich erkannt, "dass sie nicht nur Salzburger Angelegenheit sind", sagt Hans Kollmann. Damit habe er Österreich von dem unter NS-Herrschaft stehenden Deutschland abgrenzen wollen.

Weitere Schützenhilfe für die Salzburger Festspiele kam vom Landeshauptmann Franz Rehrl (Christlichsozial). Über diesen zog Finanzminister Ludwig Draxler (Heimwehr) im Jänner 1936 in einer Ministerratssitzung her: Rehrl vertrete einen lächerlichen Rechtsstandpunkt, wolle offenbar die Bundesregierung tyrannisieren und habe einen Brief geschrieben, der "das Unglaublichste darstellt, was ich jemals gesehen habe". Dem widersetzte sich der festspielfreundliche Beamte des Unterrichtsministeriums und spätere Minister Hans Pernter der gleich auch dem Rechnungshof jegliche Kompetenz in "Theaterdingen" absprach.

Angestachelt wurde die Kontroverse der 1930er-Jahre durch einen Skandal der Bundesbahnen. Diese hatten einen Geheimfonds von rund 816.000 Schilling angelegt, aus dem - neben Renumerationen für den eigenen Vorstand und Rennpreisen für den Jockey-Klub - das Unterrichtsministerium 40.000 Schilling für die Salzburger Festspiele bekam. Das Platzen des Skandals habe sogar Ende 1930 die Bundesregierung zum Rücktritt genötigt, berichtet Hans Kollmann.

Flankiert wurde der Streit von Salzburger Festspielen und Rechnungshof seit je von der Spannung zwischen Wien und Salzburg. Auch darin hat Hans Kollmann eine Konstante entdeckt: Während die Behörden in Wien meist uneinheitlich und oft in verfahrenen Konstellationen agierten, "hat die Stärke der Salzburger Festspiele seit je darin bestanden, dass sie alle Salzburger Vertreter hinter sich vereinen konnten, insbesondere jene der Politik".

Auch leidige Themen ziehen sich durch alle Prüfungen, die sich in dreizehn Berichten niedergeschlagen haben: Die häufigste Kritik betrifft die Zahl der Freikarten und die Höhe der Künstlergagen. Ab den 1970er-Jahren seien etwa Bezüge berühmter Regisseure ein Thema - für Giorgio Strehler, Peter Stein oder Jean-Pierre Ponnelle. Weiteres Dauerthema sind die Honorare der Wiener Philharmoniker, die in der Hälfte der Berichte als viel zu hoch kritisiert werden.

Hat der Rechnungshof je die hohen Eintrittspreise kritisiert? "Nicht dass ich wüsste", erwidert Hans Kollmann. Nur in einem Bericht, jenem von 1958, werde festgestellt, dass die Preise den Zenit erreicht haben dürften. Im Sinne der Sparsamkeit, also mit dem Ziel, die Subventionen gering zu halten, seien stets zwei Hebel bedient worden: Freikarten und Künstlergagen.

Wurde vom Rechnungshof je ein anderer Zweck in Augenschein genommen, als den Subventionsbedarf zu senken? Laut Festspielfonds-Gesetz bestehe der Zweck der Salzburger Festspiele nur darin, kulturelle Veranstaltungen abzuhalten, sagt Hans Kollmann. Folglich sei die Zweckmäßigkeit (neben Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit) die schwächste der Prüfmöglichkeiten, da man sie nicht mit Zahlen unterlegen könne.

Wie viele Empfehlungen des Rechnungshofs wurden umgesetzt? "Zahllose!" Hans Kollmann nennt "Kleinigkeiten" wie Pachtzins fürs Pausenbuffet und den Rat, "im Kartenbüro einen Tresor einzubauen", bis hin zur Modernisierung von Buchhaltung und Jahresabschluss. Dass der Rechnungshof im Bericht von 2012 die Umstellung auf Doppelte Buchhaltung empfohlen habe, sei derweil umgesetzt. Während die Salzburger Festspiele in der Öffentlichkeit seit je eine "unglaubliche Beratungsresistenz" zeigten, hätten sie über die Jahre etwa 75 Prozent der Empfehlungen befolgt. "Nach innen wird viel umgesetzt."

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Quellen