Eine neue Jeans. Schwarz soll sie sein, wie die mit dem abgewetztem Hosenboden, die nun der Altkleidersack zerknüllt. Am bequemsten soll Online-Shopping sein - doch die Suche ergibt 1400 Treffer, die Verzweiflung steigt. "Curated Shopping" soll der Ausweg aus dieser Misere sein. "Die riesige Auswahl im Online-Shopping überfordert Kunden an vielen Stellen. Es ist anstrengend", sagt Julia Bösch (31), die sich 2013 mit "Outfittery" selbstständig gemacht hat. "Outfittery" bietet ihr Service bisher nur Männern an. Stylisten übernehmen kostenlos die Auswahl und schicken ihren Kunden Pakete zu. Sie behalten, was ihnen gefällt.
Doch sind die Stylisten wirklich besser, als man selbst? Seit Juli bietet auch der größte Online-Modehändler Zalando "Curated Shopping" an, das Service "Zalon" ist kostenlos. Auf "Zalon" können sich auch Frauen von Stylisten beraten lassen. Zuerst klickt sich die Kundin durch verschiedene Styles. Lange Mäntel, Hosen die nur bis zum Knöchel reichen, Schlabber-Look oder elegantes Business-Kostüm - mit "Ja" oder "Nein" gibt sie ihren Geschmack preis. Sie wählt zudem Farben und Marken aus sowie Kleidungsstücke die sie niemals tragen würde. Leggins oder Animal-Print zum Beispiel. Ein Schritt weiter gibt die Kundin ihre Größe und Preisgrenzen an. Zwei Minuten dauert es, bis man zur Maske mit den Stylisten kommt. Da wird es schwierig. Welche Stylistin hat den besten Stil? Unter dem Profilfoto ist jeweils eine Pinterest-Seite verlinkt, auf der die Stylistin ihre liebsten Kleidungsstücke gesammelt hat. Die Entscheidung ist getroffen. Nun heißt es warten auf den Telefontermin.
"Männer kaufen effizienter ein""Modomoto" ist der größte Konkurrent von "Outfittery". Beide Unternehmen haben nach eigenen Angaben jeweils 200.000 Männer als Kunden. Die zwei Firmen geben an, dass ihre Kunden im Durchschnitt drei Mal pro Jahr etwas bestellen. Ein Paket von "Modomoto" enthält meist Kleidungsstücke im Wert von 800 bis 1000 Euro. Wie viel ein durchschnittliches Paket von "Outfittery" kostet, kann Chefin Julia Bösch nicht sagen. Doch der durchschnittliche Mann bezahlt 250 Euro pro Bestellung. Noch etwas ist interessant: Beide Unternehmen wurden 2013 gegründet. Wie kann es sein, dass zwei Firmen mit derselben Idee quasi gleichzeitig auf den Markt kamen? "Die Zeit war reif dafür, das sich Modeunternehmen auch einmal nach den Männern orientieren", sagt Julia Bösch. Bisher sei Shopping stark auf Frauen ausgerichtet gewesen. "Frauen probieren gerne, sie sehen sich viele Kleider an, bevor sie eines kaufen." Männer seien da effizienter. Schnell und praktisch soll es sein. "Männer schätzen das Rundum-Sorglos-Service, bei dem sie sich über ihr Styling keine Gedanken machen müssen und sich den wirklich wichtigen Dingen in ihrem Leben zuwenden können", heißt es aus der "Modomoto"-Pressestelle.
Wie soll die Jeans geschnitten sein?Pünktlich um 18 Uhr klingelt das Smartphone. Eine freundliche Stimme stellt sich als Stylistin von "Zalon" vor. Sie fragt nach dem Anlass der Bestellung, wofür die Kundin die schwarze Jeans braucht: Business, also für die Arbeit. Die Stylistin erkundigt sich nach der Körpergröße und danach, wie die Jeans geschnitten sein soll. Das Gespräch plätschert dahin, es dreht sich schließlich um Schuhe, T-Shirts und Kleider. Einen Rock bitte nicht, in dem Fach quillt der Kleiderschrank schon über. 20 Minuten später legt die Kundin auf, sie fühlt sich verstanden. Das Paket soll der Postbote in ein paar Tagen vor die Haustüre tragen. Die Spannung steigt.
Shopping als KunstformFür Bernadette Kamleitner von der Wirtschaftsuniversität Wien ist es nur allzu logisch, dass sich die Kundin auf das Paket freut. "Sie wird als Individuum wahrgenommen, sie bekommt eine Lösung nur für sich", sagt die Konsumentenpsychologin. Zwar kaufe sie eine Jeans, die andere auch erstehen können. Doch die Kombination der Kleidungstücke mache den Look zu einem Unikat. Der Name des Trends spreche für sich: "Beim ,Curated Shopping' stellt ein Experte die Kleidung als eine Art Kunstform zusammen, wie ein Kurator im Museum", sagt Kamleitner. Die Beratung des Experten ist kostenlos und erspart Zeit. Das sei bequem, was dem zweiten Trend im E-Commerce entspricht: "Die Firmen wollen es den Kunden so einfach wie möglich machen", sagt Kamleitner.
Das Paket ist da. Es steht im Flur und schaut ziemlich groß aus. Die Verpackung reißt und gibt die Kleidungsstücke frei, die mit einem Seidenband zu unterschiedlichen Looks zusammengebunden sind. Die Stylistin hat auch einen kurzen Brief zur Erklärung beigelegt, warum sie die Stücke ausgewählt hat.
Die schwarze Jeans sitzt perfekt - ein Blick auf das Preisschild bezeugt, dass die angegebene Preisklasse eingehalten wurde. Das T-Shirt und der Blazer, den die Stylistin in das Paket gelegt hat, gefallen ebenfalls. Doch dann fällt der Blick auf das Kleid. Die Farbe: okay. Der Schnitt und der Aufdruck: grottenhässlich. Deshalb stopft die Kundin es wieder in das Paket, klebt es zu und schickt es kostenlos zu Zalando. Bei der nächsten Bestellung passt das Kleid sicher besser. Denn die Stylistin lernt.