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EU missbilligt Tiroler Lkw-Blockabfertigung

Die EU-Kommission hat die umstrittene Blockabfertigung für Lastwagen an der Grenze nach Österreich klar kritisiert. "Wir haben die Behörden in Österreich darüber informiert, dass wir die häufige Anwendung der Maßnahme missbilligen", so EU-Kommissarin Bulc. Durch die häufige und systematische Anwendung der Maßnahme werde der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt.

Brenner als Nadelöhr für den Warenverkehr
Brenner als Nadelöhr für den Warenverkehr

Italien und Deutschland hatten sich in einem gemeinsamen Schreiben an Bulc über die Blockabfertigung auf dem Brennerkorridor beschwert. "Unserer Ansicht nach kann die Maßnahme nur in schwerwiegenden und außergewöhnlichen Notfallsituationen ergriffen werden, um einen Stillstand auf der Autobahn in Tirol abzuwenden; würde sie in systematischer Weise immer dann angewendet, wenn die Behörden in Tirol ein höheres Verkehrsvolumen als üblich erwarten, so handelte es sich um ein unverhältnismäßiges Vorgehen", schreibt Bulc weiter. Dies scheine gegenwärtig der Fall zu sein.

Im Jahr 2018 sei die Maßnahme 26 Mal angewendet worden. Im Jahr 2019 solle sie dagegen an 32 Tagen und zusätzlich kurzfristig zu weiteren Terminen angewendet werden, wodurch die Häufigkeit ihrer Anwendung noch zunehme.

Bei der Blockabfertigung würden pro Stunde nur bestimmte Kontingente an Lastwagen über die Grenze gelassen. Dadurch will Österreich verhindern, dass es auf den Autobahnen zu Staus kommt. An den Grenzen bilden sich dafür aber auf deutscher Seite teils lange Staus.

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sieht in dem Brief von EU-Kommissarin Violeta Bulc keine Missbilligung der Lkw-Blockabfertigungen durch die EU - und will an der Maßnahme festhalten. "Die Europäische Kommission hat mehrfach und jetzt auch in ihrem Schreiben an Österreich die Rechtmäßigkeit der Blockabfertigungen als Notmaßnahme festgestellt", erklärte Platter gegenüber der APA.

Die Blockabfertigungen würden von Tirol "eben nur dann durchgeführt, wenn eine Gefährdung der Verkehrs- und Versorgungssicherheit gegeben ist", argumentierte der Landeshauptmann. "Sie finden nicht jeden Tag statt, sondern nur dann, wenn aufgrund unserer fundierten Verkehrsprognosen, exakten Daten und langjährigen Erfahrungswerte diese Verkehrs- und Versorgungssicherheit eben nicht mehr gewährleistet ist", argumentierte Platter.

Durch die bisherigen Blockabfertigungen habe sich ein "totaler Zusammenbruch des Verkehrs auf der Autobahn vermeiden lassen. Zudem haben wir stets flexibel auf die Verkehrsintensität reagiert und die Blockabfertigungen immer dann beendet, sobald die Verkehrsflüssigkeit gegeben war", betonte der Landeschef. Als Landesregierung habe man die Verkehrs- und Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten - und sei daher verpflichtet, an den Maßnahmen so lange festzuhalten, bis die Schwerverkehrsbelastung zurückgeht, erklärte Platter und verwies einmal mehr auf die drastische Steigerung des Lkw-Verkehrs über den Brenner, auch im ersten Halbjahr 2019.

Auch Verkehrsminister Andreas Reichhardt meldete sich am Dienstag erneut zum Tiroler Dauerthema zu Wort und nahm ebenfalls Bezug auf den Brief von Bulc. Darin werde deutlich, dass auch die Europäische Kommission großes Interesse an einer Lösung des Problems habe, so Reichhardt. "Zudem wird auch Verständnis für die Tiroler Bevölkerung gezeigt, wenngleich die Kommission auch rechtliche Bedenken anmeldet. Letztere werden in enger Absprache mit Landeshauptmann Platter eingehend geprüft und in einem Antwortschreiben des Ministers an die Kommissarin entsprechend kommentiert werden", kündigte der Verkehrsminister an. Bevor der letzte Schritt - der Gang zum EuGH - getan werde, müsse die Kommission sämtliche Akteure an den Verhandlungstisch bringen, um alle Varianten gemeinsam zu diskutieren, appellierte Reichhardt.

Im Verkehrsministerium würden aktuell bereits Maßnahmen, die im Kompetenzbereich des Bundes liegen, wie etwa die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, evaluiert und ausgearbeitet. Dafür brauche es allerdings die "Unterstützung der Kommission und den Willen der Nachbarländer".

Einmal mehr gestützt wurde die Argumentation des Landes Tirol zu den Blockabfertigungen indes vom Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer. Das derzeit in Kufstein angewendete Dosiersystem sei "im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH keine Verletzung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs und mit dem Unionsrecht vereinbar", sagte Obwexer gegenüber der APA. Die Kommission erkenne - in Übereinstimmung mit Tirol - an, dass ein Dosiersystem grundsätzlich erlaubt ist, hielt der Europarechtsexperte fest. Divergenzen gebe es lediglich hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung. Mit der "stets flexibel angewendeten Dosierung" werden gerade so viele Lkw durchgelassen, wie die Inntal- und die Brennerautobahn aufnehmen können, betonte Obwexer. Das Dosiersystem sei "verhältnismäßig ausgestaltet". "Sollte im Dosiersystem - abweichend von der vorstehenden Auffassung - dennoch eine (spürbare) Beschränkung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs gesehen werden, so ist diese durch wichtige Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt", meinte der Jurist weiters. Zu diesen Gründen würden die Straßenverkehrssicherheit (Flüssigkeit des Verkehrs, Möglichkeit von Auf- und Abfahrten) und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit einer der wichtigsten Nord-Südverbindungen im Alpenraum zählen.

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