Eine Stagflation beschreibt die Kombination aus einer wirtschaftlichen Stagnation und Inflation, einen wirtschaftlichen Stillstand bei gleichzeitigem Kaufkraftverlust. Neben einer angespannten fiskalischen Lage des Staates ergibt eine solche Situation Jobverluste und/oder Realeinkommensverluste bei Arbeitnehmern. Unternehmen leiden unter einer Gewinnerosion, halten sich bei Investitionen zurück und es entstehen weniger Innovationen.
"Was wir derzeit beobachten, ist keine Stabilisierung, sondern ein Stillstand unter verschärften Bedingungen", so IV-Chefökonom Christian Helmenstein. Er hob insbesondere hervor, dass nicht nur das gesamte IV-Konjunkturbarometer vom leicht positiven Bereich nun wieder ins Negative (minus 5,7 Punkte) absackte, sondern auch die Auftragsbestände. "Zu erwarten ist in den kommenden Monaten bestenfalls eine Stagnation, die Risiken bleiben aber klar abwärtsgerichtet." Beim Punkt Beschäftigung befinde sich das Barometer überhaupt auf "Rezessionsniveau": Nur jedes achte Unternehmen denkt derzeit eine Ausweitung an, jedes Dritte will weiter abbauen.
Neumayer will "über Realitäten reden"
In der Industrie und im Gewerbe seien seit 2023 37.000 Jobs verloren gegangen. "Im öffentlichen Bereich kamen aber 51.000 Jobs dazu", kritisierte Neumayer. Hier seien zwar auch begrüßenswerte staatliche Jobs wie im Sicherheitsbereich oder in der Pflege dabei, räumte Neumayer auf Nachfrage ein, "aber auch in der Verwaltung". "Die Staatsquote wächst weiter", machte er einmal mehr auf ein "strukturelles Problem" aufmerksam, unter dem in Österreich sowohl Menschen als auch Unternehmen litten. Seit Jahrzehnten lebe man hierzulande über den Verhältnissen. Endlich dürfe der Staat nur mehr ausgeben, was vorher verdient worden sei.
"Wir müssen über die Realitäten reden", forderte der IV-Generalsekretär. "Es braucht einen Staat, der effizient und stark ist, nicht einen, der immer größer wird." In der Industriestrategie, die es von der Bundesregierung über einen Stakeholderdialog noch heuer geben werde, dürften sich nicht nur Überschriften finden, sondern ein "Signal für (bürokratische) Entlastung". Verlorengegangenes Vertrauen müsse wieder hergestellt werden. Dafür brauche es nicht nur eine Schuldenbremse. Der Staat müsse insgesamt wie ein Unternehmen geführt werden, derzeit "frisst er Wohlstand auf. Es braucht einen Mindset-Wechsel in der Politik".
Vorbilder Italien und Schweden
Vorbild könnte neben Schweden auch Italien sein. Im skandinavischen Staat gebe es verbindliche Obergrenzen für Gesamtstaatsausgaben mit einer Planbarkeit über drei Jahre und jährlicher Fortschreibung. Das sei politisch verbindlich, aber nicht "verfassungsrechtlich starr" geregelt, so Neumayer. "Das brauchen wir, um Vertrauen von Menschen und Unternehmen wieder zu gewinnen." Dazu dürfe es "keine zusätzlichen Belastungen" geben. Auch in Italien habe man sich, so Helmenstein, über verschiedene politische Konstellationen hinaus über Jahre auf viele einzelne Schritte geeinigt, die nun greifen würden.
"Historische Zäsur": Höhere Joblosenquote in Österreich als Italien
Bezogen aufs südliche Nachbarland sprach der Ökonom auch noch eine "historische Zäsur" an, die sich "in diesen Wochen" abspiele: Während man es über Jahrzehnte gewohnt war, dass die Austro-Arbeitslosenquote unter dem EU-Schnitt liegt und die italienische darüber, so kehre sich das aktuell um. Der Europa-Durchschnitt bei der Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 5,9 Prozent - in Österreich "noch" bei 5,8 und in Italien "noch" bei 6,0 Prozent. "Die Italiener werden als Vorbild dienen können für einen disruptiven Kurswechsel bei uns im Land, um die Produktionsdynamik nach oben zu bringen und Wohlstand für alle Menschen in Österreich zu generieren", prophezeite Helmenstein.