Generell bemühe man sich bei Problemen und Missständen um eine direkte Lösung mit betroffenen Betrieben, betonten Landesgeschäftsführer Thomas Giner und Bernhard Höfler, zuständiger Sekretär und Vorstand der Arbeiterkammer Tirol: "Wir schreiben nicht gleich Drohbriefe, wir rufen an". Das gelinge auch oft, weil auch Betriebe ein Interesse daran hätten, dass bei ihnen rechtlich sauber gearbeitet werde. Dennoch gebe es bei rund 3.000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern in Tirol - darunter zwei Drittel Frauen - weit verbreitete Missstände auf Kosten der Arbeitnehmer. "Wir sind es leid zu sehen, wenn sich Arbeitskräfteüberlassungsbetriebe aus dem Aus-, aber auch aus dem Inland nicht an geltende Gesetze halten", begründete Höfler den nunmehrigen Weckruf für die Branche: "Der Bogen ist überspannt".
Die Problematik reiche dabei von Reutte bis nach Osttirol. "Corona war hier auch Brandbeschleuniger", so Höfler. Abrechnungen seien teilweise "jenseits von Gut und Böse". Es gebe Zeitarbeitsfirmen, bei denen die Entlohnung nicht den gültigen Vorgaben entspreche. Oft sei auch etwa die korrekte Abrechnung von Unterbringungskosten oder Diäten bei Arbeitnehmern, die mehr als 120 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt eingesetzt würden, ein Problem. Statt diese wie gesetzlich vorgesehen zu übernehmen, würden Arbeitgeber diese teilweise den Arbeitnehmern vom Lohn abziehen. Man habe dadurch schon Lohnzettel mit unter 1.000 Euro bei Vollzeitarbeit gesehen - und das bei einem eigentlich hohen Mindestlohn von über 2.000 Euro in der Branche. Außerdem seien Unterkünfte für Leiharbeiter mitunter indiskutabel ausgestattet.
Oft würden Probleme bei Firmen aus dem Ausland und fremdsprachigen Arbeitnehmern aufschlagen, berichteten die Gewerkschafter. Die Arbeitnehmer wüssten nicht über die rechtliche Lage Bescheid und würden sich aus - verständlicher - Angst vor Arbeitsplatzverlust nicht beschweren. Schließlich würden einige hierzulande trotz Missständen noch besser verdienen als in ihren Herkunftsländern. Die Gewerkschaft wolle jedoch bei allen Arbeitnehmern sicherstellen, dass diese fair und gleich bezahlt würden wie ihre Kollegen. "Wir stoßen aber auch oft auf eine Sprachbarriere", räumte Giner ein. "Leiharbeiter:innen verdienen die gleiche Behandlung wie Beschäftigte in Stammunternehmen und sind per Gesetz dahingehend abgesichert", betonte der Gewerkschafter.
Wie viele Betriebe das betreffe, wollten Höfler und Giner nicht konkretisieren: "Um den Arbeitgebern auch die Chance zu geben, mögliche Missstände zu beheben". Es seien jedenfalls viele Firmen betroffen. Generell betonten beide ihre starke Unterstützung für die Sozialpartnerschaft. Man wolle auch nicht gegen die Unternehmen arbeiten, vielmehr orte man auch bei den Betrieben selbst ein Interesse, dass in Sachen Leiharbeitern rechtliche Bestimmungen eingehalten würden. Immerhin brächten die "großen Errungenschaften" des Kollektivvertrags und des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes auch den Firmen einen großen Vorteil: Wettbewerbsgleichheit.
Die Gewerkschaft will nun in den kommenden drei Monaten Arbeitnehmer anschreiben und Unterlagen sammeln. Die Leiharbeitsfirmen und Betriebe selbst werden aufgefordert, sich zu melden und in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft eventuell bestehende Probleme zu lösen. Dabei mahnten die Gewerkschafter: "Der Kollektivvertrag gilt auch für Überlasser aus dem Ausland. Alle Kolleg:innen, die in Österreich arbeiten, haben selbstverständlich das Recht, nach österreichischen Regelungen gleich behandelt bzw. bezahlt zu werden." Außerdem hätten auch Betriebe, die Leiharbeiter anforderten, Sorge dafür zu tragen, dass bei ihnen rechtlich sauber gearbeitet werde - nicht nur die Leiharbeitsfirmen. "Leiharbeit muss richtig entlohnt werden und teurer sein, ansonsten wird sie nicht nur zunehmend zum Problem für Stammarbeiter:innen, sondern öffnet auch Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor", warnte Giner.