SN.AT / Wirtschaft / Österreich / Wirtschaft

Sagen Sie nicht Taxi zu Bolt aus Estland

Lange stand der Fahrtendienst Bolt im Schatten des US-Riesen Uber. Jetzt geben die Esten Gas. Graz ist neu im Programm - und bald ganz Österreich.

Bolt-Österreich-Manager Farhad Shikhaliyev vor einem Bolt-Taxi.
Bolt-Österreich-Manager Farhad Shikhaliyev vor einem Bolt-Taxi.

Bolt aus Estland bietet so wie der US-Mitbewerber Uber Taxifahrten, Carsharing und Elektroroller an. Österreich-Manager Farhad Shikhaliyev will den Dienst jetzt in alle Bundesländer bringen.

Seit 2017 ist Bolt in Österreich aktiv. Ihre Bilanz dazu? Farhad Shikhaliyev: Seit ich hier bin, seit Februar 2019, hat sich in der Personenbeförderung viel verändert. Die Verschmelzung der Mietwagen- und Taxibranche, die Covid-Beschränkung oder die Tarifänderungen - es gibt immer etwas Neues, das uns auf Trab hält. Auch der Zugang der Menschen zu Autos verändert sich langsam.

Inwiefern? Firmenwagen etwa waren früher unglaublich beliebt, aber mit der Zeit haben sie an Beliebtheit verloren. Wir bei Bolt wollen den Menschen möglichst viele Alternativen bieten. In Zukunft soll niemand gezwungen sein, ein Auto zu kaufen, um sich fortzubewegen. Jeder soll die Freiheit haben, das Verkehrsmittel zu nutzen, das er gerade braucht - öffentliche Verkehrsmittel, manchmal ein Taxi, manche Strecken kann man auch gut zu Fuß gehen. In manchen Ländern bieten wir auch Fahrräder oder Roller an.

Die Pandemie hat die Branche stark getroffen. Wie gut hat sich Bolt davon erholt? Langsam kehren wir zur Normalität zurück. Die Umsätze zeigen einen positiven Trend.

Wie viele Kunden befördert Bolt, wie viele Fahrer gibt es? Weltweit haben wir 150 Millionen Kunden in 45 Ländern und 3,5 Millionen Partner wie Fahrerinnen und Kuriere. Zu Österreich können wir leider keine Angaben machen. Bolt ist mit unterschiedlichen Angeboten in über 500 Städten weltweit verfügbar.

Sind die Fahrer bei Bolt angestellt oder selbstständig? In Österreich agiert Bolt ausschließlich als Vermittler und arbeitet mit Taxiunternehmen zusammen, die Fahrer beschäftigen und sich auf der Bolt-Plattform registrieren. Sie arbeiten oft auch mit anderen Plattformen zusammen und entscheiden selbst, über welchen Vermittler sie Fahrten annehmen.

Wie läuft es in Wien und Salzburg, wo Bolt aktiv ist? Gibt es Pläne für weitere Städte? Derzeit fahren wir in Wien, Salzburg, im Burgenland - und seit Donnerstag auch in Graz. Ziel ist es, in allen Bundesländern vertreten zu sein. Wir wollen Mobilität erschwinglicher, sicherer und nachhaltiger machen, auch in kleineren Städten, wie das Burgenland zeigt, wo wir in Eisenstadt, Parndorf, Rust, Podersdorf und Neusiedl fahren. In Salzburg sind wir seit März 2022, zuletzt gab es einen Aufschwung. Erst nutzten viele Touristen den Dienst, die Bolt schon kannten. Inzwischen nutzen auch immer mehr Einheimische Bolt.

Warum sollten sich Fahrgäste für Bolt entscheiden, wenn sie die Wahl haben? Bei uns wissen Fahrgäste im Voraus, was die Fahrt kosten wird. Die App ist einfach zu bedienen, man kann den Standort teilen und sehen, wann das Auto kommt. Wir haben Sicherheitsmaßnahmen wie einen Notfallknopf eingeführt, Fahrgäste können ihre Fahrten mit Freunden und Verwandten teilen. Beliebt ist auch die Haustier-Kategorie Bolt Pet. Weicht eine Fahrt vom Plan ab, werden Kunden und Fahrer alarmiert. Über die App können beide Kontakt miteinander aufnehmen.

Mit ähnlichen Funktionen wirbt auch der große Mitbewerber Uber. Wie unterscheidet sich Bolt von ihm? Wir vergleichen uns nicht. Der Wettbewerb ist dynamisch und hängt vom jeweiligen Markt und von den Verbrauchervorlieben ab. Anbieter haben unterschiedliche Stärken und Schwächen und passen sich lokalen Bedingungen an, um erfolgreich zu sein. Wir verstehen uns als ganzheitliche Mobilitätsplattform aus Europa.

Seit 2021 sind in Österreich Taxis und Mietwagen gleichgestellt. Das Gesetz, auch "Lex Uber" genannt, stieß auf viel Kritik. Ihre Einschätzung? Nach Zusammenlegen beider Branchen sind 70 Prozent der Mietwagenfahrer ausgeschieden. Vor allem, weil es zu wenige Prüfungstermine gab und Bußgelder verhängt wurden. Ergebnis war ein hoher Einnahmenverlust für die ganze Branche. Drei Jahre nach der Umstellung sehen wir, dass mehr Fahrer zurückkommen, aber nicht im Ausmaß wie früher. Das neue Gesetz verhindert die Flexibilität, Preise an Angebot und Nachfrage anzupassen wie in anderen Branchen.

Überall gibt es unterschiedliche Regeln. Wo fühlen Sie sich am wohlsten? Bolt passt sich an die Rahmenbedingungen an. Aber in vielen europäischen Ländern sind die Vorschriften für Taxis verbraucherfreundlicher und zeitgemäßer als in Österreich. In unserer Heimat Estland zum Beispiel ist die Regulierung einfacher. Sie erlaubt es, wettbewerbsfähige und niedrige Preise anzubieten, damit können auch Menschen mit weniger Einkommen Taxi fahren. Mehr Nachfrage erhöht das Einkommen der Fahrer.

Sie bieten hier weder E-Roller noch Essenszustellung an. Kommt das noch? Das hängt von mehreren Faktoren ab wie den gesetzlichen Bestimmungen. Leider hat Wien erst kürzlich den Markt für E-Scooter für neue Betreiber geschlossen. Aber wir halten immer die Augen offen, um das Geschäft auszubauen.

Was ist Ihre Zukunftsvision? Wir sind in Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien vertreten, speziell in Thailand. Jeder Markt hat andere Schwerpunkte. In Afrika sind Motorradtaxis sehr beliebt, während in Europa Scooter und Räder gefragt sind. Wir wollen unsere globale Präsenz ausbauen und das Produktangebot erweitern, um neuen Nutzerbedürfnissen gerecht zu werden. Geteilte Mobilität wie Carsharing oder Mikromobilität verringern die Abhängigkeit vom Auto, verringern Staus und Emissionen und schaffen eine menschenfreundlichere städtische Umgebung. Gemeinsam genutzte Motorroller und E-Bikes können bis zu zwölf Prozent der Autofahrten ersetzen.


Farhad Shikhaliyev:Nach einem WU-Studium war der aus Aserbaidschan gebürtige Shikhaliyev bei Raiffeisen (RBI) und dem Solaranbieter Heliovis tätig, 2019 kam er zu Bolt.

WIRTSCHAFT-NEWSLETTER

Abonnieren Sie jetzt kostenlos den Wirtschaft-Newsletter der "Salzburger Nachrichten".

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.