Der börsenotierte deutsche Batteriehersteller Varta, der mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, hat am Montag die Notbremse gegen die immer massivere Schuldenkrise gezogen. Am Vormittag teilte das Unternehmen mit, man habe beim Amtsgericht Stuttgart ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet. Das Gericht bestätigte den Eingang einer entsprechenden Anzeige.
Varta startet Restrukturierungsplan gegen Insolvenz
Bereits zuvor war die Aktie an der Frankfurter Börse um rund 80 Prozent eingebrochen und auf einen Tiefststand von 2,80 Euro gefallen. Schon am Sonntagabend hatte das Unternehmen aus Ellwangen in Baden-Württemberg angekündigt, kurzfristig einen Restrukturierungsplan nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz - abgekürzt StaRUG - auf den Weg zu bringen, um eine Insolvenz nachhaltig abwenden zu können. Dabei ist vorgesehen, dass Varta bestehende Altaktionäre aus dem Unternehmen drängt. Außerdem sollen Gläubiger auf einen Großteil ihres Geldes und ihrer Ansprüche verzichten.
Anlegerschützer prüfen rechtliche Schritte
Das treibt Anlegerschützer auf die Barrikaden. Sie prüfen rechtliche Möglichkeiten. Protest kommt auch vom österreichischen Interessenverband für Anleger (IVA). "Der schillernde Glücksritter Michael Tojner agiert hier zum Schaden der Streubesitzer und Kleinaktionäre", stellt IVA-Präsident Florian Beckermann fest. Ihnen drohe, "dass sie kompensationslos alles verlieren". Das sei vor allem für die Anleger "eine Katastrophe". Die rechtliche Grundlage dafür bietet das deutsche Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Dieses habe sich in letzter Zeit als Vehikel etabliert, die Aktien von Unternehmen unter diesem Regime "rasch loszuwerden", sagt Beckermann unter Verweis auf den deutschen Autozulieferer Leoni. Der hatte sich im Zuge seiner Sanierung ohne Entschädigung von 25.000 bis 30.000 Aktionären getrennt.
Varta startet Sanierungsverfahren für Zukunft
Varta-Aufsichtsratsvorsitzender Michael Tojner betonte, die Entscheidung für ein StaRUG-Sanierungsverfahren sei "die einzige Möglichkeit, dem Unternehmen eine positive Perspektive zu geben". Die Entscheidung sei keinem leichtgefallen, "gemeinsam mit dem Management wurden alle Alternativen abgewogen". Alle Gutachten seien zu diesem Schluss gekommen. "Diese Entscheidung ist mit harten Einschnitten verbunden. Auch ich verliere im Zuge der nun gestarteten Sanierung den gesamten Aktienwert", sagte Tojner.
Restrukturierungsmaßnahmen wurden angekündigt
Die Varta AG mit 4000 Beschäftigten ist schon länger schwer angeschlagen. Das vormals gut laufende Geschäft mit wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Knopfzellen - auch für damals boomende kabellose Kopfhörer - wurde wegen zurückhaltender Verbraucher und Konkurrenz aus Fernost zum Sorgenkind. Auch das Geschäft mit Wallboxen zum Speichern von Strom etwa zum Laden von E-Autos kam nicht in Fahrt. Am Montag fielen Varta-Papiere auf zeitweise unter 3 Euro. Der Börsenwert des Unternehmens lag damit bei noch rund 155 Mill. Euro. Mehr als die Hälfte der Aktien steht im Eigentum von Tojners Montana Tech Components.
Formal soll die Restrukturierung von Varta so vor sich gehen: Das Grundkapital der Gesellschaft wird auf null Euro herabgesetzt und direkt im Anschluss erfolgt eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss und mit der Ausgabe neuer Aktien. Das StaRUG soll demnach deshalb zur Anwendung kommen, weil es für eine solche Notmaßnahme die Möglichkeit vorsieht, dass die Aktionäre ohne Entschädigung ihre Beteiligungspapiere verlieren. Das Sanierungsgesetz StaRUG sieht vor, dass einzelne Aktionäre oder Gläubiger ihre Mitbestimmungsrechte verlieren, um ein operativ lebensfähiges Unternehmen nicht in seiner Existenz zu gefährden. In diesem Verfahren soll es auch einen Schuldenschnitt geben. Die Zustimmung der Gläubiger wäre aber an die Bedingung geknüpft, dass das Eigenkapital auf null gestellt wird.
Aktionäre stimmen Schuldenschnitt zu
Andernfalls wäre die Zustimmung von 75 Prozent des anwesenden Grundkapitals bei einer Aktionärsversammlung zu einer solchen Maßnahme erforderlich gewesen - womit aber laut Ansicht der Unternehmensleitung nicht zu rechnen gewesen wäre.
Als Reaktion auf den geplanten Schuldenschnitt stuften bereits am Montag Analysten, etwa der Institute DZ Bank und Warburg Research , den fairen Wert beziehungsweise das Kursziel für die Varta-Aktie bereits auf 0 Euro herunter - und nahmen damit den Schuldenschnitte bereits vorweg.
Varta verhandelt über Finanzmittel
Die benötigten Finanzmittel für Varta sollen sich in einem hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich bewegen. Mittel dafür könnten auch aus dem Kreis von Investoren und Finanzgläubigern kommen, hieß es. Dazu Thema liefen aktuell auch Verhandlungen mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer und Aufsichtsratschef Tojner und dem Sportwagenhersteller Porsche aus dem Volkswagen-Konzern. Porsche hatte erst Anfang Juli Interesse bekundet, Varta das Geschäft für E-Auto-Batterien abzukaufen.
Große Gläubiger kritisieren Kapitalpläne
In Finanzkreisen war von Kritik großer Gläubiger an den Plänen die Rede. Denn sie würden von der geplanten Kapitalerhöhung ausgeschlossen. Denn nur Tojner und Porsche hätten gemäß der Vereinbarung die Möglichkeit, nach einem Kapitalschnitt Geld zuzuschießen und so auch künftig am Unternehmen beteiligt zu sein. Das würde aber einer geforderten fairen Gleichbehandlung zuwiderlaufen.
Varta kämpft ums finanzielle Überleben
Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets schrieb in einer Analyse, Varta kämpfe mit der Maßnahme "ums nackte Überleben". Das lasse sich auch am Aktienkurs ablesen, der Ende Jänner 2021 sein Rekordhoch bei über 181,30 Euro erreicht hatte. In den Kurssteigerungen waren auch Spekulationen über bevorstehende Wertsteigerungen enthalten, heißt es, die auch den Wert für Varta-Aktien hochgetrieben hätten. Seither ging es mit der Aktie langsam, aber stetig bergab.
Bereits im April des Jahres gab es einen massiven Kurssturz, kurz darauf flog die Aktie aus dem deutschen Börsenindex SDax. Im Frühjahr hatte Varta mitgeteilt, dass die Sanierungsbemühungen nicht mehr ausreichten und bat die Geldgeber um Unterstützung. Bereits im Frühjahr 2023 waren gut 50 Millionen Euro an Hilfsgeldern geflossen.
