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Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?

Die einen wollen möglichst schnell in Pension, die anderen wollen weniger arbeiten - und ringsherum fehlt Personal: Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma? Ja, meint Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die Mut zu Utopien einfordert.

Politikwissenschafterin Barbara Prainsack: „Eine Arbeitszeitreduktion bedeutet nicht automatisch, dass die Produktivität sinkt.“
Politikwissenschafterin Barbara Prainsack: „Eine Arbeitszeitreduktion bedeutet nicht automatisch, dass die Produktivität sinkt.“

Die Arbeitswelt ist im Umbruch: In vielen Branchen herrscht akuter Personalmangel, zugleich wollen viele Junge nicht mehr so viel arbeiten: Politikwissenschafterin Barbara Prainsack von der Universität Wien sucht in ihrem neuen Buch "Wofür wir arbeiten" (Brandstätter-Verlag) nach Auswegen. Einer ihrer Vorschläge lautet: Wir brauchen Mut zu Utopien.

Arbeitsminister Martin Kocher will die Vollzeitarbeit attraktiver machen. Die Gewerkschaften fordern gleichzeitig eine Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich. Sie schließen sich in Ihrem neuen Buch dieser Forderung an. Warum? Barbara Prainsack: Ich sage nicht, dass es überall eine Viertagewoche mit vollem Lohnausgleich geben kann. Die Arbeitgeber sollten sich das aber überlegen, denn eine Arbeitszeitreduktion bedeutet nicht automatisch, dass die Produktivität sinkt. In der Gastronomie zum Beispiel haben Studien gezeigt, dass die Produktivität oft gleich bleibt, weil die Mitarbeiter dann mehr verkaufen, die Gäste zufriedener sind usw. Aus Sicht der Arbeitnehmer spricht dafür, dass sich die Produktivitätsgewinne der letzten Jahre nicht adäquat in den Löhnen widerspiegeln. Eine Arbeitszeitreduktion mit vollem Lohnausgleich wäre also ein teilweiser Ausgleich für diese Produktivitätsgewinne, von denen sie viel zu wenig hatten.

Schon heute fehlt überall Personal - in Kindergärten, Seniorenheimen, Schulen. Wie kann eine weitere Arbeitszeitreduktion funktionieren? Es ist ein Fehlschluss zu sagen: Wenn ich die Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden verkürze, arbeiten alle um vier Stunden weniger. Man darf nicht vergessen: Es gibt dann ja auch weniger Krankenstände, weniger Burn-outs und eine höhere Produktivität pro gearbeiteter Stunde in vielen Branchen. Und: Manche, die heute in Teilzeit arbeiten, würden sogar aufstocken auf Vollarbeitszeit, wenn diese nur 36 Stunden beträgt, wenn sie dann mehr verdienen würden.

Viele Junge wollen auch deshalb nicht mehr so viel arbeiten, weil sie sehen, dass sie sich eine Eigentumswohnung bei den Immobilienpreisen ohnehin nicht mehr leisten können. So denken nicht nur die Jungen. Früher konnte man sich mit einer Vollzeiterwerbsstelle problemlos eine Mietwohnung leisten. Auch in vielen Familien reichte es aus, wenn eine Person Vollzeit arbeitete. Jetzt reicht es in manchen Familien nicht mehr, wenn zwei Vollzeit arbeiten. Die Löhne hielten mit den gestiegenen Kosten und Produktivitätsgewinnen nicht Schritt. Dazu kommt, dass Leute mit einer Vollzeitstelle, je nach Branche, immer mehr leisten müssen. Das ist auch ein Grund, warum manche heute "freiwillig" in Teilzeit wechseln - weil sie den Vollzeitjob wegen der steigenden Anforderungen einfach nicht mehr schaffen. Das heißt: Dann macht eine Teilzeitkraft für weniger Geld heute denselben Job, den vor einigen Jahren noch eine Vollzeitkraft gemacht hat.

Derzeit stehen einem Pensionisten 1,7 Erwerbstätige gegenüber. Im Jahr 2050 kommen auf einen Pensionisten nur mehr 1,3 Erwerbstätige. Wie lange müssen wir in Zukunft arbeiten, wenn das Pensionssystem nicht kippen soll? Das ist ein wirkliches Problem. Ideal wäre es, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung so zu gestalten, dass die Leute länger arbeiten können und wollen. Dann würde das tatsächliche Pensionsantrittsalter in die Höhe gehen.

Und wer ist für bessere Bedingungen verantwortlich - der Staat? Die Unternehmer? Alle. Der Staat muss bestimmte Standards vorschreiben. Und auch die Firmen werden sich bemühen müssen, wenn sie Personal finden wollen. Die Arbeitnehmer müssen ebenfalls ihren Teil dazu beitragen. Eine gescheite Strategie für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland wird auch ein Teil der Lösung sein müssen.

Hannes Androsch zitiert im Vorwort zu Ihrem Buch Konfuzius mit den Worten: "Wähle eine Arbeit, die du liebst, und du wirst niemals wieder einen Tag in deinem Leben arbeiten." Wo findet man eine solche Arbeit bzw. einen entsprechenden Arbeitsplatz? Wenn ich das wüsste! Es gibt schon heute Berufe, die viele Leute gern ausüben …

... wie Künstler ... Ja, aber auch Menschen in der Gastronomie oder in der Pflege. Nur sind die Arbeitsbedingungen einfach schwierig. Auch die Pädagogik ist so ein Bereich: Dort arbeiten viele Leute sehr gern, aber nicht, wenn sie unterbesetzt sind, mit viele zu vielen Kindern in der Gruppe und zu wenig Ruhezeit. Und schon gar nicht, wenn man vom Einkommen die Rechnungen nicht bezahlen kann.

Sie zitieren eine Studie, wonach in Österreich nur 40 Prozent der Menschen die Arbeit als sinnvoll empfinden. Anders gesagt: Die Mehrheit der Österreicher glaubt, sinnlose Tätigkeiten zu verrichten. Wie kann das sein? Sind unfähige Vorgesetzte der Grund? Oder schlechte Arbeitsorganisation? Dafür fehlen gute Daten. Allerdings weiß man generell, was nötig ist, damit Menschen Arbeit als sinnvoll empfinden: Wichtig ist, dass Arbeitnehmer das Gefühl haben, im Rahmen des Möglichen selbstbestimmt arbeiten zu können, außerdem eine wertschätzende Behandlung und faire Entlohnung. Dazu kommen Auszeiten, denn die sinnvollste Arbeit ist nicht erfüllend, wenn ich nie Zeit habe durchzuatmen.

Sie fordern in Ihrem Buch Offenheit für "Utopien" ein. Welche wären das? Wichtig ist einmal, nicht nur die Erwerbsarbeit als Arbeit zu betrachten. Es gibt viele Menschen, die nicht ausreichend abgesichert sind, weil sie unbezahlte Arbeit verrichten - wie die Pflege Angehöriger. Das Zweite ist: Alle Menschen müssen abgesichert sein, damit sie genug haben, um würdevoll zu leben. Das Menschsein allein sollte reichen, damit die Grundbedürfnisse bedingungslos abgesichert sind. Dabei kommt es aber nicht nur darauf an, dass man den Leuten Geld gibt - es geht vielmehr um die Grundvoraussetzungen. Ein Beispiel: Wenn es ein gutes Bildungssystem gibt, müssen die Eltern Nachhilfe nicht zukaufen. Außerdem müssen wir beginnen, über neue Jobs nachzudenken, über Jobs, die grün sind im weitesten Sinne, die sich mit der Pflege der Welt um uns beschäftigen, mit der Fürsorge für Nachbarn, Gemeinschaft und Umwelt, mit sozialer, kultureller Arbeit vor Ort.

Warum kommt Ihr Buch über die Zukunft der Arbeit gerade jetzt? Ich hab das Buch schon im Frühling geschrieben. Wir hatten davor, während der Corona-Lockdowns, an der Universität Wien einige Studien durchgeführt - und wir waren sehr überrascht, wie viele Leute schon während des ersten Lockdowns davon gesprochen haben, dass sie in Zukunft anders arbeiten möchten.

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