"Wir müssen neue Anbieter ernst nehmen", sagte Mercedes-Chef Ola Källenius. Es komme darauf an, die eigenen Marken "aggressiv" zu stärken.
Eine neue Studie der Unternehmensberatung KPMG zeigt unterdessen, wie groß die Verunsicherung in den Konzernzentralen tatsächlich ist. Demnach sieht sich die Branche vor einem großen Umbruch, auf den sie noch nicht gut vorbereitet ist. Die entscheidende Frage ist daher: Reicht die Produktoffensive, um das Rennen gegen die Rivalen aus Asien wie BYD zu gewinnen?
Konkurrenzdruck wächst
Der Druck ist immens. In China verlieren die deutschen Autobauer im ruinösen Preiskampf Marktanteile. Gleichzeitig drängen die chinesischen Rivalen auf der Suche nach neuen Gewinnquellen mit aller Macht nach Europa. Sie haben ihren Marktanteil in Europa bis Mitte 2025 auf 4,8 Prozent gesteigert. Da ihnen der US-Markt aus politischen Gründen weitgehend verschlossen bleibt, gilt Europa als wichtiges Schlachtfeld. Auch die Messe spiegelt das wider: Die Zahl chinesischer Aussteller ist um 40 Prozent gestiegen.
Die Antworten der deutschen Konzerne auf diese Herausforderung fallen dabei so unterschiedlich aus wie ihre Markenkerne. Volkswagen setzt auf das Volumensegment und will in Europa einen Marktanteil von 20 Prozent erreichen. Mit einer Familie von vier elektrischen Kleinwagen um den ID.Polo will der Autobauer ab 2026 zu Preisen ab 25.000 Euro den Massenmarkt adressieren. Mit einer selbst entwickelten Einheits-Batteriezelle sollen die Kosten sinken.
Mercedes-Benz hingegen stemmt sich gegen einen Preisverfall und damit sinkende Restwerte im Premiumsegment. Vorstandschef Ola Källenius erteilt dem Preiskampf eine Absage und setzt mit dem neuen Elektro-SUV GLC auf traditionelle Stärken: Design, Luxus und ein opulentes Cockpit-Erlebnis sollen den höheren Preis rechtfertigen. Technikchef Markus Schäfer zeigte sich selbstbewusst: "Bei der Elektromobilität haben wir uns an die Spitze gearbeitet, da brauchen wir keine Angst vor China zu haben." Um im Preiskampf zu bestehen, arbeite man weiter hart an den Kosten. Die deutsche Autoindustrie müsse trotz jüngster Gewinneinbrüche nicht vorm Untergang gerettet werden. "Die Frage stellt sich, wenn man über die IAA läuft, eher nicht."
Einen technologisch ambitionierten Weg schlägt BMW mit der "Neuen Klasse" ein. Eine neue Batterietechnologie soll die Kosten um bis zu 50 Prozent senken und damit schon 2026 Margen wie beim Verbrenner ermöglichen. Eine neue Software-Architektur soll zudem den Rückstand bei digitalen Funktionen aufholen.
Glanz auf der Messe, Zweifel hinter den Kulissen
Doch die zur Schau gestellte Zuversicht steht im Kontrast zur Stimmung intern. Laut der am Montag veröffentlichten KPMG-Studie erwarten 69 Prozent der deutschen Autobosse, ihre Geschäftsmodelle binnen drei Jahren grundlegend umbauen zu müssen - international sind es nur 36 Prozent. 59 Prozent sehen technologische Disruption als größte Bedrohung, doch nur 15 Prozent fühlen sich darauf vorbereitet. "Die deutsche Automobilindustrie steht vor einer ihrer größten Bewährungsproben", sagt KPMG-Automobilexperte Andreas Ries.
Begleitet wird die Autobranche dabei von einer widersprüchlichen Politik in Deutschland. CSU-Chef Markus Söder fordert eine Abkehr vom Verbrenner-Aus in der Europäischen Union 2035, während Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) weitere staatliche Förderungen für die Elektromobilität in Aussicht stellt. In der Europäischen Union wird um den künftigen Kurs zur Elektromobilität gerungen. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 stelle die Autoindustrie nicht in Frage, betonte Källenius, aber den Weg dorthin. Das Verbrennerverbot alleine sei nicht die Lösung.