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Erneut Aufschub von Gesetz gegen Abholzung vorgeschlagen

Die Europäische Kommission will ein umstrittenes EU-Gesetz gegen Abholzung, die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), ein zweites Mal verschieben. EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall schlug am Dienstag in Brüssel vor, das Gesetz solle Ende des kommenden Jahres greifen, ein Jahr später als bisher geplant. Bis zur neuen Frist könnten die Vorgaben für Unternehmen abgeschwächt werden. Minister Norbert Totschnig (ÖVP) forderte nun eine "praxisgerechte Umsetzung" der EUDR.

Die Dokumentation der Waldabholzung könnte sich weiter verzögern
Die Dokumentation der Waldabholzung könnte sich weiter verzögern

Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden. Neben Kaffee, Palmöl und Soja gilt dies auch für Kakao, Kautschuk und Rindfleisch. Die 27 EU-Mitgliedsländer sowie das Europaparlament müssen nun über den Aufschub verhandeln.

Wirtschaftsverbände machten mobil

Zahlreiche Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen einer mangelnden Zeit zur Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und die Zeitungsverleger. Unternehmen sollen die Einhaltung mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten in den Anbauländern sicherstellen und an Brüssel berichten.

Auf Druck aus Deutschland und zahlreichen weiteren Mitgliedsländern wie Österreich hatte die EU das Gesetz im vergangenen Jahr schon einmal verschoben. EU-Umweltkommissarin Roswall nannte nun "Bedenken bei den IT-Systemen" wegen der großen zu verarbeitenden Datenmenge als Grund für die weitere Verschiebung. Sie erklärte, es sei "zu früh", um über mögliche weitere Änderungen an dem Gesetz zu entscheiden. Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im Europaparlament, forderten bereits am Dienstag ein Abschwächen der Vorgaben. Sie setzten sich unter anderem für eine sogenannte Nullrisikokategorie ein, die zahlreiche Staaten von den Berichtspflichten für Unternehmen ausnehmen würde.

Kritik und Lob für EU-Kommission

Die EU habe ein Gesetz für ein globales Problem geschaffen, "das wir in Österreich gar nicht haben - und baut dafür einen massiven Bürokratieapparat auf", wurde Land- und Forstwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in einer Aussendung zitiert. Die Ankündigung der Kommission sei ein "wichtiger Erfolg". Es gelte nun, eine grundsätzliche Diskussion für eine praxisgerechte Umsetzung zu führen. "Gerade für Länder mit einer strengen Forstgesetzgebung und ohne Entwaldungsrisiko wie Österreich sind dringend Nachbesserungen nötig", betonte Totschnig.

Auch der Fachverband der Holzindustrie Österreichs und die Land&Forst Betriebe Österreich begrüßten den im Rat vorgebrachten Vorschlag der EU-Kommission, der Bauernbund lobte die klare Linie von Landwirtschaftsminister Totschnig zur EUDR. Noch weiter gingen indes die Forderungen der Landwirtschaftskammer: "Die EU-Entwaldungsverordnung für Länder wie Österreich, die mehr von einer Verwaldung als einer Entwaldung betroffen sind, muss eingestampft werden", wurde LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger in einer Aussendung zitiert.

"Die Kommission beugt sich den Wünschen der Agrarindustrie- und Sägelobby und deren EVP-Handlangern. Umwelt- und Klimaschutzpolitik sind endgültig Spielball im Abtausch gegen Gefälligkeiten von Mitgliedstaaten und zum Appeasement der eigenen Parteikolleginnen und -kollegen in der Europäischen Volkspartei", stellte Thomas Waitz, Landwirtschaftssprecher der Grünen Fraktion und grüner Delegationsleiter im Europaparlament, fest und sprach von einem "schwarzen Tag für den globalen Waldschutz". Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich kritisiert die beantragte erneute Verschiebung der Umsetzung als "politische Bankrotterklärung". Der erneute Rückzieher sei ein "peinlicher Kniefall vor der industriellen Forstlobby und eine weitere kritische Aufweichung des Green Deals".

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