"Dieser Wagen spricht junge Leute an", sagt Tais Chuu und tippt auf einem sehr großen Touchscreen herum. In der Mitte der eher kleinen Limousine ragt der Bildschirm vom Getränkehalter bis zur Windschutzscheibe. Darauf poppen Optionen auf: Heizung und Musik sind hier auf intuitive Weise regelbar, auch Live News werden angezeigt und die Möglichkeit, weitere Apps zu installieren. "Die Funktionen können wir den Wünschen unserer Kunden anpassen", sagt Chuu, die Schaltzentrale werde aber immer wie ein überdimensioniertes iPhone aussehen. Die Ähnlichkeit zu den Smartphones von Apple ist kein Zufall: Tais Chuu arbeitet für Foxtron, ein vor vier Jahren gegründetes Unternehmen, dessen größter Anteilseigner Foxconn ist. Kein Unternehmen weltweit baut so viele Apple-Telefone wie der Konzern aus Taiwan. "Aber jetzt bringen wir unser Know-how in einen neuen Geschäftsbereich ein", sagt Tais Chuu. Ein Handyfertiger stößt ins Autogeschäft vor: Was bis vor Kurzem als Zeichen für unternehmerischen Größenwahn gegolten hätte, ergibt durchaus Sinn. Autos sind zusehends zu fahrenden Robotern geworden. Nicht umsonst heißt es, ein Auto sei ein Smartphone auf Rädern. In New Taipei City, einer Metropole neben der taiwanischen Hauptstadt Taipeh, will Foxconn nun beweisen, dass das mehr als ein Spruch ist. Und man hat große Pläne. Bereits für 2025 hat CEO Young Liu das Ziel ausgegeben, im boomenden Geschäft für E-Autos auf fünf Prozent Marktanteil zu kommen. Schon wegen der Größe des Mutterkonzerns ist anzunehmen, dass es für einen ernsten Versuch nicht an Ressourcen mangelt: 2022 beschäftigte Foxconn weltweit eine Dreiviertelmillion Menschen, nahm 216 Mrd. US-Dollar (199 Mrd. Euro) ein.
In einem Gewerbegebiet in New Taipei City, zwischen Filialen etablierter Autobauer von Nissan bis Mitsubishi, steigt Tais Chuu aus dem "Model B", einem der ersten Foxtron-Autos. "Wir können etwas bieten, was kaum ein Marktteilnehmer hat", einen Elektro-SUV für rund 30.000 US-Dollar. Wir haben schon 9000 Bestellungen."
Ist es der große Angriff auf BMW, Audi und andere Autobauer? In New Taipei wird beschwichtigt. "Unsere Stärke sehen wir nicht so sehr im ganzen Auto", sagt Foxconn-Sprecher Jimmy Huang, "sondern in der elektrischen und digitalen Infrastruktur, die dem Fahrzeug zugrunde liegt." Autokonzerne sehe man daher als Partner. "Wir führen im Moment Gespräche mit mehreren Unternehmen, um unsere Technologie maßgefertigt an sie zu verkaufen", so Huang.
Für Foxconn, auf Platz 27 der Fortune-Liste der umsatzstärksten Unternehmen, gehört der Vorstoß zur Diversifizierungsstrategie. Sie hat nicht zuletzt geopolitische Hintergründe. Denn im Geschäft für Smartphone-Fertigung ist der Konzern vor allem in China aktiv, wo der Wind in den vergangenen Jahren ziemlich rau geworden ist. Das kommunistische Festland-China betrachtet die demokratisch und unabhängig regierte Insel Taiwan als Teil des eigenen Territoriums, droht immer wieder mit einer Invasion.
Lange musste Foxconn, das in China Hunderttausende Arbeitsplätze bietet, keine Repressalien fürchten. Das änderte sich, als Foxconn-Gründer Terry Gou vergangenen Sommer verkündete, bei der Präsidentschaftswahl im Jänner 2024 anzutreten. Aber dann begannen chinesische Steuerbehörden, sich die Bücher von Foxconn genauer anzusehen. Gou zog seine Kandidatur zurück, hinzu kam: Auch der wichtigste Auftraggeber Apple erwägt selbst einen Abzug aus China. Auch deshalb muss sich Foxconn dringend umorientieren.
Taiwans Politik begrüßt es, dass sich eines der größten Unternehmen des Landes strategisch breiter aufstellen will. Es könnte helfen, weniger abhängig von China, noch immer Taiwans größter Handelspartner, zu werden. Peter Lim, Ökonom und ehemaliger Entwicklungsminister für die heute oppositionelle Partei KMT, beklagt zudem: "Wir sind ökonomisch viel zu abhängig von unserer Halbleiterindustrie." Einerseits produziert Taiwan - allen voran der TSMC-Konzern - mehr als die Hälfte aller Mikrochips weltweit. Auch China ist insofern auf funktionierende Fabriken in Taiwan angewiesen, da die chinesische Industrie ohne die Chips schnell straucheln würde. Solange Taiwans Betriebe hier von systemischer Bedeutung sind, ist eine Invasion durch die chinesische Volksarmee unwahrscheinlich. Gerade weil die globalen ökonomischen Verwerfungen enorm wären, falls China wider Erwarten Taiwan doch angreifen sollte, haben mehrere Staaten Druck auf TSMC ausgeübt, auch in den USA, Japan und der EU Fabriken zu errichten. Mehrere neue Fertigungsstätten befinden sich nun in Bau.
"Im E-Auto-Bereich könnten wir ein neuer großer Player werden", glaubt Peter Lim. Der Oppositionspolitiker ist nicht der Einzige, der Foxtron viel zutraut. Bill Russo, CEO der auf die Autoindustrie spezialisierten Beratungsfirma Automobility, sagt zu den Anforderungen für den Bau von Elektroautos: "Das klingt ziemlich nach dem, was Foxconn heute schon baut. Viele Bildschirme, viele Chips, Vieles, was sie in großen Mengen machen können, um Kosten zu sparen."
Ob sich Foxconn auch im Elektroautogeschäft durchsetzen kann, ist offen. Den chinesischen Markt, den größten für E-Autos, spart Foxtron noch gezielt aus. "Politik muss immer mitgedacht werden", sagt Chuu, im Hinblick auf die Bemühungen des Mutterkonzerns, weniger abhängig von China zu werden. Aber man gibt auch zu, dass man mit den Kampfpreisen auf dem chinesischen Markt nicht mithalten könne. "Wir wollen uns auf Südostasien, Nordamerika und Europa konzentrieren", sagt daher Foxconn-Sprecher Jimmy Huang. Gespräche mit Start-ups im Automobilsektor und Anbietern von Carsharing-Diensten liefen.
