Das EU-Parlament hat am Donnerstag erneut über die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen des Lieferkettengesetzes und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung abgestimmt. Die Regelungen sollten Produktionsabläufe umwelt- und arbeitnehmerfreundlicher gestalten, sie waren teils umstritten und sogar Anlass für Drohgebärden. Einmal mehr hatte zuletzt das Emirat Katar erklärt, kein Flüssiggas (LNG) mehr nach Europa zu liefern, sollte das Lieferkettengesetz nicht gelockert werden.
Grenze soll von 1000 auf 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigen
Nun stimmte das EU-Parlament mit einer Mehrheit vor allem aus konservativen und Rechtsaußen-Stimmen für die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes. Demnach würden die Regeln nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Ursprünglich waren als Grenze 1000 Mitarbeitende und eine Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro vorgesehen. Zudem sollen Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene nun keiner zivilrechtlichen Haftung mehr unterliegen. Auch soll nicht wie ursprünglich geplant die gesamte Lieferkette kontrolliert werden. Bei Verstößen gegen das Gesetz sollen Unternehmen auf nationaler Ebene und nicht wie zuerst vorgesehen auf EU-Ebene haften müssen.
Ende Oktober hatte noch eine knappe Mehrheit der Abgeordneten dafür gestimmt, noch keine finalen Verhandlungen mit den EU-Staaten aufzunehmen. Ein von der Europäischen Volkspartei (EVP), den Sozialdemokraten und Liberalen verhandelter Kompromiss ging nicht durch. Nun können die Verhandlungen nach der Annahme mit 382 Ja-Stimmen, 249 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen starten. Von den anwesenden österreichischen Abgeordneten stimmten FPÖ, ÖVP und Neos mit Ja sowie SPÖ und Grüne mit Nein.
Die dänische Ratspräsidentschaft will das Dossier noch heuer abschließen. Alle EU-Institutionen müssen dafür zustimmen. Im April hatte das Parlament bereits im Eilverfahren für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verschiebung des Lieferkettengesetzes um ein Jahr und die Ausnahme von 80 Prozent der EU-Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung gestimmt. Das Lieferkettengesetz sollte nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission große Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren.
Bürokratie soll um ein Viertel sinken
Um Europa wettbewerbsfähiger zu machen, will die Kommission mit ihren Omnibus-Paketen zahllose Gesetze und Vorschriften aufweichen und abbauen. Ziel ist, dass die Bürokratie für Unternehmen insgesamt um rund ein Viertel sinken soll. Meldepflichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen um 35 Prozent zurückgehen. Bisherige Omnibus-Pakete betrafen vereinfachte Umweltanforderungen und -kontrollen, leichter verfügbare Förderungen für Landwirte sowie gezielte Ausnahmen für kleinere Unternehmen.
Für den ÖVP-Europaabgeordneten Lukas Mandl war die EU-Kommission in der Vorperiode „auf dem Holzweg“. Überregulierung hätte Wirtschaft und Arbeitsmarkt „massiv geschadet“. Für die FPÖ ist das Lieferkettengesetz ein „bürokratisches Monstrum“, so der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider. Mit den Stimmen der Fraktion „Patriots for Europe“, der auch die FPÖ angehöre, sei es nun gelungen, den Weg für die Beendigung des Green Deals zu ebnen. Die Neos-Europaabgeordnete Anna Stürgkh freute sich, „dass österreichische Unternehmerinnen und Unternehmer rasch echte Entlastung und Planungssicherheit bekommen“.
„Damit hat die Europäische Volkspartei das Lieferkettengesetz gemeinsam mit der extremen Rechten zu Grabe getragen“, bedauerte SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner. Für Lena Schilling, EU-Abgeordnete der Grünen, zeigt sich „das wahre Gesicht der Konservativen“. Es sei ihnen „egal, wenn Kinderhände unsere Produkte zusammenkleben und Flüsse durch Chemiegifte verseucht werden“.
Ursula Bittner von Greenpeace erklärte: „Die Abschwächung des Lieferkettengesetzes ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die unter ausbeuterischen Bedingungen leben und arbeiten.“ Die EU habe „vor Konzernlobbyisten kapituliert“. Übrig bleibe ein „Greenwashing-Deal, denn eine weichgespülte Richtlinie schützt niemanden, sie macht Ausbeutung nur wieder salonfähig und setzt Klimaschutz auf die Wartebank“.
Durch die erneuten Abschwächungen werde das Lieferkettengesetz „zum zahnlosen Papiertiger“, kritisierte Lena Gruber von der NGO Südwind in einer Aussendung.