Merz betonte, Elektroantriebe seien "die Hauptstraße, auf der gefahren wird." Es sei aber richtig, dass es Zeit für die Markteinführung brauche. Der Kanzler machte deutlich, er ermutige die Unternehmen, auch andere Formen klimaneutraler Antriebe voranzutreiben.
Der deutsche Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sprach von einer dramatischen Lage. Es müsse darum gehen, "dass das Auto aus Deutschland eine gute Zukunft hat". Dabei sei deutlich geworden, dass niemand den Weg Richtung Elektromobilität infrage stelle. Ein erstes Element lieferte der Finanzminister vorab: Die Befreiung reiner E-Autos von der Kfz-Steuer soll bis 2035 verlängert werden. Im Markt gab es zuletzt Unklarheit, ob eine Befreiung auch für Neuzulassungen ab 2026 greift.
Hilfen für Haushalte mit geringerem Einkommen
Ein zweites Element hatte die deutsche Regierung nach einer nächtlichen Sitzung des Koalitionsausschusses direkt am Donnerstag in der Früh präsentiert: Kommen soll ein Förderprogramm besonders für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen, um den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität und emissionsfreie Fahrzeuge zu unterstützen. Ziel seien spürbare Vorteile für Verbraucher, heißt es im Beschluss. Volumen: drei Milliarden Euro zusätzlich bis 2029. Die Modalitäten sind noch unbekannt. In Frankreich gibt es bereits ein Leasing-Programm mit sozialer Komponente.
Zu dem "Autogipfel" in Berlin waren Spitzenvertreter von Autoherstellern und Zulieferern, Verbänden und Gewerkschaft sowie aus Bundesländern mit Autostandorten eingeladen. Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hatte zuvor bereits ein neues Förderprogramm mit Kaufanreizen für E-Autos beschlossen, von denen besonders Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen profitieren sollen.
Branche und Gewerkschaft für flexiblere CO2-Regelung
Auch die Präsidentin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, und die Chefin der Gewerkschaft IG-Metall, Christiane Benner, haben sich für flexiblere Regelungen zum CO2-Ausstoß ausgesprochen. Dabei sei es wichtig in Richtung Brüssel mit einer Stimme zu sprechen.
Der Schwerpunkt in Sachen CO2-Reduzierung müsse die Ausweitung der Elektromobilität sein, sagte Müller. Notwendig seien aber Möglichkeiten zur Flexibilisierung - zum Beispiel im Hinblick auf Plug-in-Hybride und Range-Extender; damit sind meist kleine Verbrennungsmotoren zur Verlängerung der Reichweite von Elektroautos gemeint. Auch Verbrenner mit zunehmend klimaneutralen Kraftstoffen könnten einen Beitrag leisten.
VW-Konzernchef Oliver Blume zweifelte unterdessen das von der EU geplanten Verbrennerverbot an. "Aus heutiger Perspektive ist das Ziel, wie es für 2035 gesetzt wurde, unrealistisch. Und deshalb brauchen wir dort mehr Flexibilität", sagte Blume in einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse sich - losgelöst von Ideologien - anschauen, was erreicht werden könne.
Proteste von Umweltorganisationen
Umweltorganisationen protestierten unterdessen mit Aktionen vor dem Kanzleramt in Berlin gegen die deutsche Automobilpolitik. Mehrere Fahrzeuge mit Aufschriften wie "Mehr Elektro Wagen" und "Greenpeace" standen vor der Zufahrt des Regierungsgebäudes und blockierten nach Beobachtung eines dpa-Reporters zeitweise den Zugang. Die Polizei war mit mehreren Beamtinnen und Beamten vor Ort und sicherte die Umgebung. Bei der Protestaktion von Greenpeace Autos wurden Kennzeichen und Insassen der Fahrzeuge gefilmt. Einige Aktivisten wurden weggeführt.
Aus Österreich reagierte der Fachverband der Fahrzeugindustrie in der Wirtschaftskammer (WKÖ) per Aussendung auf den deutschen "Autogipfel". "Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verbindungen mit der österreichischen Fahrzeugindustrie sind die Entscheidungen in Berlin für uns von höchstem Interesse", sagte der österreichische Branchensprecher Roland Prettner und forderte "eine konsequente Entbürokratisierung","Anpassungen im EU-Beihilferecht", sowie eine "technologieoffene Berücksichtigung aller Antriebsarten".
Entscheidende Debatten stehen noch aus
Für den EU-Markt gilt eine 2022 gefundene Regelung, dass ab 2035 keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden sollen. Ziel ist, CO2-Emissionen im Verkehr für mehr Klimaschutz zu senken. Angesichts einer anstehenden Überprüfung auf EU-Ebene hatte in Berlin die Koalition von Union (CDU/CSU) und SPD über die deutsche Position gestritten. Kanzler Merz will das Verbrenner-Aus kippen - die SPD daran grundsätzlich festhalten.
Die deutsche Regierung kann die EU-Regeln jedoch nicht im Alleingang ändern. Erst muss die EU-Kommission eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen. Es wird erwartet, dass die Behörde dies bis Ende des Jahres macht. Danach muss auch eine Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments einer Änderung zustimmen.