Die Idee dahinter ist das Verlassen der Komfortzone." Wenn Heiner Raschhofer nicht gerade neue Gastronomiekonzepte entwickelt, ist er gerne auf Reisen. Auf höchst abenteuerlichen Touren. Doch da gibt sich der Salzburger lieber bescheiden und stellt stattdessen seinen Freund und Reisegefährten vor den Vorhang. Der sei ein echter Abenteurer. "Joe Pichler ist über Monate unterwegs, ganz auf sich allein gestellt. Ich hingegen fahre mit Freunden, und die Tour ist stets von einem Profi organisiert. Das sind schon zwei Paar Schuhe." Dennoch: Einen Schritt aus "unserer Supersicherheitswelt" zu wagen, tue gut. Der Kopf, die Gedanken kommen zur Ruhe, etwas, was Stress und Alltagsdinge daheim in der Regel nicht zulassen. Gemeinsam mit dem Lungauer Pichler, der auf seiner KTM bereits alle Winkel dieser Erde befahren hat, war Raschhofer auf zwei Reifen unterwegs durch Namibia etwa bis nach Angola, quer durch Madagaskar oder durch die Mongolei von Ulan-Bator bis in die Wüste Gobi. Er kam in Tibet bis zum Basecamp des Mount Everest und hat den heiligen Berg Kailash in Nepal umrundet. Es gab Stürze, Verletzungen und heikle Begegnungen an entlegenen Orten mit Einheimischen, die noch nie ein Motorrad gesehen, aber eine Kalaschnikow geschultert hatten. "Da ist es Gold wert, jemanden wie Joe zu haben, der weiß, wie man mit Menschen umgeht", sagt der Salzburger Gastronom. Solche Reisen und die damit verbundenen Abenteuer, so Raschhofer, haben noch einen anderen heilsamen Effekt: Sie helfen, die Bodenhaftung nicht zu verlieren, demütig zu bleiben. "Da merken wir, wie klein wir sind."
Heiner Raschhofer und Joe Pichler: Warum Salzburger das Abenteuer suchen. Und andere lieber daheim bleiben.
Wenn die Angst Pause macht. Vom Ursprung dessen, was wir Abenteuer nennen. Und von mutigen Männern wie auch Frauen.


Es geht also um Abenteuer. Beginnen wir doch am besten am Anfang. Und nein, der liegt nicht bei Odysseus, Äneas & Co. Weil ein bisserl Unterschied muss schon sein zwischen - von missgünstigen Göttern verursachten - Unbilden respektive Irrfahrten und dem eigenen Antrieb. Âventiure nennt sich im Hochmittelalter erstmals diese Suche nach Abenteuer, in der Literatur auch Quest genannt. Der Held - und zu dieser Zeit sind ausschließlich Männer, besser gesagt, Ritter unterwegs - muss sich bewähren, Mutproben bestehen, Gegner im Zweikampf besiegen. Stolpersteine auf diesem selbst gewählten Weg: Hexen, Drachen, Riesen, Zauberer und anderes Gelichter aus dem Fabelreich.
Warum der Held das alles macht? Natürlich wegen der Minne, der hehren Liebe zu einer verehrten Frau, der er sich durch die Âventiuren erst würdig erweisen wird. Eine eher abstrakte Sache, die nicht der Sinn des Abenteuers, sondern der Vorwand dafür ist. Das lateinische "adventura" steht für Geschick, also das, was einem halt so zustößt oder zufällt. Die Âventiure wird im Neuhochdeutschen dann zum Abenteuer. Und das kommt ja auch meist unerwartet daher, damals wie heute. "Lookin' for adventure" singen Steppenwolf im Soundtrack zum Roadmovie "Easy Rider", und Peter Fonda und Dennis Hopper auf ihren schweren Motorrädern entsprechen vielleicht mehr dem Ideal der Âventiure als unsereins bei einem brav vorab gebuchten Bungee-Jump in die Tiefe.

Wer lieber mit Pauschalreisen unterwegs ist und schon vor der Untersberg-Gondel weiche Knie bekommt, kann das teils mit Genetik erklären. Nicht jeder oder jede von uns liebt das Abenteuer. Warum das so ist, erklärt Marcus Täuber. "Das beginnt bereits im Mutterleib", sagt der Neurobiologe und Mentaltrainer. "Der Botenstoff Dopamin ist wichtig für Abenteuerlust. Wenn jedoch die Mutter während der Schwangerschaft viel Stress hat, gelangt über ihr Gehirn Cortisol auch in den Fetus." Dort werden dann weniger Andockstellen gebildet und der kleine Mensch ist später empfindlicher für Stress und kann sich wahrscheinlich nicht besonders für Achterbahnen begeistern. Die wichtigsten Begleiter auf waghalsigen Reisen heißen Dopamin und Testosteron. Und, so Täuber: "Das gilt für Männer wie für Frauen." Der Gegenspieler heißt Angst - ein natürlicher Mechanismus, der uns schützt. Abenteurer haben auch Angst. Aber: "Immer dann, wenn das Dopamin stärker ist, dann tu ich's trotzdem." Täuber lächelt. "Mut ist also, wenn ich Angst hab und es trotzdem tu." Wenn der soziale Druck nachlässt, ist auch mehr Raum für Neues. Das sehe man gut bei älteren Frauen, sagt der Neurobiologe. "Ein bisserl Lebenskrise und man gestaltet das Leben um."

Wir schreiben das Jahr 1842. Ida Pfeiffer ist 44 Jahre alt, Witwe, die Kinder sind bereits erwachsen. Sie beschließt, endlich das zu tun, wovon sie, die sich bis dahin widerwillig den bürgerlichen Konventionen gebeugt hat, schon immer geträumt hat: die Welt bereisen. Und zwar allein. Das wäre für einen Mann der Biedermeierzeit schon ungewöhnlich gewesen, umso mehr für eine Frau. Ihr Antrieb: fremde Länder und Kulturen erkunden - und von dort Naturalien für die Wissenschaft mitzubringen, zu sammeln. Sie bereist den Nahen Osten, fährt durch Skandinavien bis Island, schifft sich schließlich ein nach Indonesien. Die berühmteste Weltreisende des 19. Jahrhunderts schreibt Reisebücher, zunehmend aber Briefe, wie Gabriele Habinger erzählt. Die Bücher "Wir leben nach Matrosenweise" und "Eine Biedermeierdame erobert die Welt" der Kultur- und Sozialanthropologin wurden im Promedia-Verlag in den letzten drei Jahren neu aufgelegt. "Ida Pfeiffer hat versucht, neue Routen für die westliche Wissenschaft zu entdecken, das schreib ich auch in meinen Büchern, sie hat für Expeditionen Wege gebahnt. Das war im Habsburgerreich ein Unikat."
Habinger hat sich in ihren Forschungen auch mit anderen Abenteurerinnen beschäftigt, von Ella Maillart und Annemarie Schwarzenbach - 1939 als erste Frauen in Afghanistan - bis zur von Karl Kraus verunglimpften Reporterin Alice Schalek. Den Begriff selbst jedoch benutzt sie ungern. Das klinge nach mutwilliger Suche nach Risiko. "Andererseits idealisiert es. Die Abenteurerin. Das ist im 20. und 21. Jahrhundert schon etwas, was den eigenen Marktwert steigert." Und sich in Büchern oder Blogs vermarkten lässt. "Ida Pfeiffer hätte sich sicher nicht als Abenteurerin bezeichnet. Sie war sicher wagemutig und ist Risiken eingegangen, aber nie als Selbstzweck."

Auch Ferdinand Aichhorn war stets auf der Suche. 1977 reiste der Salzburger Architekt das erste Mal nach Indonesien, mit seiner mittlerweile verstorbenen ersten Ehefrau Brigitte, die als Künstlerin zur internationalen Batik-Ausstellung in Jakarta eingeladen war. Die erste Fernreise. Bei einem "Seitensprung" auf die Nachbarinsel Bali entdeckte der Pongauer die komplizierte Färbe- und Webtechnik Ikat. Ein Schlüsselerlebnis.
"Das hat mich so fasziniert, dass ich mich gefragt habe, wo auf dieser Welt es noch Leute gibt, die ebenfalls diesen Wahnsinn machen?" Er schmunzelt und pafft kleine Rauchwölkchen aus seiner Pfeife. Ab diesem Zeitpunkt folgte er diesem - nicht bloß - roten Faden, als Gepäck nur Rucksack, Kamera, Notizbuch. Bis in seine 70er führte ihn der Weg nach Pakistan und Kaschmir, durch Indien, nach Thailand und Südchina. Mit Zug, Bus, Eselkarren, zu Fuß. Höchst abenteuerlich. "Ich war ja Gott sei Dank meist allein unterwegs - so kam ich mit den Leuten ins Gespräch." Und so landeten nach und nach außergewöhnliche Objekte wie ein Doppelikat, genannt "Grinsing", aber auch historische Kaschmirschals in der Salzburger Steingasse, wo er die "Galerie für Textilkunst" eröffnet hatte und mit seiner Frau Christa Musger leitete. Am vergangenen Dienstag ist er zu Hause entschlafen - umgeben von den Gustostücken seiner Sammlung.
