Er ist unser aller Vater." Mit diesem Satz zog Pablo Picasso seinen Hut vor Paul Cézanne, dem Maler, der als Erster Farben und Formen neu sah und malte. Picasso selbst wohnte und werkte nur rund 15 Kilometer entfernt von Aix-en-Provence, jener Stadt, die heuer ihren Sohn Paul Cézanne feiert. 185 Jahre, also ein nicht ganz rundes Jubiläum, aber wen kümmert's? Cézanne ist ohnehin allgegenwärtig in seiner Heimatstadt, Motive seiner Bilder finden sich in Souvenirläden, Gourmet-Menüs tragen seinen Namen. Wer sich treiben lässt, wird von ihm durch eine quirlige Stadt mit bunten Märkten geführt, vorbei an Brunnen und Kirchen. Oder folgt ganz offiziell den Bronzeplättchen mit "C" im Boden, die Cézannes Wege nachzeichnen, von seiner Schule bis zum Musée Granet und zum Cours Mirabeau, der Lebensader der Stadt mit ihren Cafés, Palais, Restaurants und Boutiquen.
Der erste Weg führt ohnehin ins Musée Granet - einst Kloster der Malteserritter, dann Zeichenschule, die auch der kleine Paul besuchte. Dort sind noch bis zum 12. Oktober unter der Überschrift "Cézanne au Jas de Bouffan" rund 100 Meisterwerke, darunter etwa 90 Gemälde von Paul Cézanne und mehrere Leihgaben von großen französischen und internationalen Museen, zu bestaunen. Und plötzlich steht man im Salon der Cézannes, dessen Fresken auf Leinwand übertragen und in alle Welt verkauft wurden, spaziert vorbei an den von Paul bemalten Wänden des Salons, an mythologischen Figuren und Porträts von Pauls konservativem Vater, dem er frech die liberale Zeitung "L'Événement" seines Freundes Émile Zola in die Hand drückt. "Zum ersten Mal wurde hier der Salon im Jas de Bouffan wiederhergestellt", sagt Bruno Ely stolz, Kurator der Ausstellung.
Paul Cèzanne suchte das Licht
Doch auch das echte, frisch renovierte Landhaus Jas de Bouffan ist seit diesem Jahr wieder bereit für Gäste. Papa Louis-Auguste hat als Hutmacher mit Hasenhäuten spekuliert, ein Vermögen gewonnen und daraufhin eine Bank und 1859 das Haus gekauft, mit eigenem Park, Kastanienalleen und Wasserbassin, neben dem nun ein Restaurant eingerichtet werden soll. Paul jedoch will nicht Bankier werden. Seine Leidenschaft für Stift, Pinsel und Farbe lässt ihn sein Vater wenigstens im Grand Salon des Hauses ausleben.
Doch Paul sucht das Licht. Er findet es nicht zuletzt im Schimmern des Sandsteins im verlassenen Steinbruch von Bibémus. Seit der Römerzeit wurden hier mächtige Steinblöcke gewonnen, nicht zuletzt für die eleganten Häuser in Aix. Jetzt zeichnen die Pinien schattige Streifen auf die Bruchstellen, es ist ein magischer Platz. Wer heute hierherkommt, kann das als geführte Fahrradtour oder mit einem der Shuttlebusse. Eine weitere Spur führt bis nach L'Estaque. Im 19. Jahrhundert wurde der Fischerort bei Marseille zum Dorf der Ziegelbrenner und Fliesenmacher, damals ein Exportschlager, heute erinnern nur mehr die Lafarge-Fabrik daran und die Kirche mit ihrer Ziegelfassade. Zola kam hierher, schrieb hier. Dufy, Marquet, Monticelli und Auguste Renoir kamen hierher, ein Schild am Kirchenplatz erzählt von Braque. An der Ostseite des Platzes steht das Haus, in dem Cézanne wohnte. Er liebt das Glitzern des Meers. Der Plan für den Malerweg, den "Chemin des Peintres", liegt im Office de Tourisme auf, der Weg durch das sonst eher reizlose Dorf dauert rund eineinhalb Stunden.
Cézanne malt Häuser und Alleen, Teiche und Porträts von Freunden, er malt seine Geliebte und spätere Frau Hortense und Stillleben, Schalen mit Äpfeln und Birnen. Dinge, die nicht so schnell verderben, denn zwischen zwei Pinselstrichen können durchaus zwanzig Minuten vergehen. Er ist ein Verfechter der Langsamkeit, wohltuend in heutigen Zeiten.
Und immer wieder malt er den Berg. Jene Erhebung, die er 30 Mal in Öl und 45 Mal in Wasserfarben festhält: den Mont Sainte-Victoire. Von seinem letzten Atelier Les Lauves im Norden von Aix, das er 1902 bezieht, blickt er aus dem Nordfenster auf den 18 Kilometer langen und 1011 Meter hohen Bergrücken aus weißem Sandstein. Ein Erlebnis, das sich nachspüren lässt, das Atelier wurde im Originalzustand für Publikum geöffnet.
Eine Region voller Farben und Düfte
Die Provence schwelgt in Düften, doch vor allem in Farben und Licht - ein unversiegbarer Brunnen für Maler, für den Impressionismus. Es lohnt sich, den Spuren zu folgen, etwa nach Saint-Rémy-de-Provence - eine echte Empfehlung zum Verweilen - und in das benachbarte, einstige Kloster Saint-Paul-de-Mausole. Zwischen blühenden Hecken, Lavendel und romanischem Kreuzgang sind in der psychiatrischen Anstalt andere Meisterwerke entstanden - Vincent van Gogh schuf hier seine bekanntesten Gemälde wie die "Sternennacht". Freiwillig und um sich zu erholen, hatte sich das psychisch zerrüttete Genie in die schützenden Mauern zurückgezogen. Die Abtei ist heute noch ein zauberhafter Ort mit seinem Museum und den Gärten - und nach wie vor ein Sanatorium.
Von hier ist es nicht weit zu den schroff-bizarren Felsen der Alpilles und dem sehr pittoresken und daher auch sehr touristischen Ort Les Baux. Dennoch sehr sehenswert: Auf die Wände im stillgelegten Bauxit-Steinbruch Carrières des Lumières wird täglich Kunst multimedial projiziert. In Arles - und damit an der Rhône - angekommen und immer noch auf Vincents Spuren, sucht der Blick vergeblich das "Gelbe Haus", bei den "Sonnenblumen" etwa und dem "Café bei Nacht" wird man jedoch fündig. Und spürt das Vermächtnis, von den Römern bis zu den Impressionisten.
INFORMATION:
Anreise:
Direktflug Wien- Marseille mit Austrian. Von dort weiter mit Leihwagen oder Zug nach Aix-en-Provence. www.austrian.com
Schlafen & Schmausen:
Hotel Aquabella, Aix, modern, fußläufig vom Zentrum entfernt,
aquabella.fr
Villa Gallici, Aix, romantisch-elegantes Interieur, sehr schöner Garten und Terrasse, hier wird ein eigenes Cézanne-Menü serviert, villagallici.com
Les Lodges Sainte-Victoire, Le Tholonet, Luxus im Grünen, Gourmetküche, mit Blick auf Mont Sainte-Victoire
les-lodges-sainte-victoire.com
Château La Coste, Le Puy-Sainte-Réparade, Genießen mit Kunst im Weingut, Boutiquehotel.
chateau-la-coste.com
Hôtel Gounod, St.-Rémy-de-Provence, entzückend-nostalgisches Refugium im Herzen des provenzalischen Städtchens, reizende Gastgeber, kleiner, netter Pool,
hotel-gounod.com
Erleben:
Gallifet Art Center, Aix, Kunstzentrum mit Boutique, Restaurant und Apartments, www.hoteldegallifet.com/en
Les Baux-de-Provence, ausgezeichnet als eines der schönsten Dörfer Frankreichs, sehr touristisch, sehenswert sind das Musée Yves Brayer (www.yvesbrayer.com/en) und die Carrières des Lumières und ihre Multimedia-Kunstprojektionen (www.carrieres-lumieres.com/en).
Moulin du Calanquet, St.-Rémy-de-Provence, preisgekrönte Olivenöl-Mühle, Verkostungen und ab-Hof-Verkauf von Öl, Tapenaden, Marmeladen etc., moulinducalanquet.fr
Terre Ugo, Seifen-Workshop beim Lavendelfeld, Aix, terreugo.com
Mehr Info:
cezanne2025.com/evenements
www.fondation-vincentvangogh-arles.org
aixenprovencetourism.com
arlestourisme.com
france.fr und myprovence.fr