Anlässlich des Kreativschreibwettbewerbs "Texte. Preis für junge Literatur", der im Herbst 2024 bereits zum 14. Mal in Wien stattgefunden hat, möchte ich mich der Frage widmen, warum es gerade heutzutage besonders wichtig ist, sich schwierigen Themen zu stellen, und inwiefern es damit zurzeit Probleme gibt.
Dabei beziehe ich mich auf den Text "werner x jaqueline" von Franziska Payr, in dem es um eine gewaltvolle Beziehung geht und in dem in vulgärer und expliziter Sprache geschildert wird, wie Werner Jaqueline sexuell missbraucht. Dieser Text qualifizierte Payr für das Finale, doch im Gegensatz zu den anderen Finaltexten wurde "werner x jaqueline" nicht vorgelesen, um niemanden aus dem Publikum zu "triggern".
Nun kann man dies - wie immer - aus mehreren Blickwinkeln betrachten, und natürlich ist es ein gutes Zeichen, dass es heutzutage schon als ganz selbstverständlich gesehen wird, auf jedermanns Gefühle Rücksicht zu nehmen und diese auch wirklich ernst zu nehmen. Viel zu lange wurden psychische Probleme schließlich unter den Teppich gekehrt. Und wenn vermieden werden soll, dass zum Beispiel bei Betroffenen sexueller Gewalt Flashbacks hervorgerufen werden, indem man einen Text aus dem Programm streicht, dann ist das zumindest im Ansatz positiv zu bewerten. Überdies sollte einem als Veranstalter immer bewusst sein, was vielleicht wirklich nicht in den einen oder anderen Rahmen passt (zum Beispiel aufgrund des jungen Publikums). Dann wäre es nötig, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vorhinein entsprechend über etwaige Bedingungen zu informieren, was von "Texte.Wien" im Herbst leider versäumt wurde.
Jedoch stellt sich die Frage, ob es nicht auch Dinge gibt, die trotz ihrer unschönen Natur einfach gesagt und vor allem gehört werden müssen. Es passiert nun einmal viel Furchtbares in der Welt, und uns dem zu stellen, ist nur möglich, wenn wir auch wirklich hinsehen. Und dazu gehört eben manchmal auch, Probleme beim Namen zu nennen und sie nicht schönzureden, so ungemütlich das auch sein mag. Oder wie Ingeborg Bachmann sagt: "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar." Wo liegt also diese Grenze zum "Unsagbaren", wo gilt es, zurückzutreten und zu schweigen? Und wann ist Konfrontation notwendig, um voranzukommen? In wessen Verantwortung liegt es eigentlich, zu bestimmen, was zu weit geht und was noch nicht?
Eine wesentliche Rolle spielen hierbei eine gewisse Grundmoral, über die jeder Mensch verfügt, und außerdem elementare Gefühle wie Ekel oder Empathie, die uns entscheiden lassen, was wir als abstoßend und was als mitleidserregend empfinden.
Vor allem prägen uns und unser Denken aber die Normen und Regeln der Gesellschaft, in der wir leben, und wie von selbst verinnerlichen wir die Tabus und Grenzen, die von ihr gestellt werden. So fällt es uns zum Beispiel immer noch schwer, Vergewaltigung in all ihrer Hässlichkeit zu thematisieren, weil wir einerseits ein ganz natürliches Unbehagen dem Thema gegenüber haben und andererseits gelernt haben, dass darüber nur ungern gesprochen wird und insbesondere die Beleuchtung von Details nicht erwünscht ist. Doch gerade die braucht es, um die Schwere des Themas greifbar zu machen und die einen oder anderen wachzurütteln und zur Aktion zu rufen!
Wie sollen wir schließlich etwas verändern, mit dem wir uns nicht einmal in Form eines literarischen Textes befassen wollen? Denn das ist es, worum es schlussendlich bei jedem brenzligen Thema geht: Nicht das Aufgeilen an einer Schrecklichkeit ist Grund für explizite Schilderungen, sondern das Bedürfnis, sich diese ins Bewusstsein zu rufen und in den Menschen das Bedürfnis zu wecken, gegen sie vorzugehen.
Und dabei müssen wir es schaffen, unsere immer größer werdende Komfortzone zu verlassen. Denn nur so ist es möglich, den Raum des Dialogs weiter offenzuhalten.
Sophie Klein ist 17 Jahre alt, kommt aus Seekirchen am Wallersee und besucht das Musische Gymnasium in Salzburg.
