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Kontrollverlust!

Wo bleibt der Sicherheitsgurt? Unsere Junge-Seite-Autorin Nora Grössenberger fordert ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre.

Immer neue Bilder, Personen und Erzählungen füllen durch endloses Scrollen auf Social Media unseren Kopf. Es fühlt sich gut an, in den Welten anderer zu versinken, und man vergisst alles um sich herum, doch zu welchem Preis? Als ich mit 14 Jahren mein erstes Smartphone bekam, lud ich verschiedene Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram herunter. Nach ein paar Monaten hatte ich den Algorithmus mit vielen Informationen über mich gefüttert, sodass immer die spannendsten Videos auf meinem Feed erschienen.

Es entwickelte sich bei mir das ständige Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich nicht täglich mindestens eine Stunde auf TikTok verbrachte. Meine alten Hobbys wie beispielsweise das Lesen bereiteten mir kaum mehr Freude, und ich konnte mich viel schlechter konzentrieren.
Zum Glück hatten mich meine Eltern, bevor ich das Smartphone bekam, sehr gut über die Gefahren von Social Media informiert.

Deshalb konnte ich mein Nutzungsverhalten nach einer gewissen Zeit reflektieren. An einem Abend, nachdem ich sechs Stunden auf TikTok verbracht hatte, wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Nun erkannte ich, wie sehr sich mein Wohlbefinden in den letzten Monaten verschlechtert hatte. Deshalb löschte ich die App noch am selben Abend. Im folgenden Monat lud ich TikTok zwei Mal fast erneut herunter, konnte mich jedoch beide Male im letzten Moment besinnen. Inzwischen erkenne ich, wie sich mein Leben ohne die Plattform gebessert hat.

Immer noch beschäftigt mich das Thema sehr stark, denn täglich sehe ich um mich herum Leute, die in ihr Smartphone versunken sind. Ursprünglich dachte ich, dass ich einer der wenigen Menschen mit unkontrolliertem Nutzungsverhalten sei, doch inzwischen bin ich überzeugt, dass es viel mehr Leute betrifft als ursprünglich angenommen. Deshalb habe ich mehr dazu recherchiert. Vor allem das Buch "Generation Angst" von Jonathan Haidt hat mir die Augen geöffnet.

So ist die enorme Smartphone-Nutzung unter anderem verantwortlich für den rasanten Anstieg an psychischen Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen und ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Es macht mich wütend zu sehen, dass bereits zehn- oder zwölfjährige Kinder auf Social Media ihre Freizeit verbringen, obwohl sie noch viel zu jung dafür sind. Falls es überhaupt ein Alter gibt, ab dem man dazu bereit ist, so liegt dieses bestimmt nicht in der Kindheit! Ein extremes Nutzungsverhalten im jungen Alter kann die Entwicklung erheblich beeinträchtigen. Trotzdem scheint kaum jemand etwas verändern zu wollen.

Die aktuelle Situation lässt sich gut vergleichen mit der in den 1960ern, als es in den meisten Autos noch keine Sicherheitsgurte gab. Erst als die Anzahl der Unfallopfer rasant anstieg, wurden entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei den Smartphones ist inzwischen auch deutlich zu sehen, dass die Zahl der psychischen Krankheitsfälle in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Nun ist es an der Zeit, darauf zu reagieren und Regelungen einzuführen, um die Leute zu schützen. Dazu braucht es auch die Hilfe von Politikern und Politikerinnen.

Für Kinder unter 16 Jahren - in dieser Zeit macht das Gehirn noch wichtige Veränderungen durch - braucht es ein vollständiges Verbot für die Nutzung von Social-Media-Plattformen. Natürlich ist es nicht sicher genug, von den Anbietern der Social-Media-Plattformen eine Altersbegrenzung zu fordern, denn der Datenschutz würde dabei verletzt werden. Eine bessere Option ist, dass die Altersüberprüfung auf eine Zweitplattform verlegt wird. Beim Anmelden würde man also auf diese Plattform verwiesen werden und bei passendem Alter eine Bestätigung erhalten, die einem erlaubt, auf Social Media fortzufahren.

Jeder Bürger, der Social Media nutzen will, müsste sich auf der Zweitplattform mit einem offiziellen Ausweis anmelden. Die Sicherung der Daten wäre dadurch gewährleistet. Die Herangehensweise, die ich eben geschildert habe, wird im Buch "Generation Angst" von Jonathan Haidt noch genauer beschrieben. Mir ist natürlich klar, dass sich eine Altersbegrenzung erst durch Interaktion zwischen verschiedenen Politikern und Techkonzernen durchführen lässt. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dieses Problem deutlich zu kommunizieren. Dazu braucht es auch eure Stimme!

Ich habe bereits an mehrere österreichische PolitikerInnen geschrieben, und weitere Mails - auch an Politikerinnen und Politiker auf EU-Ebene - werden folgen. Denn wie viele junge Menschen sollen Social Media noch zum Opfer fallen? Auf was warten wir noch? Kinder haben ein Recht darauf, in einem geschützten digitalen Umfeld aufwachsen zu können. Es ist an der Zeit, dass wir endlich einen Sicherheitsgurt anlegen!

Nora Grössenberger ist 16 Jahre alt, kommt aus Obertrum und besucht das SUM-Realgymnasium in Salzburg.