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Ostsee-Stadt Wismar: Ein Blick zurück ins Königreich

Jedes Jahr führt die Zeitreise vier Jahrhunderte zurück - in die Zeit, als die Ostseestadt noch zum Königreich Schweden gehörte.

Prächtige Fassaden auf Wismars Hauptplatz, dem Alten Markt.
Prächtige Fassaden auf Wismars Hauptplatz, dem Alten Markt.
Beim „Schwedenweg“ defilieren kostümierte Teilnehmer ...
Beim „Schwedenweg“ defilieren kostümierte Teilnehmer ...
... und sogar eine Delegation von Wismars schwedischer Partnerstadt Kalmar ...
... und sogar eine Delegation von Wismars schwedischer Partnerstadt Kalmar ...
... in historischem Gedenken durch die Altstadt.
... in historischem Gedenken durch die Altstadt.
Beliebter Treffpunkt: der Alte Schwede am Hauptplatz.
Beliebter Treffpunkt: der Alte Schwede am Hauptplatz.

Fliegende Fahnen, aufwendige Kleider mit Unterrock und Spitze, traditionelle Hüte, klassische Trachten und Anzüge in Gelb-Blau mit Säbelschwert und Volksmusik. Das ist der Festumzug, der "Schwedenweg", am Schwedenfest in Wismar. Bis zu 1000 Personen spazieren so jedes Jahr am dritten Sonntag im August durch die historische Altstadt, seit 2002 Unesco-Welterbe. So auch Olaf Heilig, Vorsitzender der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft Wismar: "Wir haben eine blaue Schärpe und blaue Kittel." Die meisten Kostüme und Trachten sind extra für das Fest geschneidert, auch Kinder und Jugendliche, viele in Tanzgruppen, nehmen am festlichen Schwedenweg teil. Heilig sagt stolz: "Das ist der Höhepunkt der deutsch-schwedischen Freundschaft." Die wird nun gebührend gefeiert, vier Tage lang. Ist doch das Schwedenfest in Wismar das größte außerhalb Schwedens. Und nebenbei das zweitgrößte Volksfest im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, mit jährlich rund 100.000 Gästen.

Nicht immer war es so friedlich: 1632 fielen die Schweden ein

So freundschaftlich war das Verhältnis nicht immer. Im Jänner 1632 überfallen und besetzen die Schweden Wismar. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wird die Stadt 1648 offiziell Teil des schwedischen Königreichs, und erst 155 Jahre später, 1803, verpfändet Schweden die Stadt wieder ans deutsche Mecklenburg. "Der Pfandvertrag wurde aber nicht eingelöst, weshalb Wismar erst 1903 endgültig an Mecklenburg fiel", erklärt Marco Trunk von der Stadt Wismar.

Alles längst Vergangenheit, sagt Olaf Heilig. "Heute feiern wir das Positive und die fruchtbare Nachbarschaft." Man könne viel voneinander lernen und freue sich über die gute Zusammenarbeit, unter anderem in Form der Städtepartnerschaft oder der Zusammenarbeit der Hochschulen. Für das Schwedenfest reisen Vereine aus der schwedischen Partnerstadt Kalmar an, viele Musikgruppen.

Wie vor knapp 400 Jahren wird schlussendlich die gesamte Altstadt schwedisch. Wismars Hauptplatz, der Alte Markt, wird zum Umschlagplatz traditioneller Handwerkserzeugnisse - Holz- und Silberschmuck, Holzbesteck und Holzmesser. Jule Borgwardt ist hier geboren. Sie beschreibt: "Die Vereine spielen die Scharmützel nach, mit Kostümen und allem Drum und Dran." Die Straßen bis zum Hafen werden zu blau-gelb bewimpelten Festmeilen mit Köstlichkeiten wie schwedischen Köttbullar (Fleischbällchen), deutschen Fischbrötchen und "Quarkbällchen". Bei Borgwardts Stand an der Hafenspitze gibt es zudem schwedische Kanelbullar und Kladdkaka, also Zimtschnecken und Schokokuchen. Wer sich zur Pause auf einer der Bierbänke niederlässt und um sich blickt, entdeckt noch mehr aus der schwedischen Vergangenheit der Stadt. Etwa die hölzernen Schwedenköpfe, die jeden Schiffsreisenden am Hafen begrüßen, das schwedische Kommandantenhaus oder den Schwedenstein aus 1903. "Das beste Beispiel ist wahrscheinlich unsere Stadtbibliothek, die im historischen Zeughaus untergebracht ist. Damals wurden dort Waffen gelagert, heute ist es ein Veranstaltungsraum für uns", sagt Marco Trunk. Auch das Gasthaus Alter Schwede symbolisiert die Verbundenheit mit dem nördlichen Land, die Fassade erinnert an den Reichtum des Hansebunds. Seit 2002 zählt Wismars Altstadt zum Unesco-Welterbe.

Heute spielen sie Wikingerschach

Und noch etwas, sagt Trunk: "Kubb oder Schweden- oder Wikingerschach wird in Wismar viel gespielt. Das ist ein etwas taktischeres Boulespiel mit Figuren und gehört hier zum Volkssport." Heilig ergänzt: "Wir feiern Midsommar im Juni, wir machen das traditionelle Weihnachtsessen Julbord und Lucia im Dezember." Jule Borgwardt hat in Stockholm studiert, vor gut einem Jahr hat sie den gemeinnützigen Verein Kanonbra gegründet, auf Deutsch: großartig, lustig. In den Kindergruppen der Lehrerin gibt es Familien mit schwedischer Verwandtschaft, ohne dass die schwedischen Traditionen strikt gelebt werden. Dabei müsse man auch bedenken, sagt Jule, das Land sei groß und habe unterschiedliche Traditionen. "Wie auch wir."

Das jährliche Schwedenfest ist im Laufe der Jahre gewachsen. "Im Schwedenjahr 2003 entstand anlässlich des Jubiläums des Pfandvertrags das erste Schwedenfest mit Schwedenweg und Schwedenmahl", erinnert sich Marco Trunk. "Heute ist es unser größtes Stadtfest." Für Olaf Heilig ein Beitrag zur Völkerverständigung, wenn deutsche wie auch schwedische Vereine in ihren traditionellen Trachten und Kostümen durch Wismar ziehen. "Der Schwedenweg ist immer ein gebührender Abschluss", sagt Olaf Heilig. Heuer kommt sogar die Königliche Leibgarde zum Schwedenfest. Danach wird auf dem Marktplatz noch gefeiert. Marco Trunk schmunzelt. "Zu den Klängen von Abba, versteht sich."

Reiseinfo: Heuer findet das Schwedenfest von 14. bis 17. August statt. www.wismar.de