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Strampeln für ein Achterl: Mit dem Rad zum Moselwein

Herbstgold. Mit Schiff und Rad die Mosel entlang - eine bewegte Woche voll wechselnder Flusslandschaften mit einer Extraportion Kultur, vom lothringischen Metz bis ins pfälzische Cochem.

Ein Höhepunkt und Ende der Reise: Cochem an der Mosel.
Ein Höhepunkt und Ende der Reise: Cochem an der Mosel.
Ausgangspunkt und einen Besuch wert: Lothringens Hauptstadt Metz.
Ausgangspunkt und einen Besuch wert: Lothringens Hauptstadt Metz.
Immer am Fluss entlang geht es über Thionville...
Immer am Fluss entlang geht es über Thionville...
...bis ins luxemburgische Schengen.
...bis ins luxemburgische Schengen.
Museumsdirektorin Martina Kneip ist stolz auf ihr rundum erneuertes und ...
Museumsdirektorin Martina Kneip ist stolz auf ihr rundum erneuertes und ...
...interaktives Schengen-Museum.
...interaktives Schengen-Museum.
Kunst zum Drauftreten: römischer Mosaikfußboden in Nennig.
Kunst zum Drauftreten: römischer Mosaikfußboden in Nennig.
Der Wein brachte Ruhm und Geld in die Region: Wormeldange auf dem luxemburgischen Ufer.
Der Wein brachte Ruhm und Geld in die Region: Wormeldange auf dem luxemburgischen Ufer.
Radguide Mejntje: Luftkontrolle in Grevenmacher.
Radguide Mejntje: Luftkontrolle in Grevenmacher.
Saarburg: Mühlen, ein Wasserfall und eine prachtvolle Burg.
Saarburg: Mühlen, ein Wasserfall und eine prachtvolle Burg.
Blick von der Festung auf Saarburgs Weinberge, die Saar und das Schiff.
Blick von der Festung auf Saarburgs Weinberge, die Saar und das Schiff.
Trier, Porta Nigra.
Trier, Porta Nigra.
Karl Marx’ Geburtshaus.
Karl Marx’ Geburtshaus.
Kapitän Bert Mannak steuert die „Princesse Royal“ routiniert...
Kapitän Bert Mannak steuert die „Princesse Royal“ routiniert...
... durch die zahlreichen Schleifen der Mosel.
... durch die zahlreichen Schleifen der Mosel.
Alt und neu: die „Princesse Royal“ fährt an einem römischen Lastkahn vorbei.
Alt und neu: die „Princesse Royal“ fährt an einem römischen Lastkahn vorbei.
Die Moselschleife bei Bremm.
Die Moselschleife bei Bremm.
Mittelalter als Mode: die im 19. Jahrhundert wiederaufgebaute Burg von Cochem.
Mittelalter als Mode: die im 19. Jahrhundert wiederaufgebaute Burg von Cochem.
Die Route: Wahlweise von Metz nach Cochem oder retour.
Die Route: Wahlweise von Metz nach Cochem oder retour.

Ausgerechnet in Frankreich ist vom Wein nichts zu sehen. Die Mosel, ein Name, der sonst für namhafte Rieslinge steht, fließt ab Lothringens Hauptstadt Metz statt zwischen Weinbergen durch geschichtsträchtiges Stahl- und Eisenland, vorbei an Kriegerdenkmälern, trägt auf ihren Wellen schwere Lastkähne - und auch die "Princesse Royal", vergleichsweise ein Leichtgewicht mit 62 Metern Länge und einer Höchstgeschwindigkeit von 16 Stundenkilometern. Eigentlich völlig ausreichend, um die schöne Landschaft von Deck aus genüsslich zu bewundern, aber nix da, Bewegung ist angesagt. Kaum sind die Handvoll Passagiere und ihre Räder an Land gespuckt, rund zehn Kilometer vor Thionville, geht's auch schon los, rund 280 Kilometer lang, stets am Ufer der Mosel stromabwärts bis zum Endpunkt Cochem. Und weil von Genuss die Rede war: Was da nur ganz leise surrt, ist das E-Bike. Wer will denn schon schwer atmend der Gruppe hinterherhecheln, also zum Teufel mit der Eitelkeit! Fast fährt das Rad ganz von allein, ruhig und ebenso friedlich wie die Mosel, die graugrün und regungslos neben dem Radweg liegt. Vorbei an Kormoranen, Reihern und bunt gefiederten Nilgänsen, die eigentlich Enten sind, aber wer nimmt das schon so genau.

Dann endlich ist die letzte Wolke zur Seite geschoben, die Sonne bricht sich ihre Bahn, und plötzlich ist es mindestens drei Grad wärmer. Und auch der Fluss selbst hat sein Gesicht verändert, zeigt sich in heiterem Silberblau. Still liegen Lastkähne am Ufer, manche im Schatten der Laubbäume, als wären sie bereits im Ausgedinge, als gebe es nichts mehr zu tun. Schwäne sind mit ihrer Morgentoilette beschäftigt, gelangweilte Kühe werfen uns einen Seitenblick zu.

Es fröstelt uns ein wenig an diesem Oktobermorgen. In Thionville ist Kaffeepause angesagt, Radguide Mejntje, die vorneweg fährt, hebt die Hand, Stopp. Mit dem Croissant wird's aber nichts, denn es ist Montag, so gut wie alle Patisserien sind an diesem Tag in Frankreich geschlossen. Hätte man wissen können. Also weiter. Na endlich, die ersten Weinberge kommen in Sicht - also doch - und damit auch Schengen. Der luxemburgische Grenzort hat seinen Namen tief ins europäische Bewusstsein eingegraben, im rundum renovierten Museum wird für nur fünf Euro europäische Geschichte interaktiv nahegebracht, es gibt Kinderprogramme, Führungen für Jugendliche. Doch vor dem Betreten heißt es: Bitte einchecken. Die Eintrittskarte wird personalisiert, das ist gut für die Statistik und für die Gäste, die auf den Screens im Museum mit ihrem Namen begrüßt werden. Finanziert wird alles von Luxemburg. "In diesem Jahr haben wir nach dem Umbau wieder aufgesperrt", sagt Museumsleiterin Martina Kneip, sichtlich hocherfreut, "jetzt ist alles neu und vor allem multimedial." Zweite Station des Museums: das Schiff. Auf der "Prinzessin Marie-Astrid" wurde 1985 und 1990 hier im Dreiländereck Luxemburg-Frankreich-Deutschland der Schengenvertrag unterzeichnet, "im ersten Stock und von der zweiten Garnitur", wie die Museumsdirektorin sagt, "in ganz kleinem Rahmen". Robert Goebbels, zu dieser Zeit Minister in Luxemburg und Vertreter des Landes, wird zitiert: "Wenn mein Chef gewusst hätte, dass der Vertrag in die Weltgeschichte eingehen würde, hätte er das Papier selber unterzeichnet und nicht mich hingeschickt."

Geschichte, wohin das Auge blickt. Sogar auf dem Fußboden - wenn unser zweiter rollender Reiseleiter Hugo angesichts des makellosen Mosaiks in der römischen Villa mit dem Museumswärter ins Diskutieren kommt. War hier einst eine Gladiatorenschule oder wollte der Hausherr nur seine Gäste beeindrucken?

Die Abende sind gemütlich, zwischen Hausmannskost, dem einen oder anderen Glas Wein, seltsamerweise nicht von der Mosel, und einem Gewirr von Sprachen. Immerhin sind insgesamt sieben Nationalitäten an Bord. Wenn's drauf ankommt, einigt man sich jedoch, wie meistens heutzutage, auf Englisch. Und erfährt, dass Alan aus Washington Architekt im Ruhestand ist, Pat aus dem australischen Perth früher die Kinderseiten einer Zeitung gestaltet hat und Lia, die holländische Ärztin, bereits an einer geplanten Jeep-Tour durch Mauretanien bastelt. Doch jetzt ist Schlafenszeit. Denn morgens um acht wird zum Frühstück gebimmelt, um neun heißt es Abfahrt. Für manche Nachteulen eine Herausforderung.

Der Radweg auf der deutschen Seite gibt den Blick frei auf die schnurgeraden Rebzeilen am luxemburgischen Moselufer und die kleinen und auch größeren Häuser am Wasser und auf den Hügelkämmen. Mit Tempo geht's vorbei an Wormeldange - was für ein Name - und über die Brücke nach Grevenmacher. Im kleinen Ort in Luxemburg lernen wir, dass es hier sensationelle Konditoreien gibt, man zu den Obstfliegen "Krunnemecke" sagt und sich hinter einer "Härrebuttek" ein Fachgeschäft für Männer-Oberbekleidung verbirgt. Und Frankreich ist noch nicht weit: Die Vitrine der Patisserie Hoffmann kann sich sehen lassen. Lise hinter dem Tresen lächelt. "Unsere Spezialität ist der Baumkuchen, den wir hier auch scheibenweise verkaufen." Zu süß. Lieber noch schnell ein Stück vom flaumigen "Käsekuchen" für den Weg einpacken - auch dafür ist das Haus bekannt.

Dann geht's über den kleinen Berg - die Akkus sind voll - und an die Grenzen der Kondition, bei einem fordernden Mix aus Anstieg, grobem Schotter und tiefen Rillen der Traktorreifen. Absteigen und schieben ist aber auch keine Lösung, also wird auf den Ehrgeiz gepfiffen und hochgeschaltet auf Turbo, und zwar auf Stufe eins. Endlich angekommen auf dem Kamm zwischen Mosel und Saar beschränkt sich zwar der versprochene "grandiose Panoramablick" auf weite Felder und kleine Wäldchen, die wahre Belohnung ist dann ein Picknick, friedlich und erschöpft, im sonnenbeschienenen Gras, als Zuschauer nur eine neugierige, junge Kuh.

Der dritte Tag, die kürzeste Tour, die interessanteste Stadt: Entlang der Saar geht es vom postkartentauglichen Saarburg bis nach Konz, wo der Fluss in die Mosel mündet. Allerdings tut sie das recht unspektakulär. Rund eine halbe Stunde später rollt der Tross in der fürsterzbischöflichen Stadt Trier ein, worüber es jede Menge zu erzählen gibt. Nicht nur über Karl Marx, von den einen bewundert, den anderen abgelehnt. Seine Geburts- und Heimatstadt scheint ihn ebenfalls mit gemischten Gefühlen zu betrachten. Zwar gibt es eine große Statue - von China gestiftet - und ein Museum, aber: Die Karl-Marx-Straße ist eine Einbahnstraße, und in seinem Wohnhaus nahe dem römischen Stadttor Porta Nigra residiert heute ein Ein-Euro-Shop.

Das Schiff liegt schon vor Anker. Am Steuer sitzt ein Pensionist. Bert Mannak hat 40 Jahre lang Binnenschiffe durch Europa gelenkt, heute springt er immer noch gerne ein, war doch Schiffseigner Roy van der Veen einst sein Schüler. Gefahren wird mit Biodiesel, wie Cleo Diesveld sagt. Sie ist für die Nachhaltigkeit bei Boat&Bike zuständig, sucht nach Landstromanschlüssen und achtet auf Mülltrennung. Dennoch wird am letzten Tag all das, was die Gäste fein säuberlich getrennt hatten, in einem einzigen Sack entsorgt. "Wenn keine Container vor Ort sind, geht's nicht anders."

Jeder Tag bringt Neues, Bilderbuchblicke auf goldgelbe Rebzeilen ebenso wie kulturträchtige Zwischenstopps zwischen alten Kirchen und Fachwerkhäusern. Trittenheim, Neumagen, Piesport und Kesten, Bernkastel-Kues, Traben-Trarbach und schließlich Zell. Dort erst erfährt die Radlertruppe, wer den Wein an die Mosel brachte. Die Römer natürlich, sagt Friedjo Treis, während er in seinem Keller die Gläser mit Riesling, Spätburgunder und Rötling füllt. "Die Fahrt von Gallien bis hierher war lang, der Durst war groß, was im Fass fehlte, wurde einfach mit Wasser aufgefüllt." Er lacht. "Was also hier ankam, war nicht zu saufen. Da beschloss man, die Reben vor Ort anzupflanzen." Eine gute Entscheidung.

Am nächsten Tag ist Cochem erreicht, fast ein bisserl schade. Die Burgen, die Weinstuben, die Spuren der Römer, die Mosel hätten noch ein wenig mehr Zeit vertragen.

Reiseinfos: www.boatbiketours.de/reisen/cochem-metz