Requiescat in pace. Er - oder sie - möge in Frieden ruhen. Ein klassischer Wunsch an Verstorbene. Friede und auch Ruhe? Gar nicht so einfach, schon für die Lebenden, vor allem in einer so quirligen, lauten und lebensfrohen Stadt wie der Ewigen: Rom. Papst Franziskus ließ sich, wie schon einige seiner Vorgänger, in seiner Lieblingskirche zur Ruhe betten - Santa Maria Maggiore. Nahe dem Seitenaltar des heiligen Franziskus von Assisi, mit einer schlichten Platte aus ligurischem Stein bedeckt und mit der Inschrift "Franciscus".
Die Kirche auf dem Gipfel des Esquilin-Hügels, laut Legende von Maria persönlich in Auftrag gegeben, ist eine von vier päpstlichen Basiliken und darüber hinaus ein wahres Schatzkästchen, birgt Reliquien und Kunstwerke. Ruhig und beschaulich wird es in allernächster Zeit wohl nicht zugehen, wer dennoch hierherkommt, sollte sich die größten Highlights nicht entgehen lassen, darunter das marmorne Hochrelief der Himmelfahrt Marias, ein Meisterwerk von Pietro Bernini, und die bedeutendste Marienikone Roms, die "Salus populi Romani". Die Tafel aus Zedernholz zeigt die Jungfrau mit dem Jesuskind im Arm, die Darstellung selbst wird dem Evangelisten Lukas zugeschrieben, Schutzpatron der Maler. Und, aus aktuellem Anlass: Auch Papst Franziskus stellte seine apostolischen Reisen unter den Schutz dieser "Salus", der er gewöhnlich vor der Abreise und nach der Rückkehr seinen Besuch abstattete.
Wir bleiben auf dem Esquilin: Dem Rummel und den trauernden Pilgern lässt sich leicht entfliehen, und zwar in die Basilika Santa Prassede. Wer ihre Tore öffnet, lässt mit einem Schritt die Jetztzeit hinter sich und betritt die mystische Welt des 5. Jahrhunderts. Das Gewölbe der Apsis schimmert in den - heute noch - lebendigen Farben eines meisterhaften Mosaiks aus dem 9. Jahrhundert, eine Darstellung der zweiten Wiederkehr Christi zum Jüngsten Gericht, Jesus selbst ist flankiert von den Heiligen Peter und Paul, den Schutzpatronen Roms. Mindestens ebenso staunenswert: die Seitenkapelle des heiligen Zenon von Verona. Zwei Bögen sind mit Mosaikporträts bedeckt, der innere Ring mit Maria und kostbar geschmückten Damen im Stil byzantinischer Prinzessinnen, der äußere mit Jesus und seinen Aposteln. Und das ist nur der Beginn. Tipp: einen Euro einwerfen und die Beleuchtung aktivieren, die all die kleinen, in den Mosaiken verstreuten, vergoldeten Glassteinchen - "tesserae" genannt - aufleuchten lässt. Ein magischer Anblick.
Auf geht es zum nächsten Hügel: Auf dem Celio - prominent zwischen Kolosseum und Lateran und seinen Touristenströmen - liegt eine wahre Oase der Ruhe, befestigt wie eine Burg: die Kirche Quattro Coronati. Gleich vier Bildhauer, andere sagen Gardesoldaten, sollen sich geweigert haben, dem Äskulap zu huldigen und wurden daraufhin von Diokletian hingerichtet. Besucher müssen erst durch ein paar Innenhöfe des Augustinerinnenkonvents, bis sie die hübsche Kirche betreten können. Die Kapelle des heiligen Silvester beeindruckt durch ihre Freskenzyklen, aber das wahre Juwel liegt hinter dem linken Seitenschiff - eine Schwester öffnet die Tür und den Gast umfängt die heilige Ruhe des Kreuzgangs.
Via Sacra und Forum Romanum - wer da eine Pause braucht, der findet diese in der nahen Kirche Santi Cosma e Damiano. Upcycling ist hier das Stichwort, die Kirchenmauern waren einst Teil des Templum Pacis von Kaiser Vespasian, gewidmet ist das Gotteshaus den römischen Ärzten und Märtyrern Kosmas und Damian. In der kleinen Kirche: Stille. Die nur gelegentlich von festlichen Klängen unterbrochen wird, sind doch die alten Mauern und ihre durch die Jahrhunderte bunt durcheinandergewürfelten Kunstschätze - von der antiken Bronzetür des einstigen Romulus-Tempels bis zu den blauen Mosaiken der Apsis aus dem 6. Jahrhundert - ein beliebter Rahmen für Trauungen.
Eine grüne Oase mitten im Herzen von Rom: Die Kirche Santa Sabina all'Aventino aus dem 5. Jahrhundert und damit zur gleichen Zeit erbaut wie Santa Maria Maggiore zählt zu den ältesten Basiliken der Christen in Rom. Schmucklos und schlicht von außen, von geradliniger Erhabenheit im Innenraum, gibt die Kirche eine gute Ahnung, wie die erste Version des heutigen Petersdoms ausgesehen haben mag. In diesem Gotteshaus auf dem Aventin lässt sich Ruhe finden und durchatmen. Auch hier wurde auf alten Grundmauern gebaut, auch hier sind noch deutlich Spuren der Antike zu finden, eine Säule aus dem Atrium eines Hauses, die Umrahmung der Eingangstore, ein Sarkophag aus dem 3. Jahrhundert in der Vorhalle. Und ein Orangenbaum in einem versteckten Kreuzgang erinnert an Sankt Dominik.
Eine wahre Wohltat jedoch ist ein Spaziergang durch den "Parco Savelli" oder auch "Giardino degli Aranci" gleich neben der Kirche - der duftende Orangengarten mit seinem atemberaubenden Blick auf Rom tut Auge und Nase gleichermaßen gut!
Nach so viel frühchristlicher Schlichtheit nun ein Meisterwerk des Hochbarock: San Girolamo della Carità am linken Tiberufer schöpft aus dem Vollen. Vielfarbiger Marmor schmiegt sich in kunstvollen Intarsien wie Tapisserie an die Wände, Engel aus weißem, kühlem Stein neigen sich und lächeln, korinthische Kapitelle zieren die Pilaster und prächtige Ölgemälde die Wände, von der Kassettendecke schimmert es in Gold und Lapislazuli-Blau. Die virtuose Dekoration der einschiffigen Kirche, nicht zuletzt in der seitlichen "Cappella Spada" aus dem Jahr 1654, bildet jedoch einen fast gemütlichen Rahmen und erinnert mehr an einen englischen Salon als an eine Kirche - ideal für eine beschauliche Pause und Flucht vor dem hektischen Treiben vor der Tür.
Die Ewige Stadt verzeichnet rund 900 Kirchen, viele sind wahre Schätze, nicht alle sind für Besucher geöffnet. Wen jetzt bereits die Füße schmerzen, wer Durst hat oder sich über den Verkehrslärm in der Ewigen Stadt ärgert: Abhilfe schafft der heilige Stefan. In der Kirche Santo Stefano Rotondo - errichtet im 5. Jahrhundert über einer römischen Kaserne samt Mithrastempel als eine Art Nachbau der Rundkirchen im Heiligen Land. Diese aber steht auf dem Celio. Wer das Innere betritt, ist gefangen von der fast ätherischen Stimmung, von der perfekten Harmonie der drei konzentrischen Kreise, in der Mitte ein eingeschriebenes griechisches Kreuz - ein großartiges Bauwerk. Doch Vorsicht: Sensible Naturen sollten den Wänden keinen näheren Blick gönnen. Denn der Freskenzyklus aus dem 16. Jahrhundert von Niccolò Pomarancio zeigt in allen grausigen Einzelheiten, wie ein armer Christenmensch das Martyrium erleiden kann. Da werden Gliedmaßen abgeschnitten, werden arme Seelen in Kesseln gesotten, kommen Foltermaschinen aller Art zum Einsatz, und das Blut fließt, dass sogar Freunde von Splatterfilmen blass um die Nase werden.
Wer dann wieder unter die römische Sonne tritt, merkt, wie gut es ihm eigentlich geht und dass das bisschen Fußschmerzen vom langen Gehen nicht der Rede wert ist. Apropos Gehen: Auf dem Weg von hier in Richtung Caracalla-Thermen liegen zahlreiche Cafés, Straßenstände mit Bergen von Eiscreme und anderen Erfrischungen. Und wer immer noch ein bisserl zittert von den Pomarancio-Fresken, dem sei zur Beruhigung ein Spaziergang von etwa einer Dreiviertelstunde in Richtung Piazza Navona und ein Besuch in der erhabenen Kirche Santa Maria della Pace ans Herz gelegt. Im barocken Bauwerk und seinem Kreuzgang, gewidmet der Heiligen Jungfrau vom Frieden, ist der Name Programm.
Info: www.italia.it, www.turismoroma.it/de