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Reise-Tipp: Warum sich ein Besuch bei den Wildpferden Berlins lohnt

Im Norden der deutschen Hauptstadt leben Pferde wild auf riesigen Freiflächen - und ein Ausflug dorthin lohnt in vielerlei Hinsicht.

Die Wurzeln dieser Rasse liegen in Polen, ihr Name „Konik“ bedeutet auf Deutsch „Pferdchen“.
Die Wurzeln dieser Rasse liegen in Polen, ihr Name „Konik“ bedeutet auf Deutsch „Pferdchen“.
Um die wild lebenden Konik-Pferde ...
Um die wild lebenden Konik-Pferde ...
 ... kümmert sich Antonia Gerk in Hobrechtsfelde.
... kümmert sich Antonia Gerk in Hobrechtsfelde.
Im Norden von Berlin: Liebenthaler Pferde.
Im Norden von Berlin: Liebenthaler Pferde.

"Antonia und die wilden Pferde" lautete der Titel der Reportage in einer Frauenzeitschrift. Antonia Gerke rollt mit den Augen. Sie kümmert sich jeden Tag um insgesamt 66 Pferde in Hobrechtsfelde und liest solch kitschige Titel nicht gerade gerne. Ihre Faszination für die Koniks, wie diese spezielle Rasse heißt, gibt sie aber gerne weiter. Sie selbst stammt aus Schleswig-Holstein und betreibt heute einen Kinderreithof in Hobrechtsfelde, die frühere Schauspielerin war zu sehen im "Tatort" oder bei "Notruf Hafenkante".

Das Gut mit dem markanten Speicherturm ist in einer halben Autostunde von Berlin zu erreichen, oder mit Bahn und Fahrrad vom S-Bahnhof Buch. Eine der neun Herden dann auf dem 800 Hektar großen Gelände zu finden, ist allerdings Pfadfinderarbeit. Da heißt es, sich in die Pferde "hineinzufühlen", um ihrem Aufenthaltsort näherzukommen, lautet der Tipp der Naturparkbotschafterin: Ist es heiß, stehen sie oft am "Beach", wie sie die sandige Kuhle am Bachlauf nennt. Dort trinken die Pferde, baden auch manchmal. Doch Vorsicht vor Betreten des Geländes: Hunde, auch angeleint, dürfen nicht mitgenommen werden, man soll auf den Wegen bleiben und die Pferde weder füttern noch streicheln. "Die Sache mit den Hunden ist wegen der Wölfe, auf die die Pferde aggressiv reagieren", erklärt Gerke. Pferde seien zwar Beutetiere, aber wehrhafte, und würden sich regelrecht gegen diese Räuber formieren, hat Gerke beobachtet.

Wie Pferde als Landschaftspfleger "arbeiten"

Und das Füttern? Gerke schmunzelt. Sobald ein Mensch dies einmal anfange, machen die Pferde Wegekontrolle bei den nächsten Besuchern und schnappen nach Taschen und Beuteln. Gerke: "Die sind ja nicht dumm!"

Die Rieselfelder, auf denen die Pferde zusammen mit Galloway- und Highland-Rindern, Wasserbüffeln und Mulis stehen, wurden im 19. Jahrhundert von James Hobrecht angelegt, als Entwässerungssystem für die aufstrebende Stadt Berlin. Bis 1985 wurde hier der Sandboden der Barnimer Hochfläche als Filter für das Abwasser genutzt, Rillen im Boden erzählen noch davon.

2011 wurde die Fläche - etwa so groß wie 3500 Fußballfelder - als Naturraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten entwickelt. Im Speicherturm erzählt eine Ausstellung von der Geschichte von der Waldwiese über die Rieselfelder bis zur Erholungslandschaft zeigt. Natürlich mit interaktiven Video-Screens.

"In Hobrechtsfelde haben die Pferde die Funktion der Landschaftspfleger", erläutert Gerke. Sie halten das Gras kurz, wirken der Verbuschung entgegen und düngen den Boden mit ihren Pferdeäpfeln. Ganz nebenbei schaffen sie einen Lebensraum für Wildgänse, Kraniche, Biber und Käfer. Konik-Pferde haben eine zottelige Mähne und hellgraues Fell, ihr polnischer Name heißt auf Deutsch "Pferdchen". Denn echte Wildpferde im strengen Sinn gibt es heute nicht mehr, das letzte wurde 1969 gesehen. Die heutigen Wildpferde wie Konik, Przewalski, Dülmener Wildpferde oder Liebenthaler Pferde sind Nachzuchten.

Heute steht eine Herde am Bachlauf. Friedlich grasend im blühenden Löwenzahn. Sogar im strengen Winter sind die Pferde, die zwischen 280 und 370 Kilogramm wiegen, draußen. Sie haben dann ihr dickes Winterfell und fühlen sich richtig wohl, selbst wenn darauf eine zentimeterdicke Schicht Schnee liegt.

Die Wildlinge sind sehr schreckhaft

Schnell spüren auch Menschen, die nicht reiten, den Unterschied zwischen Wildpferden und "normalen" Pferden. Die Wildlinge sind nicht schreckhaft, sondern eher neugierig, nähern sich ganz unbefangen den Besuchern und würden am liebsten schnuppern. Gerke erklärt dies mit der natürlichen Lebensumgebung - ein Pferd mag es von Natur aus nicht, den ganzen Tag im Stall zu stehen. Viel lieber ist es auf der Weide und grast gemächlich den ganzen Tag über. Wer die Wildpferde zu Gesicht bekommt, kann mit ihnen kommunizieren. Und zwar mit Körpersprache. Dazu zählen die Mimik, das Ohrenspiel, die Augen und die Körperhaltung. Das gleiche machen übrigens die Pferde, auch sie "lesen" ihr Gegenüber - sie erfassen sogar den Muskeltonus, die Atemfrequenz und die Herzfrequenz ihres Gegenübers!

Lohnend ist auch ein Ausflug zu der Pferdeherde in Liebenwalde nördlich von Berlin. Die Herde mit rund 100 Tieren hat eine ganz besondere Geschichte. Der Verhaltensforschers Jürgen Zutz begann mit einer Rückzüchtung in den 60er Jahren im Bayerischen Wald, nach dem Mauerfall siedelte der Forscher in die Schorfheide. Sein Traum war es, den Pferden dort unter natürlichen Voraussetzungen ein Leben in der freien Wildbahn zu ermöglichen. Der Forscher starb 1996, die Pferde sollten zur Schlachtbank geführt werden. Doch es fanden sich Retter, und so lebt die Herde bis heute in der Nähe des Haustierparks Liebenthal.

Maj Luger von der Stiftung "Pferdeherde" über die Erlebnisse bei der Beobachtung der Tiere: "Unsere Wildpferde leben in Herdenstruktur mit mehreren Familien, ein Hengst hat mehrere Stuten. Ganz anders bei normal gehaltenen Pferden, dort sind Hengste entweder kastriert oder leben nicht mit Stuten zusammen." Und sie weist darauf hin, dass Wildpferde aus der Herde zu verkaufen sind und problemlos zu Reitpferden ausgebildet werden können. Wer also Hippotherapie mit einem Liebenthaler Wildpferd machen möchte, kann dies im Reitstall im nahen Grüneberg tun.

Reiseinfo:
Wildpferde rund um Berlin:
Gut Hobrechtsfelde, www.pferdekultur-gut-hobrechtsfelde.de
Liebenthal, www.liebenthaler-pferdeherde.de
Döberitzer Heide, Konik-Pferde und iberische Sorraia-Wildpferde, www.doeberitzerheide.de
Wildpark Schorfheide, Konik und Przewalski-Pferde,
www.wildpark-schorfheide.de
Wildpferde in Niederfinow, www.pferde-niederfinow.de