Dass die Berliner Staatsoper Unter den Linden am Samstagabend den Tod ihres früheren Intendanten Jürgen Flimm bekannt gegeben hat, weckt auch in Salzburg Reminiszenzen: Jürgen Flimm hat bei den Salzburger Festspielen zuerst als Schauspielchef von 2002 bis 2004 und dann ab 2006 als ihr Intendant vieles bewegt und mutig gestaltet. Hier war er als kluger, fröhlicher, jovialer Theatermacher zu erleben. Seit Sonntag hängt daher am Großen Festspielhaus eine schwarze Fahne.
Sein Salzburg-Debüt absolvierte er mit Bravour: 1987 wurde ihm als Deutschem zugemutet, mit Ferdinand Raimunds "Bauer als Millionär" eine Zimelie des österreichischen Theaters zu inszenieren. Dem damaligen Chef des Hamburger Thalia Theaters, wo er von 1985 bis 2000 als Regisseur wie Theaterleiter brillierte, gelang ein so prächtiger Einstand mit Schauspielern wie Otto Schenk, Christiane Ostermayer oder Gertraud Jesserer, dass dem zwei Jahre später Johann Nestroys "Mädl aus der Vorstadt" und 1991 Hugo von Hofmannsthals "Der Schwierige" folgten.
Als Salzburger Schauspielchef landete er einen Coup: Für einen neuen "Jedermann" auf dem Domplatz holte er den bis dahin vor allem aus Oberammergau bekannten Regisseur Christian Stückl sowie Burgschauspieler Peter Simonischek für die Titelrolle. Diese Konstellation sollte bis 2012 halten. Zudem begründete er das Young Directors Project (YDP) mit der Firma Montblanc als Sponsor. Dieser "Jedermann" und YDP sollten weit über seine Amtszeit hinaus bestehen.
Infolge seiner ersten Kontroverse in Salzburg, da das bevorstehende Mozartjahr 2006 ohne seine angemessene Beteiligung mit Schauspielprojekten geplant wurde, zog Jürgen Flimm 2004 und somit vorzeitig ab und übernahm - als Nachfolger von Gerard Mortier - für drei Jahre die Ruhrtriennale. Im Herbst 2006 kehrte er nach Salzburg zurück: diesmal als Intendant. Er holte - nach glücklosem Versuch mit Peter Schmidl, Klarinettist der Wiener Philharmoniker - Markus Hinterhäuser als Konzertchef und Thomas Oberender fürs Schauspiel und bot zum Einstand einen Sommer 2007 mit dem fantastischen Motto "Die Nachtseite der Vernunft".
Sein Werben um Nikolaus Harnoncourt, mit dem in Salzburg 1993 eine außergewöhnliche "Poppea" gelungen war und mit dem er in Zürich unter anderem mit Mozarts Da-Ponte-Opern Furore gemacht hatte, blieb für seine Salzburger Intendanz unerfüllt. Dafür gewann er Riccardo Muti - für Opern im Sommer sowie die Pfingstfestspiele.
Zu den Glanzstücken seiner Intendanz gehören die szenische Aufführung von Luigi Nonos "Al gran sole carico d'amore" 2009 sowie "Rusalka", inszeniert von Jossi Wieler und Sergio Morabito, womit Franz Welser-Möst sein Debüt am Opernpult der Salzburger Festspiele gab. Jürgen Flimms Abschied in Richtung Berlin erfolgte im Krach und vorzeitig. Doch auch wenn das letzte Wort im Streit war, so vermag es nicht seine Erfolge und Verdienste zu tilgen.