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Kalifornien leistet sich unsinnige Strafgesetze

Wegen des "3 Strike Law" müssen auch Kleinverbrecher oft lebenslang hinter Gitter.

Kathrin Pilz

Ich habe Shane Taylor zu lebenslanger Haft verurteilt - für ein gewaltloses Verbrechen. Seine beiden vorangegangenen Rechtsvergehen waren kaum erwähnenswert." Der pensionierte kalifornische Richter Howard Broadman spricht ruhig und ohne sichtbare Emotionen direkt in die Kamera. "Und es tut mir leid. Es tut mir so, so leid", fügt er nach einer kurzen Pause hinzu und seine Stimme bebt plötzlich.

Auch Richter machen Fehler. Und müssen das vielleicht mit einem lebenslangen schlechten Gewissen bezahlen. Die 4.691 Inhaftierten - darunter Shane Taylor - die wegen Vergehen wie Ladendiebstahl, Einbruch oder gefälschtem Führerschein geschnappt wurden, mussten ihre Fehler allerdings gleich mit einem Leben hinter Gittern bezahlen.Ungerechtes StrafrechtKalifornien hat das schärfste und wohl auch oft ungerechteste Strafrecht der westlichen Welt. "Three Strikes Law" heißt dieses Gesetz. Es bedeutet, dass einem, der bereits zwei Mal wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, beim dritten Gesetzesverstoß - der so harmlos wie das Klauen eines Stücks Pizza sein kann - lebenslanger Freiheitsentzug droht.

Eine vorzeitige Entlassung, etwa wegen guter Führung im Gefängnis, ist dann meist erst nach 25 Jahren möglich.Golfschläger gestohlenIm Fall von Shane Taylor war seine dritte Verfehlung Drogenbesitz im Wert von unter 10 Dollar. Zuvor war er zwei Mal wegen unbewaffneten Einbruches in ein Haus - dessen Besitzer nicht zu Hause waren - verurteilt worden.

Auch der Kalifornier Gary Ewing wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er aus einem Clubhaus drei Golfschläger gestohlen hatte. Zuvor hatte er mehrmals in Häuser eingebrochen und war wegen illegalen Drogenbesitzes verurteilt worden.

Während seiner Haftzeit erblindete Ewing und stellte einen Antrag vom oberen Stockbett nach unten übersiedeln zu dürfen. Der Antrag wurde abgelehnt. Ewing stürzte prompt aus dem Stockbett und landete im Rollstuhl.Blind im oberen StockbettLetzten August starb Ewing an Krebs. Obwohl er blind, gehbehindert und todkrank war, wurde er auf der Krankenstation rund um die Uhr bewacht.

Ewing und Taylor sind keine Einzelfälle. Lebenslange Freiheitsstrafen sind in den USA mittlerweile so häufig, dass jeder elfte Häftling zu "lebenslang" verurteilt wird.

Doch bei den Präsidentschaftswahlen am 6. November, bei denen auch sogenannte "Propositions" zur Abstimmung kommen, haben kalifornische Wähler die Chance, etwas gegen diese drakonische Strafkultur zu tun: Proposition 36 ist ein Volksbegehren welches das "3 strike law" so reformieren will, dass es künftig nur mehr auf Schwerverbrecher angewandt werden kann.200 Millionen Dollar sparenSollte sich Prop. 36 durchsetzen - und laut Umfragen ist dies durchaus zu erwarten -, können jene Inhaftierten, die in Kalifornien wegen dieses Paragrafen eine lebenslange Haft absitzen, auf Strafmilderung hoffen.

Diese längst überfällige Gesetzesreform wäre nicht nur von einem humanitären Standpunkt aus zu begrüßen. Der finanziell schwer angeschlagenen Staat könnte damit auch rund 200 Millionen US-Dollar pro Jahr einsparen.