Die Familie fastet. Unfreiwillig. Dabei hungern wir nicht. Wir werden in die digitale Abstinenz gezwungen, denn unser Internetzugang ist kaputt. Der Verzicht auf Nahrung, Alkohol, Süßigkeiten oder das Auto zählt zu den beliebtesten Fastenriten in der Zeit vor Ostern. Seit ein paar Jahren auch Digital Detox, der Verzicht auf das Internet.
Doch bei uns führt Digital Detox dazu, dass sich die Jüngste nicht mehr mit dem Online-Vokabeltrainer auf die Englischschularbeit vorbereiten kann. Das wäre aus ihrer Sicht verschmerzbar. Aber auch Musikhören und Filmschauen per Streaming funktioniert nicht mehr, klagen die Älteren. Dazu kein Recherchieren und Surfen am Computer, das ärgert schlussendlich alle. Ich spotte. Endlich wären wir mit Digital Detox voll im Trend, und dann passt es erst recht wieder keinem.
Die Medien hingegen überschlagen sich vor Begeisterung über den neuen Lebensstil: Digital Detox - nicht für die Figur, sondern für den Geist! Wie soziale Medien uns fesseln und wie man sich davon löst. Hände weg vom Handy - Digital Detox als neuer Luxus. So lauten die Schlagzeilen zu einem Phänomen, das vor allem im Internet grassiert. Genau dort, wo man angeblich nicht mehr sein will. Es gibt sogar eigene Detox-Apps für das Handy. Das ist absurd.
Die Idee wäre ja gut. Mit der digitalen Entgiftung soll man sich für einen gewissen Zeitraum bewusst einer wachsenden Vernetzung und stetigen Erreichbarkeit entziehen. Dadurch wird man sich wieder mehr der analogen, physischen Welt bewusst. So soll Digital Detox dabei helfen, Stress zu reduzieren und weniger genervt zu sein.
Unfreiwillig ohne Internet zu sein, nervt aber noch viel mehr. Und der Stresspegel steigt mit jedem Versuch, das Internet wieder in Gang zu bringen. Hoffentlich findet der Provider das Ei, das er uns mit dem kaputten Anschluss gelegt hat, noch vor Ostern.


